
Jeffrey und Mollie Katz vor dem Foto der Bat-Mizwa ihrer Tochter Emily im Jüdischen Museum. © Petra Berkenbusch
Jeffrey Katz aus den USA sucht in Dorsten Spuren seiner jüdischen Familie
Buchprojekt
Jeffrey Katz ist aus der Nähe von Washington nach Dorsten gekommen, um hier die Geschichte seiner jüdischen Vorfahren zu erforschen. Spuren führen vor allem nach Lembeck.
Wenn seine Eltern vor ihren Kindern etwas verheimlichen wollten, sprachen sie Deutsch miteinander. Jeffrey Katz war lange nicht bewusst, dass er deutsche Wurzeln hat. Seine Eltern haben nicht darüber gesprochen. „Ich kannte die Geschichte meines Vaters nicht, bis ich etwa 20 Jahre alt war“, berichtet Jeffrey Katz. Dass seine tiefen Wurzeln nicht in seinem amerikanischen Geburtsland lagen, habe er jedoch irgendwie gespürt. „Da war so eine Ambivalenz.“
Jeffrey Katz ist Journalist geworden. Etwas anderes sei für ihn nie in Frage gekommen, erzählt er. Inzwischen ist er pensioniert und arbeitet ausschließlich an seinem Herzensprojekt: ein Buch über die Geschichte seiner Familie. „A home I never knew“ ist der Arbeitstitel. Die Aufarbeitung des Holocaust in Deutschland soll neben den Familienschicksalen sein Thema sein.
Stolpersteine für Familie Lebenstein
Inzwischen kennt Katz viel von dieser Heimat. In diesen Tagen führt ihn schon die dritte Reise nach Deutschland. Unter anderem nach Lembeck, denn von dort stammt die Mutter seines Vaters Rudy. In Lembeck erinnern heute Stolpersteine an die Familie Lebenstein, eine Straße trägt den Namen Lebensteinring. Jeffrey Katz hat seit den 80er-Jahren Kontakt zur Dorstener Forschungsgruppe rund um Elisabeth Schulte-Huxel, mit der ihn inzwischen eine innige Freundschaft verbindet.

Die Lembecker Familie Lebenstein. © Repro Berkenbusch
1986 brachte ihn sein erster Deutschlandtrip unter anderem nach Essen, von wo aus sein Vater 1939 über Belgien in die USA flüchtete. Er überlebte als einziger der Familie die Naziherrschaft. Seine Mutter war fünf Jahre alt, als sie mit ihren Eltern, Geschwistern und Großeltern aus Augsburg nach Columbia flüchtete.
In Amerika lernten die Sprösslinge der beiden jüdischen deutschen Familien sich kennen. Sohn Jeffrey erblickte in Philadelphia das Licht der Welt, in der die Eltern zwar hin und wieder miteinander Deutsch, aber nicht über Deutschland sprachen.
Kurz vor seinem Tod im Jahr 2002, so berichtet Jeffrey Katz, habe sein Vater, der seine Ahnenforschung stets unterstützt habe, ihn zum Schreiben eines Buches ermuntert. Seitdem ist Jeffrey Katz voller Elan dabei, den letzten Wunsch seines Vaters zu erfüllen.
Seine 89-jährige Mutter, die es nie zurück nach Deutschland gezogen habe, bedauere inzwischen, dass sie nun für eine Übersee-Reise zu alt sei. Jeffrey Katz: „In ein paar Tagen sind wir in Augsburg, dann rufe ich sie von dort aus an.“
Interview mit der Museumsdirektorin
Die Recherchen zu seinem Buch haben ihn am Mittwoch ins Jüdische Museum geführt. Dort hat er Museumsleiterin Dr. Kathrin Pieren interviewt. Im Museum am Westwall erinnern einige Ausstellungsstücke an die Familie Lebenstein. Sie vergrub 1940 im Garten ihres Lembecker Hauses einen Koffer mit wertvollen Gegenständen, um sie vor antijüdischer Gewalt zu verstecken. Eine Kräuterdose und ein Porzellan-Gedeck erinnern heute eindrucksvoll an die Notlage der Verfolgten.

Jeffrey Katz vor den Schätzen, die seine Vorfahren einst in Lembeck vergraben haben, um sie vor den Nazis zu verstecken. © Petra Berkenbusch
Jeffrey Katz und seine Frau Mollie selbst sind in der Ausstellung ebenfalls vertreten: Ihr Foto vom Bat-Mizwa-Fest ihrer Tochter Emily legt Zeugnis ab vom jüdischen Leben in heutigen Zeiten.
Grünkern-Suppe für die amerikanischen Kinder
Emily war mit ihrem Bruder Benjamin und ihren Eltern 2011 in Lembeck. Jeffrey Katz erinnert sich, dass die Stolpersteine, das Straßenschild und Familiengräber seine Kinder sehr berührt haben. Und seine Frau Mollie fügt schmunzelnd hinzu, dass die Grünkern-Suppe nach dem Rezept der Augsburger Vorfahren ihren Kindern so gut schmeckt, dass sie die immer wieder kochen muss.
Dass Antisemitismus in Deutschland heute immer noch ein Thema ist, für das der ständig vor dem Jüdischen Museum postierte Polizeiwagen Zeugnis ablegt, sorgt bei Jeffrey Katz für gemischte Gefühle gegenüber dem Herkunftsland seiner Eltern. „Aber die warmen Gefühle für die meisten Deutschen überwiegen.“
Geboren und geblieben im Pott, seit 1982 in verschiedenen Redaktionen des Medienhauses Lensing tätig. Interessiert an Menschen und allem, was sie anstellen, denken und sagen.
