Wenn Preise verliehen werden, dann ist das immer mit einer Frage verbunden, die oft unausgesprochen im Raum steht: Trifft es die Richtigen?
Beim Dortmunder Clubpreis, im Februar 2025 zum ersten Mal verliehen, ist das nicht anders. Trotzdem soll die mit 20.000 Euro Preisgeld verbundene Auszeichnung eben kein Preis sein, der Konkurrenz schürt. Sondern einer, der verbindet.
Die Preisverleihung brachte die Szene zusammen, in der zwar alle oft miteinander, aber manchmal auch nebeneinander um die Nachtkultur in Dortmund kämpfen.
Und immer mehr auch um ihr eigenes wirtschaftliches Überleben, wie öffentliche Hilferufe von Tresor.West oder Subrosa zuletzt gezeigt haben.
„Oma“ neben Oberbürgermeister
Sieben Clubs standen auf der Nominierungsliste (Großmarktschänke, FZW, Stollen134, Subrosa, Tresor.West und Weinkeller und Oma Doris). Alle Dortmunder Clubgängerinnen und -gänger waren zur Abstimmung aufgerufen. Dazu entschied eine siebenköpfige Jury mit. Am Ende standen zwei Namen in den beiden Kategorien ganz oben.
10.000 Euro für die „beste Initiative“ gingen an den Stollen 134, einen Techno-Club am Westenhellweg, den ein ehemaliger Caterpillar-Mitarbeiter aufgebaut hat.
Für den „Clubpreis“ trat dann eine ungewöhnliche Kombination aus Menschen neben Oberbürgermeister Thomas Westphal und Kulturbüro-Leiterin Hendrikje Sprenger nach vorne.
1976 eröffnet
Ben Bolderson (42), seit 2012 Betreiber von Oma Doris war da zu sehen. Neben ihm: die echte „Oma Doris“. Doris Schulenkorf (85), im Jahr 1976 Begründerin dieses Ausgeh-Ortes und Boldersons Großmutter, war selbst da, um mit einem stolzen Strahlen auf dem Gesicht den Preis für etwas entgegenzunehmen, das so etwas wie ihr Lebenswerk ist.

Kindheit mit Tanzlokal-Oma
„Ich habe mich so sehr für sie gefreut, dass sie die Anerkennung bekommen hat und gesehen hat, dass sich die Arbeit gelohnt hat“, sagt Ben Bolderson einige Wochen nach der Preisverleihung.
Er führt den Club, der ein Teil seines eigenen Aufwachsens war. An der Garderobenstange hat er geturnt, wenn er bei Oma zu Besuch war. Die war eben keine Hausfrau, bei der es Kaffee und Kuchen im Garten gab. Sondern Besitzerin eines Tanzlokals. Mit 16 legte er zum ersten Mal Schlager für die Tanz-Gäste auf, als ein DJ kurzfristig ausfiel, er verdiente sich Geld mit Kellnern dazu.
Umbau während Omas Urlaub
Mit 29 übernimmt Ben Bolderson das Tanzcafe Hösl, das mit seinen Telefontischen und den markanten Deckenleuchten über Jahre seinen ehrwürdigen Charme entwickelt, aber auch abgenutzt hatte.
Der Umbau und die Umbenennung in Oma Doris erfolgen, als die echte Doris im Urlaub in Thailand ist.

„Wir haben das dann innerhalb von zwei Wochen gemacht. Als sie wiederkam, habe ich gesagt, sie soll sich ins Taxi setzen und mal vorbeikommen. Und sich was Schickes anziehen. Und dann kam sie wirklich an dem Abend der offiziellen Oma-Doris-Eröffnung vorbei.“
Zwischen den Tischen entsteht dann dieses Bild: Doris bekommt eine Acid-House-Schallplatte in die Hand gedrückt, sie setzt die Nadel auf. „Und das war der Start dann vom Oma Doris. Sie hat sich total gefreut“, sagt Ben Bolderson. Bis heute sei sie stolz darauf, dass der Club ihren Namen trägt und zeige das zum Beispiel durch einen Sticker auf ihrem Gehstock.
Geschichte des Brückviertels
Es steckt also viel Geschichte in den Räumen, die unmittelbar am Eingang zum Brückviertel liegen. Dessen Wandel, das stetige Auf und Ab, hat sich auch hier immer widergespiegelt. Rocker, Rotlicht-Millieu, modernes Ausgehviertel, Lichtblicke wie das Konzerthaus. Dann wieder im Fahrstuhl zurück nach unten in die heutige Zeit mit Diskussionen über Kriminalität im Umfeld.
Wer die Treppe zum Clubraum hinaufsteigt, vergisst, was draußen ist. Bei Oma Doris gibt es funktionierende Party-Formate wie eine beliebte 80er-Party. „Wir brauchen so ein paar Cashcows“, sagt Ben Bolderson.
Denn dann, so erklärt der 42-Jährige, lasse sich auch das vertreten, was ihm wichtig sei: ein kultureller Ansatz, mit vielen Livemusik-Events wie Konzerten und Sessions.

