
Der Meisterfinal-Samstag war ein dramatischer, ein euphorischer, ein merkwürdiger Tag. Und er hatte zwei Verlierer: Den BVB, der die Meisterschale so kurz vor Schluss noch aus der Hand gegeben hat, und die Stadt Dortmund. Der Unterschied ist: Der BVB hat mit Pech und Würde verloren.
Dabei hätte die Stadt unabhängig vom Ausgang des Meister-Finales eigentlich ein Gewinner sein können. Die City war am Samstag schwarz-gelb. Schon am frühen Morgen standen die Fans vor Lokalen mit Lizenz des Bezahl-TV-Senders Sky Schlange. Denn ein offizielles Public Viewing sollte es diesmal nicht geben. Sky habe dazu kein Einverständnis gegeben, heißt es. Es gibt aber berechtigte Zweifel, ob die Stadt sich ausreichend darum bemüht hat, eine Lösung zu finden.
Man hat das Veto wohl lapidar hingenommen, und Oberbürgermeister Thomas Westphal gab die weltfremde Parole aus: Bleibt zu Hause, guckt mit Freunden oder in eurer Stammkneipe. Eine Ansage, die dann offensichtlich Handlungsleitfaden für die Verantwortlichen der Stadt beim Umgang mit den Feierlichkeiten in der City war. Denn im Gegensatz zum Wunsch des Oberbürgermeisters blieben die Fans nicht zu Hause, sondern fluteten die City. Was erwartbar war.
Das lag vor allem daran, dass viele Menschen von außerhalb nach Dortmund strömten - bauend auf den Ruf, dass in Dortmund besondere Fußballfeste gefeiert werden, und mit der Erwartung, hier eine ganz besondere Atmosphäre zu erleben.

Die ganz besondere Atmosphäre gab es - allerdings so, dass einem als Dortmunder zum Fremdschämen zumute war. Fans, die von außerhalb angereist waren, zeigten großes Unverständnis, dass die Stadt auf den großen Andrang offensichtlich nicht vorbereitet war - Dixie-Klos etwa waren erst für den Meisterkorso am Samstag vorgesehen, der dann gar nicht stattfand.
Keine TV-Bilder im Biergarten erwünscht
Und es gab sogar Störfeuer. Das beste Beispiel: Dem Biergarten-Wirt Klaus Erdmann im Westpark hatte die Stadt dringend empfohlen, trotz Sky-Lizenz diesmal auf eine Übertragung des Spiels zu verzichten. Aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Dass eine Übertragung in einem Biergarten draußen stattfindet, liegt in der Natur der Sache. Fußballübertragungen gibt es dort seit mehr als 30 Jahren, oft mit großem Andrang, aber bislang immer gut beherrscht. Warum sollte es diesmal anders sein?
Gefährlich erschien da eher das Gedränge um die Kneipen, die die Übertragung nur drinnen zeigen durften.

Dass man mit schwierigen Situationen, großem Andrang und großen Erwartungen kreativ umgehen kann, hatte die Stadt 2006 gezeigt. Ich erinnere mich gut an das Halbfinale der Fußball-WM in Dortmund mit dem Spiel Deutschland gegen Italien als Hunderttausende in die Stadt strömten. Der Andrang war so gewaltig, dass selbst die um den Südwall erweiterten Public-Viewing-Plätze nicht ausreichten.
Trotzdem wurde ein riesiges Fußballfest gefeiert. Die gesperrte Hohe Straße wurde zur Fan-Meile. Fernseher standen in den Fenstern der Kneipen und sogar von Wohnungen, vor denen sich dichte Menschentrauben bildeten.
Ich bin mir sicher: Ähnliches wäre, ohne die Sky-Lizenzpolitik zu umgehen, auch diesmal möglich gewesen. Zumindest hätte die Stadt die Wirte unterstützen können, die Übertragung so zu organisieren, dass möglichst viele Menschen daran teilhaben können - und das unter Sicherheitsaspekten möglichst weit gestreut.
Doch die Stadt verhinderte durch Drohkulissen sogar Übertragungen an bewährten Orten wie im Westpark. „Die Welt zu Gast bei Freunden.“ Dieses Motto der WM 2006 gilt für die Stadt Dortmund offensichtlich nicht mehr.
Zu viele Bedenkenträger
Natürlich: Hinter all dem stecken Sicherheitsbedenken (auch wenn Feuerwehr-Chef im Vorfeld erklärt hatte, dass keine besonderen Risiken absehbar seien). Aber es hätte ja eskalieren können. Ist es aber nicht. Trotz der Trauer über die verpasste Meisterschaft blieben die Fans friedlich.
Es gilt immer abzuwägen zwischen Risiken und dem, was möglich gemacht werden kann. Doch offensichtlich haben in den verantwortlichen Kreisen der Stadt vor allem die Bedenkenträger das Sagen.
Die Blauäugigkeit, mit der man offensichtlich davon ausgegangen ist, dass am Samstag nicht so viele Menschen in die Stadt kommen, steht dabei in seltsamem Kontrast zu dem Bemühen, alle Risiken ausschließen zu wollen.
Besonders ärgerlich ist: Die Spaßbremsen-Politik traf vor allem Menschen, die teilweise über Hunderte Kilometer sogar aus dem Ausland in die Stadt gekommen waren, um hier die besondere Fußball-Atmosphäre zu erleben. Man hörte Dialekte aus ganz Deutschland, Englisch, Holländisch, Französisch und mehr.
Willkommen konnten sich die Gäste nicht fühlen. Man hatte den Eindruck: Wenn es die alte Stadtmauer noch gäbe, hätte die Stadt an diesem Samstag alle Tore geschlossen.

Ich frage mich: Warum macht man sich Gedanken, wie man das Image der Stadt im In- und Ausland verbessern kann und warum steckt man Geld in Marketing-Kampagnen, wenn man dann Gästen, die zu Zehntausenden in froher Erwartung in die Stadt kommen, kaum Aufmerksamkeit schenkt?
Einer Fußball-Hauptstadt, als die sich Dortmund gern bezeichnet, war das unwürdig. Mit ihrer Spaßbremsen-Politik hat die Stadt in Sachen Image-Pflege ein Eigentor geschossen.
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