Es war ein Social Media-Post mit Wirkung: Der Tresor.West hat am Samstag (4.1.) finanzielle Sorgen klar benannt und will mit einem öffentlichen Hilferuf auf ein drohendes „Clubsterben“ aufmerksam machen. Das hat Beachtung gefunden.
Denn der Name des Clubs, 2020 eröffnet von Nachtleben-Pionier Dimitri Hegemann nach dem Vorbild des „Tresor“ in Berlin, hat einen Klang.
Überraschung und Verständnis
Viele Branchen-Magazine und Künstler teilten den Post. Begleitet war das von Worten der Überraschung und des Verständnisses dafür, dass jemand ausspricht, was für viele die Realität ist. Ein Gefühl beschreiben mehrere: Wenn schon ein Laden dieses Formats Probleme öffentlich macht, dann ist das für alle ein Grund zur Sorge.
Leonard Raffel, der aktuelle Club-Manager des Tresor.West, sagt in der Woche nach der kleinen Social-Media-Welle: „Wir haben sehr viel richtig ehrliche und starke Unterstützung von Menschen aus der Szene und der breiten Öffentlichkeit erhalten.“
40 Beschäftigte im Clubbetrieb
Im Gespräch mit dem 23-Jährigen wird deutlich: Der Techno-Club mit dem renommierten Namen steht wirtschaftlich an einer gefährlichen Schwelle. Aber es gibt eine klare Vorstellung davon, was wichtig ist, um diese Schwelle nicht zu übertreten.
„Wir haben das bewusst relativ klar kommuniziert, dass sich auch der Tresor.West an einigen Punkten aufgrund der finanziellen Lage entscheiden muss, ob er weiter existiert“, sagt Leonard Raffel.
Denn: Es geht hier nicht um einen Namen, sondern um einen Geschäftsbetrieb mit 40 Beschäftigten und etlichen Künstlerinnen und Künstlern, Lieferanten, Handwerkern und vielen Weiteren.

Weniger Geld zum Feiern
Was dem Club auf dem Phoenix-West-Gelände in Hörde fehlt, sind nicht unbedingt die Leute, die hingehen. Es gebe einen Besucherrückgang, sagt Raffel. „Aber der ist nicht massiv.“
Es kann passieren, dass man einen Abend erwischt, an dem sich nur 30 Leute in dem Techno-Keller verteilen. Aber es gibt mehr Erfahrungsberichte aus Nächten, in denen der Laden voll ist. Und dann zu dem besonderen Ort wird, den sich Gründer Dimitri Hegemann ausgemalt hat, als er das Projekt startete.
Ein Ort, an dem auf das Begegnende und Besondere der Nacht Wert gelegt wird. Mit einem künstlerischen Ansatz mit Blick auf lokale Künstler, pointiertem Raumdesign und strenger Keine-Fotos-Politik.

„Personenkult“ in DJ-Szene
Was die Lage schwierig macht ist, dass sich in der gesamten Kalkulation aus Eintritt, Gagen, Getränken, laufenden Kosten die Verhältnisse verändern. „Die Menschen, die sich entscheiden zu kommen, gehen seltener aus oder denken an der Theke öfter darüber nach, ob sie sich noch ein Getränk leisten.“
Inflation, Preissteigerungen, politische Krisen - häufig kommen die Folgen davon zuerst im Freizeitsektor an. Es gibt weitere allgemeine Faktoren, etwa das veränderte Ausgehverhalten vieler Menschen seit der Pandemie.
Hinzu kommt ein spezielles Problem der Techno-Szene. Gerade in der elektronischen Musik sei in den vergangenen Jahren und beschleunigt durch die Pandemie ein „Personenkult“ um DJs entstanden, sagt Raffel. Gagen und Beteiligungen von Agenturen stiegen sprunghaft an. „Das ist ein extrem gegenläufiger Prozess zu den steigenden Kosten“, sagt Tresor.West-Manager.

Konzept gegen die Krise
Der Dortmunder Club ist noch in der Position, dass er das Konzept gegen die Krise selbst gestalten kann. Der Ansatz der Tresor.West-Macherinnen und -Macher lautet deshalb nicht: mehr Veranstaltungen, höhere Preise oder größere Namen.
„Man könnte dieses Spiel mitspielen und weiter auf die Spitze treiben. Aber das geht nicht mit den Werten unseres Teams einher“, sagt Raffel. „Feiern ist politisch“, ergänzt er. Er meint das im Sinne von: Die Begegnung im Rave oder einer anderen Veranstaltung darf kein Privileg sein. Und gleichzeitig müssen die Clubs wirtschaftlich überleben.
Freier Eintritt, spontanes Line-Up
Deshalb setzt der Tresor.West im Januar auf „Community Nights“ bei freiem Eintritt und ohne vorher bekanntes Line-Up. Die Botschaft lautet: „Save the Underground“, rettet die „Untergrund“-Kultur in Kellern und Nischen.
Am 11. Januar startete die Aktion. „Es ist sehr gut gelaufen. Wir hatten zum Teil eine richtig lange Schlange vor der Tür“, sagt Raffel. Weitere „Community Nights“ gibt es am 18. und 25. Januar, jeweils ab 23 Uhr. Die Idee dahinter: Ein Bewusstsein schaffen und natürlich auch Einnahmen generieren, etwa durch Getränkeverkauf oder Merchandise-Produkte.
„Ein radikales Experiment“
„Das ist ein radikales Experiment, eine drastische Maßnahme. Wir wollen Raves, wie sie ursprünglich auch im Berliner Tresor 1991 entstanden sind. Wir wissen als Publikum nicht, was uns erwartet. Das sind die Ursprünge des Techno“, sagt Leonard Raffel.
Die erste Resonanz auf die Ankündigung nährt seine Zuversicht dafür, dass das funktioniert – auch auf der Einnahmenseite. Die „Community Nights“ wären dann auch eine Option für Februar, sind aber nicht auf Dauer angelegt.
Garten soll noch wichtiger werden
Ab Mai setze man stark darauf, dass der Garten für Partys, Afterhours und andere Veranstaltungen eine noch wichtigere Rolle im Programm spielen kann als bisher schon.
„Wenn wir es bis zum Sommer schaffen und weiter durchziehen, dann sind wir über den Berg“, sagt Leonard Raffel.