Neue Wege gegen das Clubsterben
„Auch im Hinblick auf dieses große Thema Clubsterben müssen wir uns einfach umorientieren und schauen, dass wir für die nächsten Jahre am Markt bleiben. Ich glaube, dass Live-Musik einfach ein Ding ist.“ Das Geld aus dem Clubpreis soll laut Bolderson hauptsächlich in Live-Equipment und Technik fließen.
Während er das in einem Nebenraum im Gebäude erzählt, laufen nebenan die Vorbereitungen für eine Jazz-Session der Reihe „Bunt oder Blau“. Diese gibt es seit gut einem Jahr und sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich ein „Club“-Erlebnis weiterentwickeln kann. Formate wie diese haben kreative Energie nach Dortmunder Machart. An diesem Ort und aus ihm heraus entstehen neue Dinge.
Spätis kosten Einnahmen
Viel Einsatz für neue Formate ist hier also die Antwort auf krisenhafte Zeiten. Denn auch Bolderson spürt die Preissteigerungen bei Brauereien, Agenturen, DJs und anderen. Spürt, wie sich im Publikum etwas verschiebt.
Er nennt ein Beispiel: „Das Trinkverhalten hat sich absolut geändert. Die ganzen Spätis, die hier in der Stadt aufhaben, sind da natürlich nicht hilfreich.“
Eines von vielen großen und kleinen Problemen, die Ben Bolderson mit vielen Betreiberinnen und Betreibern anderer Clubs teilt. Er sagt deshalb: „Wir sind kein Laden, der sagt: Hey, wir sind jetzt der Preisträger, alles läuft von selbst. Alle hätten es verdient, alle stecken so viel Arbeit in ihre Läden. Ich finde es einfach als Anerkennung schön, dass es so etwas von der Stadt gibt und dass es wirkt.“
Was bringt die Zukunft?
Was die Zukunft für das Dortmunder Nachtleben auch bringen mag: Oma Doris und ihre Vorgänger haben jetzt schon ihren Platz im popkulturellen Gedächtnis unserer Zeit.

Es gibt das Bild, auf dem Doris Schulenkorf neben den Sport-Legenden Franz Beckenbauer und Max Schmeling steht, die es sich an der Brückstraße gut gehen ließen.
Zwei Elektro-DJs haben den Club-Namen in eigenen, gut hörbaren, Tracks verewigt. Die Band Deichkind hat Oma Doris in einem sechsstellig angesehenen Video zu Ankündigung eines Dortmund-Konzerts erwähnt.
2015 ist der Club Drehort für einen Tatort. Wer es ganz lokal mag: Eine Reihe etablierter Dortmunder DJs wie Juliet Sikora, Ante Perry oder Der Wolf ist hier ihre allerersten Schritte gegangen.
Potenzial im Keller
Viel Nostalgie, die einen Club aber natürlich nicht allein am Laufen hält. Die „Oma“ hat viele Zukunftspläne.
Einer davon liegt ein paar Treppen entfernt vom Hauptraum, in dem gerade die Jazz-Session läuft. Diesmal führt der Weg hinab. Die ehemaligen Räume des „Leeds Pub“ mit 360-Grad-Tresen und ganz viel Potenzial warten hier darauf, wachgeküsst zu werden. „Im Sommer“ könnte hier etwas Neues entstehen, sagt Ben Bolderson.
Haben jetzt also „die Richtigen“ den Clubpreis bekommen? Das kann jeder nach seinem Ausgehgeschmack bewerten. Wie für alle anderen Nominierten und auch die, die nicht auf der Liste standen, gilt aber: Wenn die Menschen hier musizieren und tanzen, dann kann das für die Stadt nur gut sein.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 21. März 2025.