Lang ist es her: Ein Ufo sollte Ende der 1990er-Jahre auf dem Dortmunder Hauptbahnhof landen. Geplant war ein riesiges Einkaufszentrum, das Besucher aus weiter Ferne nach Dortmund locken sollte - aber natürlich auch der City mächtig Konkurrenz machen würde. So lautete die nicht ganz unbegründete Befürchtung der Stadtplaner. Als Gegenmaßnahme sollte deshalb auch die City deutlich aufgewertet werden. Ins Auge gefasst hat man dafür die Kampstraße, die nach dem geplanten Verschwinden der Straßenbahn viel Platz für neue Gestaltungsmöglichkeiten bieten sollte.

Der Wettbewerb
Sie sollte sich in einen Boulevard verwandeln. Ein Planungswettbewerb wurde ausgeschrieben und 1998/99 entschieden. Den Zuschlag bekam das Düsseldorfer Architekturbüro Fritschi, Stahl und Baum. Der Entwurf sieht an den Enden der zentralen Cityachse, also in Richtung Westentor und Ostentor, eine Neugestaltung mit schmalen Fahrbahnen und breiten Bürgersteigen mit viel Grün vor. Vor St. Petri und St. Reinoldi sollte für den Autoverkehr Schluss sein.

Das Mittelstück sollte sich einen Licht-Boulevard verwandeln - mit einem breiten Asphaltband unter einer Lichtleiste, die die beiden City-Kirchen verbinden sollte, einem Wasserlauf, Wasserbecken und neuen Plätzen. Das Konzept fand breite Zustimmung.
Der Baubeginn
In Angriff genommen werden konnte es freilich erst zehn Jahre später als die Straßenbahn tatsächlich verschwand und die Ost-West-Stadtbahnstrecke unter der Kampstraße ihren Betrieb Aufnahmen. Baustart war am Westentor mit der Westentorallee. 2012 folgte die Umgestaltung des Brüderwegs. Und auch das Umfeld der Petri Kirche wurde 2012/2013 neu gestaltet.
Die Hängepartie
Was fehlte, war das zentrale Mittelstück - 550 Meter zwischen St. Petri und St. Reinoldi. 2018 sollte der hier geplante Licht-Boulevard eigentlich fertig sein. Doch allein die Abstimmung mit der Feuerwehr, die mit Blick auf Rettungswege Klärungsbedarf sah, dauerte Jahre. Außerdem war von Problemen beim Hochwasserschutz, bei Kanalbau und Barrierefreiheit die Rede.
Als man endlich eine Lösung gefunden hatte, sollte es 2018 weitergehen. Doch dann verschob man den Start für den Weiterbau mit Rücksicht auf den evangelischen Kirchentag und das Awo-Jubiläum, die 2019 in Dortmund gefeiert wurden, auf Anfang 2020.
Die Förder-Panne
Doch auch daraus wurde nichts. Denn auf die im Februar 2020 veröffentlichte Ausschreibung für den ersten Bauabschnitt am Reinoldi-Pylon hatte sich kein einziges Bauunternehmen beworben. Auch eine zweite Ausschreibung blieb ohne Ergebnis. Erst in einem dritten Anlauf fanden sich zwei Bewerber. Im Mai 2021 begannen die Arbeiten, die vor allem eine Erneuerung der Bodenplatte vorsehen.
Das war allerdings zu spät mit Blick auf die erhoffte Mitfinanzierung durch das Land. Das hatte die beantragten Städtebaufördermittel schon 2013 bewilligt - befristet bis 31.12.2019. Für die 2,3 Millionen Euro Landesmittel war also die Förderfrist abgelaufen und nicht wie früher üblich verlängert worden. Die Stadt musste nun die Baukosten komplett selbst tragen.
Der Baustopp
Die nächste Hiobsbotschaft folgte bald: Bereits kurz nach dem Baubeginn im Mai 2021 musste ein Baustopp verhängt werden. Weil die Decke über der Stadtbahnstation Reinoldikirche, die unter der Pylon-Fläche liegt, nur sehr dünn ist, traten durch die Bauarbeiten Risse am Bauwerk und Schäden an der Abdichtung auf. Weiter ging es nach mehr als eineinhalb Jahren Zwangspause erst im April 2023 - unter noch strenger Begleitung eines Gutachters und neuen technischen Rahmenbedingungen.
Und auch die Kosten stiegen: von 2,85 um 3,9 Millionen Euro auf 6,75 Millionen Euro - ein Kostensprung von rund 140 Prozent. Anfang 2025 sollen die Arbeiten in den vier Abschnitten um den Pylon nun fertig sein.

Der Planungs-Rückschritt
Beim eigentlichen Licht-Boulevard ging es ebenfalls nicht voran. 2021 stellte sich heraus, dass die Städtebau-Fördermittel in Höhe von 6,4 Millionen Euro, die die Stadt für dieses Jahr beantragt hatte, vom Land beziehungsweise von der Bezirksregierung Arnsberg nicht bewilligt worden waren. Der Städtebau-Fördertopf für 2021 war schlicht leer.
Und auch planerisch ging es eher rückwärts. 2022 wurde klar, dass der geplante Wasserlauf als zentrales Element des Entwurfs gar nicht realisierbar ist, weil die Überdeckung über dem darunterliegenden Stadtbahn-Tunnel viel zu gering sei. Außerdem gebe es Probleme mit der Straßenentwässerung, der Wasserqualität und der Reinigung der Rinne.

Die Zweifel
Nicht zuletzt, räumten die Stadtplaner ein, dass der Entwurf mit Blick auf Themen wie Nachhaltigkeit, Grün und Radverkehr nicht mehr zeitgemäß ist. Es sei nur bedingt möglich, diese Aspekte „funktionsgerecht in den bestehenden Entwurf einfließen zu lassen“.
Konsequenzen wollte die Politik, zumindest SPD und CDU, noch nicht ziehen. Sie forderten ein bisschen mehr Grün, wollten aber am zentralen Element des Entwurfs, dem breiten Asphaltband, festhalten. Daran änderte auch der neue Zeitplan nichts. Der sah für 2023 Bauarbeiten im Bereich Platz von Netanya vor.
Nach einer Baupause in 2024 wegen der Fußball-EM soll 2025 vor St. Petri und St. Reinoldi und 2026/27 zwischen Hansastraße und Platz von Leeds gebaut werden. Erst Ende 2029 sollte der letzte zentrale Abschnitt zwischen Freistuhl und Hansastraße beendet sein.

Die Konsequenzen
Bald zeichnete sich ab, dass dafür aber wohl keine Fördermittel des Landes mehr zur Verfügung stehen. Zum einen, weil das bisherige Sanierungsprogramm für die City beendet war. Aber vor allem auch, weil die Vergabe von Städtebaufördermitteln zunehmend an Klimaschutz-Aspekte geknüpft wird - die mit dem alten Entwurf von Fritsch und Stahl nicht mehr zu erfüllen sind.
Die Konsequenz zog nun die Verwaltungsspitze: Sie schlägt der Politik vor, die alten Pläne fallen zu lassen und einen neuen Wettbewerb zur Gestaltung des zentralen Abschnitts der Kampstraße in Auftrag zu geben. Die könnte dann 2027 in Angriff genommen und 2030 beendet werden.
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