Dimitri Hegemann (70) über Tresor.West „Es wäre ein Verlust für Dortmund, wenn wir verschwinden“

Tresor.West: „Es wäre ein Verlust für Dortmund, wenn wir verschwinden“
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Dimitri Hegemann hat seinen Lebensmittelpunkt schon lange in Berlin. Dort hat der gebürtige Westfale mit dem Club „Tresor“ der Techno-Szene der 1990er-Jahre einen wichtigen Ort gegeben. 2019 ging er noch einmal ein neues Projekt an, das er schon lange im Kopf und im Herzen hatte: die Eröffnung des Tresor.West im Keller der damals gerade neu eröffneten Konzerthalle auf Phoenix-West.

„Das war eine Leidenschaft. Ich wollte etwas zurückgeben an die Region, aus der ich komme“, sagt Hegemann im Gespräch im April 2025. Als ihn diese Redaktion in Berlin erreicht, entsteht ein offenes Gespräch in schwierigen Zeiten für die Nachtwirtschaft allgemein und für Dortmund und den Tresor.West im Speziellen.

Rettungskampagne im Januar

Denn der Club ist in aller Munde. Zuletzt wieder häufiger wegen atmosphärischer Partys im schlichten Kellergewölbe, in dem ein Foto-Verbot gilt. Vor allem aber, weil der Club mit einer großen Rettungskampagne ins Jahr gestartet ist.

Der Tresor.West brach im Januar mit dem bis dahin gewohnten Weg. „Wir hatten wirklich wirtschaftliche Probleme. Wir haben sehr viel Geld investiert, sind bombig gestartet. Und dann haben wir den Neustart nach Corona nicht hinbekommen“, sagt Hegemann.

Denn nach der Rückkehr blieb es bei den mit bekannten Namen aus der Elektronikmusik-Szene besetzten Events in Hörde oft leer. „Das war bitter, dass man sieht, dass man nicht einmal 200 Leute einsammelt“, sagt Hegemann. Bei einem Club mit der etwa vierfachen Kapazität geht das nicht auf, wenn die Fixkosten für einen Abend schon bei bis zu 5000 Euro liegen, wie Hegemann angibt.

Mit Gratis-Technonächten unter dem Schlagwort „Save the underground“ ging der Tresor.West deshalb im Winter 2025 in die Offensive. Aus der klaren Position: Wenn das nicht klappt, gibt es diesen Club vielleicht bald nicht mehr.

Jetzt kommen dreimal so viele

„Wir wollten erstmal gucken: Wie sammeln wir die Leute? Gibt es überhaupt irgendein Interesse für diese Musik? Also haben wir die Aktion gestartet. Eintritt frei, wir rechnen jetzt mal ganz anders: Wir verzichten auf die Big Names. Und wir wollen wieder von der Community für die Community eine Veranstaltung machen“, sagt Hegemann über die Gedanken hinter der ungewöhnlichen Aktion.

„Die Maßnahme kam aus der Überlegung, dass die Kids einfach kein Geld mehr haben. Das ist ein Faktor, der auch dazu beiträgt, dass viele Clubs still verschwinden.“ Das Konzept hat funktioniert, statt 200 kommen tatsächlich viel mehr Besucher – an einigen Tagen bis zu 700 Gäste.

Nach drei Monaten „Community Nights“ hat der Tresor.West das Konzept angepasst. Die Partys kosten mittlerweile fünf Euro Eintritt ab 24 Uhr. Es sei nicht eingetreten, dass die Gäste bei freiem Eintritt mehr Getränke umsetzen. „Der Umsatz pro Gast hat sich genauso gehalten wie vorher. Das ist schon in Ordnung. Was reichen könnte, wäre, wenn wir diese Zahlen halten können und jeder 5 Euro bezahlt“, sagt Hegemann.

Am Ende gibt es ein klares Ziel. „Wir wollen erstmal überleben, das Stabilisieren ist für uns wichtig.“

Mitarbeitende des Technoclubs Tresor.West in Dortmund posieren für ein Foto.
Ein Foto des Teams, das hinter dem Tresor.West steht. © Tresor.West

Unter dem Dortmunder Nachtleben-Publikum kommt die neue Strategie gut an, es gibt viele positive Besucherkritiken.

Doch es gibt auch eine andere Sicht auf die „Save the underground“-Kampagne. Einige Clubbetreiber berichten, dass sie die „Community Nights“ auf Phoenix-West in den ersten Monaten des Jahres Publikum gekostet hätten. Andere wundern sich über die plötzliche Hinwendung des Tresor.West als international bekannte Marke zur lokalen Szene, nachdem man sich dieser in den Jahren zuvor eher verschlossen habe.

