Erst die große Euphorie, dann die tiefe Enttäuschung bei mehr als 80.000 BVB-Fans im Stadion und Tausenden in der Dortmunder Innenstadt sowie vor den heimischen Bildschirmen. Der BVB hatte die große Chance, mit einem Sieg im Heimspiel gegen den 1. FSV Mainz zum neunten Mal in der Vereinsgeschichte Deutscher Meister zu werden. Doch nach über 90 Minuten Herzschlag-Finale stand fest: Borussia Dortmund konnte im Fernduell mit Bayern die zehnjährige Dominanz der Münchener nicht brechen. Das 2:2 reichte nicht angesichts des Bayern-Siegs über Köln.
Die bei den Fans immer wieder aufkeimende Hoffnung, der BVB könne das Spiel doch noch drehen, wich in der letzten Minute der Nachspielzeit großer Fassungslosigkeit und Trauer. Das große Fußballfest blieb aus. Die Fans strömten nach Hause und zum Bahnhof, die Innenstadt leerte sich nach und nach, die vorab angebrachten Transparente zur Meister-Gratulation am Borsigplatz wurden ganz schnell abgehängt.

Wo vorher in der Stadt ausgelassene Stimmung herrschte, war plötzlich Totenstille. Nur die ganz wackeren Borussen-Anhänger fanden noch Worte: „Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen.“ Trotz des kollektiven Frustes sprach die Polizei gut eine Stunde nach Abpfiff von einem friedlichen Verlauf. Es habe bis dato keine anderen Zwischenfälle gegeben, wie sie sonst auch bei normalen Spielen vorkämen.
OB: Erstmal sacken lassen
Überall Ernüchterung. Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal sagte: „Diesen Spielausgang haben wir alle nicht erwartet und die Mannschaft hat das auch nicht verdient, diese Saison so abschließen zu müssen. Das müssen jetzt alle erstmal sacken lassen. Ich bin sicher, der BVB wird in der nächsten Saison wieder angreifen!“
Dabei sollte es schon dieses Mal der Tag des Jahres für alle Fans von Borussia Dortmund werden. Die Stadt war noch ein bisschen schwarzgelber als sonst, die Vorfreude auf das Spiel war überall greifbar. Schon am frühen Morgen fuhren Autos mit Fahnen über die Straße, hingen Fanschals aus den Hausfenstern. Selbst manche Hunde trugen Trikots. Auch der Borsigplatz, die Wiege des BVB, hatte sich für den Tag des Tages in Schwarzgelb feingemacht.

Bereits um 9.30 Uhr standen die ersten Fans Schlange vor noch verschlossenen Kneipen und Gaststätten der Innenstadt, um einen der begehrten Plätze in den Fußballkneipen und Pubs zu ergattern, wo man das Spiel im Fernsehen verfolgen konnte; denn viele Kneipen verfuhren nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Rudelhören im Biergarten
Zum Finale gab es kein zentrales Public Viewing und auch draußen durfte die Gastronomie in Dortmunds guter Stube, dem Alten Markt, das Spiel nicht übertragen – ein Umstand, der bei den Fans für viel Empörung sorgte. Zumal Dortmunds OB Westphal die Fans im Vorfeld aufgerufen hatte, am Samstag zu Hause mit Freunden und Nachbarn, in der Stammkneipe oder im Kleingarten zu feiern. In der Stadt werde nichts Besonderes passieren, weil Sky die Übertragungsrechte nicht freigegeben habe.

Outdoor-TV suchte man auch im Rest der Innenstadt meist vergebens. Selbst im Biergarten wurde Public Viewing zu Public-Listening (Rudelhören). Der Wirt behalf sich mit dem Ton der TV-Übertragung – zu groß war die Angst vor Strafen durch die Stadt, die in Sachen Outdoor-Fußballgucken wiederholt auf das Risiko einer möglichen Räumung durch die Polizei und des Konzessionsverlusts hingewiesen hatte, sollte die Veranstaltung aus dem Ruder laufen.
Die Fans kamen trotzdem in die Stadt und feierten ausgelassen vor dem Spiel. Anhänger des 1. FSV Mainz trafen später ein, als geplant. Ein technischer Defekt am Haltepunkt Signal Iduna Park hatte dafür gesorgt, dass der Sonderzug aus Mainz zum Hauptbahnhof umgeleitet werden musste. Von dort brachte die Stadtbahn die Fans mit leichten Verzögerungen zum Stadion.
Viele, die kein Ticket für das Stadion hatten, drückten sich nach Anstoß auf dem Alten Markt die Nasen an den Fensterscheiben der Kneipen platt, bei denen drinnen das Spiel des BVB über den Bildschirm flimmerte. Andere saßen am Alten Markt auf dem Boden und starrten auf ihre Handys.
Meisterschafts-Shirts
Viele waren auch von auswärts angereist, auch aus dem Ausland, um beim greifbar nahen Sieg ihrer Mannschaft dabei zu sein, unter anderem vier junge Schweizer, die die teuerste Fan-Wohnung der Stadt gemietet hatten. 1843 Euro hatten sie über das Wochenende für eine Wohnung am Borsigplatz bezahlt – ohne Küche.
Auf ein ähnlich gutes Geschäft hatte offenbar ein Händler gehofft, der schon vor Anpfiff fleißig Meisterschafts-Shirts verkaufte. „Jetzt kosten die noch 15, nachher 20 oder 25 Euro“, lautete das verlockende Angebot. Der Preis dürfte am Ende deutlich gefallen sein.
Mit der Niederlage gegen Mainz fällt auch der für Sonntag (28.5.) geplante Meisterschaftskorso aus, auf den sich alle in Dortmund gefreut hatten.
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