Betriebe haben Probleme mit der Firmennachfolge

Handwerk in Dortmund

Früher führten fast immer die Kinder den elterlichen Betrieb fort. Heute sind viele Nachfolgen ungeklärt, das "bedrohe die Wirtschaftskraft", schreibt etwa die Hypovereinsbank. Das Thema treibt viele Chefs in Dortmund um.

DORTMUND

, 08.10.2017, 03:58 Uhr / Lesedauer: 3 min
Gerade für manche Handwerksbetriebe ist die Regelung der Unternehmensnachfolge häufig schwierig.

Gerade für manche Handwerksbetriebe ist die Regelung der Unternehmensnachfolge häufig schwierig.

Es gibt natürlich noch Familienbetriebe im Wortsinn, bei denen die Kinder das Geschäft der Eltern fortführen. Um nur drei Beispiele aus Dortmund zu nennen: Im Dachdeckerbetrieb Burmann/Weller hat neben Chef Peter Burmann längst auch Tochter Nicola Weller-Burmann das Sagen, im Hotel Esplanade ist Katja Kortmann, Tochter des Direktors Karl-Ulrich Kortmann, mit im Geschäft; und Felix Krämer mischt in der Kornbrennerei seiner Eltern mit.

Dass ein Betrieb in der Familie weitergeführt wird, „das ist Glück“, sagt Felix Krämer. Bloß hat nicht jeder Firmenchef dieses Glück: Wenn er denn Kinder hat, haben die heutzutage x andere Möglichkeiten und dadurch eben oft andere Pläne.

"Längst nicht mehr der Sohn"

„Es ist längst nicht mehr qua Gesetz der Sohn, der das Unternehmen übernimmt“, sagt Jörg Kube, der die Niederlassung Westfalen der Hypovereinsbank mit Sitz in Dortmund leitet. Die Bank hat das Nachfolge-Thema im Sommer groß aufgegriffen, in Pressegesprächen und -mitteilungen: „Gehen in der Region Dortmund die Unternehmer aus?“, ist eine davon überschrieben. Gerade Handwerksbetriebe fänden schwer einen Nachfolger. Die Bank zitiert Statistiken von Bund und Land, wonach im Regierungsbezirk Arnsberg bis 2025 rund 5900 Unternehmen zur Übergabe anstehen. Und das sind nur Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern.

Zahlen nur für Dortmund gibt es nicht, in einem Report des Deutschen Industrie- und Handelskammertages von 2016 gibt es nur eine Schätzung für den Bezirk der Industrie- und Handelskammer Dortmund, der auch Hamm und den Kreis Unna umfasst: 12.600 Firmen mit 75000 Mitarbeitern stünden vor der Herausforderung, binnen zehn Jahren einen Nachfolger zu finden. Bei den Banken, und zwar nicht nur bei der Hypovereinsbank, ist das Thema daher „seit Jahren bedeutsam“ (Sparkasse Dortmund). Die Dortmunder Volksbank sagt, „dass bei jedem zweiten Unternehmen innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Nachfolgereglung ansteht“.

Handwerksbetrieb sucht verzweifelt

Wo also liegen die Probleme, vor allem, wenn niemand aus der Familie bereitsteht? Der Chef eines Dortmunder Handwerksbetriebs mit knapp zehn Mitarbeitern will „das Ding 2018 übergeben“. Seinen Namen in der Zeitung mag er nicht lesen, da seine Mitarbeiter nicht eingeweiht sind. Der Mann, Anfang 60, möchte sein Leben noch etwas genießen und den „kerngesunden Betrieb“ verkaufen. Seine Kinder haben kein Interesse. Sie sehen, wie viel er – aus ihrer Sicht ein „Workaholic“ – rackert. Vor Jahren gab es einen jungen Mann, der als Nachfolger infrage kam; das Ganze zerschlug sich aber.

Bei der Nachfolger-Suche hat der Firmenchef seither vor allem zwei Probleme. Erstens: überhaupt Interessenten zu finden (zumal er meist anonym sucht). Und: den Preis zu erhalten, der ihm vorschwebt. Gerade Jüngere seien „nicht so aufgestellt, dass sie das Geld mitbringen“: „Und viele wollen wenig arbeiten und viel verdienen.“

Kaufpreis-Vorstellungen

Geld sei bei der Unternehmensübergabe natürlich immer ein Thema, sagt Birgit Hemsing, eine von zwei Unternehmensberaterinnen bei der Handwerkskammer Dortmund, die zur Nachfolge beraten. „Der Unternehmer sieht, was er geschaffen hat – der Käufer sieht die Risiken.“ Auch bei den Banken heißt es, dass verschiedene Kaufpreis-Vorstellungen zu den häufigsten Problemen zählen.

Je besser ein Unternehmen aufgestellt ist, desto kapitalintensiver ist die Übernahme. Und desto langfristiger sollte sie vorbereitet werden. Ein Banker sagt jedoch: „Die Masse hat sich noch keine Gedanken gemacht. Das ist eine Vollkatastrophe.“ Und in Firmen ohne bereitstehende Familienmitglieder, sagt Hemsing, werde „häufig versäumt, einen Nachfolger im Unternehmen heranzuziehen“.

Angst, in ein Loch zu fallen

Hemsing kennt auch einige Fälle, in denen Unternehmer zwar wissen, dass sie sich um die Nachfolge kümmern müssten – die aber nicht loslassen können. „Die haben 40 Jahre fürs Unternehmen gelebt und haben Angst vor dem Loch, in das sie fallen.“

Angst vor dem Danach hat Rudolf Herbst (63), Chef der gleichnamigen Firma für Sicherheitstechnik mit Sitz in Asseln, überhaupt nicht. Er ist schon jetzt ehrenamtlich bei der Tafel aktiv und segelt gerne. Auch mit dem Loslassen habe er keine Probleme. Wenn er im Urlaub ist, gilt für seinen Stellvertreter Philipp Ropers (30) die Regel: Er soll Entscheidungen selbst treffen und nicht aufschieben.

Ropers ist seit fünf Jahren im Betrieb, Herbst baut ihn kontinuierlich zu seinem Nachfolger auf. Ende 2020 will er aufhören, „Nägel mit Köppe machen“ und die Firma für eine bis dahin festgelegte Summe an Ropers verkaufen. Ein Krankheitsfall in der Familie vor einigen Jahren war für Herbst ein Schlüsselerlebnis, die Sache anzugehen: „Man sollte als Unternehmer frühzeitig die Weichen stellen.“

Nur funktioniert dies eben nicht überall so reibungslos und einfach. Selten verkaufen langjährige Chefs an irgendwen – der Nachfolger muss auch zur Philosophie und Kultur des Unternehmens passen. Daher sind viele noch auf der Suche. So auch weiterhin der Chef des Handwerksbetriebs mit knapp zehn Leuten. Wenn er nicht fündig wird, werde er seinen Laden „wahrscheinlich dicht machen“.

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