Selbstkritische Worte

Hegemann betrachtet vieles, was in der ersten Phase der knapp fünf Jahre Tresor.West in Dortmund passiert ist, durchaus selbstkritisch. „Ich habe als wir gestartet sind, den Fehler gemacht, dass ich keine gute Recherche durchgeführt habe. Welche Clubs gibt es? Wie verhalten sie sich? Das hätte ich besser untersuchen sollen.“ Es habe Leute gegeben, denen er das anvertraut habe. „Aber das war nicht gut. Es gab leider Fehlbesetzungen. Ich habe das nicht ernst genug genommen.“

Es gibt andere Faktoren, die haben eher den Geschmack einer Dortmunder „Hausmarke“. Da ist etwa die Sache mit der Buslinie, die zuverlässig auf das etwas abgelegene Gelände in Hörde fehlt. Die schien in der Planung für den Club schon fast beschlossene Sache, die Idee versandete dann aber über die Jahre. Das führt zu einem vor allem für Frauen erheblichen Unsicherheitsgefühl auf dem Heimweg.

Die Beschwerden über die aktuelle Strategie kennt er und er zeigt auch Verständnis dafür. Hegemann sagt aber deutlich: „Das ist eine kaufmännische Entscheidung, sonst wäre ich weg vom Fenster. Ich brauchte erstmal eine Motivation, um weiterzumachen.“ Das Vorgehen sei „transparent“, findet er. „Wir kommunizieren mit unserem Publikum und wir werden jetzt sehen, ob sie dann mitmachen.“

Feiergäste warten auf den Einlass zum Technoclub Tresor.West auf dem Phoenix-West-Gelände in Dortmund.
Ein Bild von der Warteschlange vor dem Tresor.West auf Phoenix-West. © Archiv

Viel Energie für „Nachtwirtschaft“

Wenn der 70-Jährige über das spricht, was er „Nachwirtschaft“ nennt, dann ist ganz viel Energie für das Grundlegende zu spüren. Clubs als Orte, „die Demokratie stärken“, Austausch schaffen von der persönlichen Erfahrung bis zur Business-Gründung – das sind Dinge, die ihn beschäftigen, die er voranbringen möchte. Er hat eine Bildungssttätte, die „Academy of subcultural understanding“ gegründet, in der junge Clubmacherinnen und -macher ausgebildet werden. Leonard Raffel, der aktuelle Clubmanager des Tresor.West, ist einer davon.

Es geht in diesen Tagen zwischen „Community Night“ und dem ersten Dortmunder Clubpreis auch mehr denn je um das Binnenklima im Dortmunder Nachtleben. Hegemann wünscht sich, dass die Clubs in der Stadt wieder häufiger „die Köpfe zusammenstecken“. Was auch impliziert, dass es zuletzt auch häufiger als gewünscht ein „gegeneinander“ gab.

Nur der Name reicht nicht

Hegemann hält es für wichtig, dass die Szene über gewohnte Grenzen hinausschaue. „Man kann sich nicht nur in Dortmund hinsetzen, sondern man muss immer wieder Brücken schlagen, auch zu anderen Kunstformen. Was machen die denn da in Amsterdam? Oder was machen die in Köln oder in Berlin?“, sagt er. Dazu gehöre auch, sich ehrlich zu fragen, was Dortmund zu bieten hat. Und was der Stadt fehlt. „In Berlin ist es so: Du kannst alle verrückten Ideen haben, und du findest garantiert jemanden, der sie teilt. Das ist in Dortmund leider nicht so.“

Für den Tresor.West sieht Hegemann viele Gründe zur Hoffnung: die Erfahrungen der vergangenen Monate, die Aussicht auf die bald beginnenden Events im Garten des Clubs und das künstlerische Konzept mit dem Schwerpunkt „new faces“, neue Gesichter in der DJ-Welt und weiterhin auch etablierte Künstlerinnen und Künstlern.

Dank an die Stadt und das Team

Hegemann sagt selbstbewusst: „Es wäre ein Verlust für Dortmund, wenn wir verschwinden.“ Aber er hat auch erkannt, dass nur der Name „Tresor“ allein und ein bisschen Berlin-Vibe nicht ausreichen, um im Nachtleben dieser Region dauerhaft einen Platz zu haben.

Er schließt mit einem Dankeschön an das „fleißige Team“ im täglichen Clubbetrieb, aber auch „an die Stadt Dortmund und das Kulturbüro für ihr starkes Engagement“.

Hegemann sagt: „Einen hoch dotierten Clubpreis in diesen schwierigen Zeiten auszuschreiben: Das ist wahre Wertschätzung und ein wichtiges Signal für die Clublandschaft.“

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