Die Stadt hatte den Wohnkomplex Hannibal in Dorstfeld wegen schwerer Brandschutzmängel im September 2017 Knall auf Fall räumen lassen. Die Mängel seien so schwerwiegend gewesen, dass jederzeit ein Feuer hätte ausbrechen können, wie Richterin Eva-Maria Dölp in einem ersten Verfahren vor dem Gelsenkirchener Verwaltungsgericht erklärte.
Das war im Oktober 2021. Der damalige Hannibal-Eigentümer, Lütticher Properties 49, hatte gegen die Stadt geklagt. Das Kalkül: Würden die Richter die Räumung für unverhältnismäßig erklären, könne man in einem weiteren Schritt die Erstattung von Mietausfällen geltend machen.
Doch die Rechnung ging nicht auf. Ein Urteil, ob die Räumung verhältnismäßig war, gab es nicht. Dafür aber zumindest den Hinweis der Richterin, die Ermessensentscheidung der Stadt sei „nicht zu beanstanden.“ Zumal die Feuerwehr deutlich gemacht habe, dass akute Gefahr für Leib und Leben der Bewohner bestanden habe.
Beide wollen in die Berufung
Das Weitervermietungsverbot der Stadt gegenüber Lütticher sei nicht zu beanstanden, befand das Gericht – Punktsieg für die Stadt. Anders hingegen bewertet das Gericht die Räumungsverfügung der Stadt: Damit hätte sich die Stadt an die einzelnen Bewohner richten müssen statt an den Eigentümer - Punktsieger Lütticher.
Beide Seiten wollen sich damit nicht abfinden. Sowohl die Stadt als auch Lütticher wollen jetzt den nächsten Schritt gehen: Obschon keine Berufung zugelassen ist, haben die Kontrahenten beim Münsteraner Oberverwaltungsgericht (OVG) angeklopft und einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, wie OVG-Sprecherin Gudrun Dahme bestätigt. Die Entscheidung darüber steht noch aus.
13,3 Millionen in Rückstellung
Dabei steht viel Geld im Risiko. Die Stadt reagiert vorsichtig und beugt vor, falls sie dem Ex-Eigentümer irgendwann eben doch Mietausfälle erstatten müsste. Deshalb hat sie seit der Hannibal-Räumung 10,8 Millionen Euro als Rückstellungen zur Seite gelegt. Mit der jüngsten Ratssitzung im Dezember kommen weitere 2,5 Millionen Euro obendrauf – macht insgesamt also 13,3 Millionen Euro.
Und auch das ist nicht das Ende der Fahnenstange: Ein endgültiger Abschluss des Streitverfahrens sei nicht absehbar, sagt die Verwaltung. Von daher sei in den kommenden Jahren mit weiteren Rückstellungen zu rechnen. Die jährlichen Mietausfälle werden auf ebenjene 2,5 Millionen Euro geschätzt.
Das Urteil der Gelsenkirchener Verwaltungsrichter hat das Risiko für die Stadt nach Einschätzung der Experten im Rechtsamt nicht kleiner werden lassen. Eine Zwangsräumung in derartigem Umfang und bei der Größe der Immobilie habe deutschlandweit noch nicht stattgefunden, heißt es. Von daher sei eine rechtliche Bewertung schwierig.
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