
© Verena Schafflick
Dortmunder wollen Kinder aus Ukraine aufnehmen: „Sie sitzen mit Oma im Bunker“
Ukraine-Konflikt
Viele Menschen mit Freunden und Familie in der Ukraine sind dieser Tage in Sorge aufgrund des Konflikts, auch in Dortmund. Deswegen will eine Dortmunderin nun Geflüchtete ins Ruhrgebiet holen.
Mehr als 100.000 Menschen sollen wegen des Konflikts in der Ukraine auf der Flucht seien. Auch Deutschland rechnet mit größeren Flüchtlingsströmen. Eine Ukrainerin aus Dortmund würde am liebsten jetzt schon Geflüchtete aufnehmen - und bittet die Politik um Hilfe.
Kurzfristig hatte Valechka Grebenjuk über Facebook am Donnerstagabend in die Räume des IBB Dortmund an der Bornstraße 66 geladen. Dieser Post traf einen Nerv, rund 100 Menschen aus der ganzen Region kamen innerhalb kurzer Zeit zusammen.
Die Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine sei groß: „Die Leute standen im Hof, auf dem Korridor und auf den Treppen - die Leute wollen helfen!“, sagt Valechka Grebenjuk, die in Kiew geboren wurde.
„Das Treffen war sehr gut, wir haben am Abend noch einen Brief an den Bürgermeister geschickt“, erklärt die Dortmunderin. Noch warte sie auf Rückmeldung von OB Thomas Westphal. Inhalt des Briefes sind Bitten um staatliche Hilfe und die Erlaubnis, Geflüchtete aufzunehmen. Vor allem an die Jüngsten denkt Grebenjuk dabei.
„Wir haben viele junge Frauen hier, die ihre Ausbildung mit Studentenvisa machen und die kleine Kinder in der Ukraine haben“, erzählt sie. Diese wüssten nicht, wie sie die Kinder aus den Kriegsgebieten holen können: „Mütter rufen mich an, weil ihre Kinder mit der Oma im Bunker sitzen.“
„Das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann“
Immer wieder ringt die gebürtige Ukrainerin im Gespräch mit den Tränen: „Ich bin selber Mutter und habe ein Enkelkind. Wäre ich in so einer Situation, würde ich durchdrehen. Das ist so schrecklich, wir sind im 21. Jahrhundert. Das ist barbarisch, was da passiert.“
Gerade die Berichte von Freunden und Familie, die versuchen würden zu fliehen oder in Bunkern Zuflucht suchten, würden sich inzwischen mehren. „Wir sind ständig in Kontakt mit Leuten aus der ganzen Ukraine.“ Eine Frau habe berichtet, dass ihr Kind in Vinnytsya festsitze und dort nicht rauskomme, weil die Stadt von russischen Soldaten belagert werde. „Das ist das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann“, so Grebenjuk.
Daher sei beim Treffen am Donnerstagabend entschieden worden, Schwangere, Kinder und Jugendliche sowie Alte und Kranke aus der Ukraine nach Deutschland zu holen. Allerdings erst, wenn den Helferinnen und Helfern staatliche Unterstützung zugesichert werde. „Für uns ist es wichtig, dass wir mit unserer Hilfe nicht alleine bleiben“, sagt die Ukrainierin.
Dieses „Wir“ ist eine Gruppe von Menschen, die sich seit der Annexion der Krim 2014 gefunden hat und seitdem Ukrainer und Ukrainerinnen unterstützt, in den ersten Jahren ohne staatliche Hilfe.
Doch das sei jetzt nicht mehr stemmbar: „Wir haben uns alle mit diesem Thema auseinandergesetzt seit 2014. Wir haben bis zuletzt gehofft, dass es nicht zum Krieg kommt - jetzt haben wir den Salat.“ Sie alle wollen helfen, „egal wie, nur wir wollen wissen, was wir machen dürfen und können“.
Kinder könnten mit Bussen abgeholt werden
Ein erster Plan sei es, möglichst schnell Kinder und Jugendliche aus den Konfliktregionen zu evakuieren. „Wenn wir irgendwelche Unterstützung kriegen, können wir die mit Bussen oder so abholen.“ Einige Geflüchtete stünden auch an der Grenze nach Polen, um Asyl in Europa zu suchen.
Auf eigene Faust ohne Absprache mit der Stadt wollen Valechka Grebenjuk und ihre Mitstreiter die Geflüchteten allerdings nicht nach Dortmund holen. „Wir wollen sicher sein, dass alles legal ist, dass die Kinder in eine Schule oder einen Kindergarten gehen können und dass sie eine Unterkunft kriegen“, so Grebenjuk.
Längerfristige Lösungen gefordert
Sie bräuchten längerfristige Lösungen, „weil irgendwann geht auch die Hilfsbereitschaft mal zu Ende, wenn nicht mehr genug Geld für die eigene Familie da ist“.
Durch ihre Arbeit bei einer gemeinnützigen Organisation hat Grebenjuk auch die Flüchtlingskrise 2015 miterlebt. Sie weiß daher, dass es nicht einfach mit der Evakuierung der Menschen nach Deutschland getan ist.
„Ich habe durch meine Organisation grundsätzlich viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Wir haben auch selber schon Projekte in Belarus und der Ukraine durchgeführt und haben die Leute und Erfahrungen, um zum Beispiel bei der Papierarbeit mit den Ämtern zu übersetzen“, sagt Grebenjuk.
Für die Arbeit mit Jüngeren sei auch sozialpädagogische Erfahrung wichtig. Und ein weiterer Aspekt: „Viele Menschen sind traumatisiert. Wie ist mit diesen Menschen umzugehen?“
Doch darum wolle Valechka Grebenjuk sich erst kümmern, wenn sie die finanzielle Zusicherung vom Staat und eine Antwort von Oberbürgermeister Westphal hat. Die lag am Freitagnachmittag noch nicht vor. Zumindest sicherte Westphal am Morgen gegenüber Medienvertretern zu, dass die Stadt plane, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen.
Auf einem Weg zeigten sie aber am Freitag bereits ohne Antwort von der Politik ihre Solidarität mit ihren Verwandten: Sie und ihre Helfer nahmen am Abend auch an der Friedensdemonstration auf dem Friedensplatz teil.