Akten aufgetaucht: 17 Spione sammelten für die Stasi Informationen in Dortmund

Stasi in Dortmund

30 Jahre nach dem Mauerfall erzählen 2000 Seiten Akten aus den geheimen Archiven der Staatssicherheit erstmals, wie der DDR-Geheimdienst in Dortmund operierte.

Dortmund

, 31.01.2020, 14:29 Uhr / Lesedauer: 2 min
Zerrissene Dortmunder Stasi-Akten.

Zerrissene Dortmunder Stasi-Akten. © Leonie Sauerland

Das Dortmund der 80er Jahre ware gradezu ein Leckerland für die Stasi. Das sagt nicht nur Geheimdienst-Experte Helmut Müller-Enbergs, das belegen auch über 2000 Seiten Akten aus den geheimen Archiven des Ministeriums für Staatssicherheit.

90 Prozent aller Akten vernichtet

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn 90 Prozent aller Unterlagen der Hauptverwaltung Aufklärung, dem Auslandsspionagedienst der Stasi, wurden nach dem Mauerfall im Herbst 1989 geschreddert und vernichtet. Das, was die Wende überlebt hat, gibt tiefen Einblick in die Arbeit der DDR-Spione in Dortmund.

17 DDR-Spione in Dortmund

Wäre der Dritte Weltkrieg ausgebrochen, wäre die Sowjetunion über den Gegner im Bilde gewesen. Agenten hatten zuvor Truppenstärken der Nato-Streitkräfte und kriegswichtige Infrastrukturen ausgespäht - ja selbst detaillierte Pläne zum Sprengen von Autobahnbrücken hatten die Warschauer-Pakt-Staaten für den Ernstfall vorbereitet - mit der Hilfe Hunderter Spione in Westdeutschland. Mindestens 17 von ihnen agierten in Dortmund.

Politiker in Misskredit

Sie stahlen Forschungsergebnisse aus der Universität, spähten Manöver der britischen Streitkräfte an der B1 aus, warben Dortmunder für Spitzeldienste an und versuchten Politiker in Misskredit zu bringen - 30 Jahre nach dem Fall der Mauer tauchen in der Stasi-Unterlagenbehörde in Berlin Stück für Stück Dokumente auf, die eindrucksvoll zeigen, wie der DDR-Geheimdienst in Dortmund operiert hat.

Rekrutierungsreserve für DDR-Agenten

„Dortmund ist eine spannende Region für einen östlichen Nachrichtendienst gewesen, eine alte und krafterprobte Arbeiterbewegung“, sagt der Geheimdienst-Experte Helmut Müller-Enbergs. Dortmund sei für die Stasi wesentlich eine Rekrutierungsreserve für potenzielle Agenten gewesen. „Richtige gigantische Spitzenquellen konnte es nicht geben, weil hier die entsprechenden Institutionen fehlten. Hier war kein NATO-Sitz, hier war kein Deutscher Bundestag, hier war nicht der Landtag NRW. Aber hier war Industrie und an der Uni gab es auch Forschung“, sagt Müller-Enbergs.

Ein Jahr vor der Wende bestand das Netz der Spitzel in Dortmund aus 17 Inoffiziellen Mitarbeitern (IM). Unter ihnen befanden sich verschiedene Agententypen: Führungs-IM, die andere Agenten ausbildeten und deren Einsätze koordinierten; Objektquellen, die in wichtigen Unternehmen oder Behörden arbeiteten und Dokumente nach Ostberlin schleusten; Werber, die für frischen Agentennachschub sorgten; Ermittler, die in Dortmund - je nach Auftrag der HV/A - verschiedenste Informationen beschafften.

Sicherheitssysteme für die Stasi

Ein echtes Schwergewicht unter den Spitzeln war der Nachrichtentechniker „Holger Rum“, von der HV/A ausgebildet und in Dortmund abgesetzt, um professionell Informationen aus der Region zu beschaffen. Er arbeitete zuletzt in einem Unternehmen, das schlüsselfertige industrielle Video- und Sicherheitssysteme anbot. So organisierte er für die DDR modernste Technik, darunter Nebel- und Wärmebildkameras und Informationen zur Leiterplattenentwicklung für IBM-Computer. Allein im November 1988 erhielt er für seine Dienste 20.000 Mark von der Stasi.

Hier geht‘s zur Serie „DDR-Spione in Dortmund“

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