Masken begleiten uns durch die Pandemie. Zu Beginn durften sie noch selbst genäht sein und wie hier einer Kampagne ein Gesicht geben.

© Thomas Schroeter

Zwei Jahre Corona in Castrop-Rauxel: Daten, Fakten, Erinnerungen

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Am 12. März 2020 hatte Castrop-Rauxel seinen ersten Corona-Infizierten. Ein Rückblick. Wie war das noch mit dem Klopapier? Der Warnstufe Rot ab Inzidenz 50? Und der 15-Kilometer-Regel?

Castrop-Rauxel

, 12.03.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 5 min

Ein Mann hat sich mit dem Virus infiziert: Mit dieser Meldung wurde am 12. März 2020 in Castrop-Rauxel die Corona-Pandemie Realität. Heute, zwei Jahre später, stehen wir kurz davor, alle Corona-Maßnahmen weitestgehend fallen zu lassen. Und das bei Inzidenzen um die 1000. Das wäre damals unvorstellbar gewesen, damals, als man über Inzidenzen noch gar nicht gesprochen hat.

Wann wurde das Coronavirus zur Bedrohung für unser Leben? Wie oft dachten wir schon, die Pandemie wäre in Kürze vorbei. Dass die Impfungen schnell Wirkung zeigen würden? Und wie war das noch mit dem Klopapier? Der Warnstufe Rot ab Inzidenz 50? Der 15-Kiometer-Regel und der Ausgangsbeschränkung? Unser subjektiver Rückblick zeigt verschiedene Phasen, in denen immer wieder anderes wichtig wurde.

So erreichte Corona im März 2020 Castrop-Rauxel

Corona-Nachrichten kommen aus China, aus Ischgl, aus dem Kreis Heinsberg. Infizierte gibt es noch nicht oder nur vereinzelt. Doch wir Deutschen horten. Vor allem Klopapier – zur Belustigung anderer Nationen. Auch Masken werden schon Mangelware, wie der Castrop-Rauxeler Apothekensprecher Claus Ehrensberger Anfang Februar 2020 mitteilt.

Kein Einzelfall in den Geschäften: leere Toilettenpapier-Regale.

Kein Einzelfall in den Geschäften: leere Toilettenpapier-Regale. © Arndt Brede

Jeder und, besser, jede, die nähen kann, näht Masken aus bunten Stoffen, versorgt Freunde und Verwandte oder spendet sie. Am 6. März wird der erste Corona-Fall im Kreis Recklinghausen registriert. Am 12. März ist es in Castrop-Rauxel soweit. Reagiert wurde also schon vorausschauend. Das war später nicht immer so.

Die Pandemie kennt viele erste Male

Die für den 29. Februar 2020 geplante Ehrung „Sportler des Jahres“ durch die CDU Castrop-Rauxel ist die erste Veranstaltung, die Corona-bedingt abgesagt wird. Auch noch vor dem ersten Corona-Fall in der Europastadt sagt Casconcept den Frühlingsmarkt ab. Keiner ahnte damals, wie viele Absagen noch folgen würden.

Am 13. März – da hatte Castrop-Rauxel sieben Infizierte – müssen Schulen und Kitas schließen. Hallenbad, VHS, Bibliothek, WLT sind ebenfalls dicht. Handballer, Korfballer, Basketballer lassen den Spielbetrieb ruhen.

Bürgermeister Rajko Kravanja unterstützte zu Beginn der Pandemie die Kampagne "Redmaskdays" und zog sich die symbolische rote Maske auf.

Bürgermeister Rajko Kravanja unterstützte zu Beginn der Pandemie die Kampagne "Redmaskdays" und zog sich die symbolische rote Maske auf. © Marian von Hatzfeld

Wenige Tage später: Restaurants und Friseure müssen schließen. Es gilt ein Kontaktverbot: Nicht mehr als zwei Menschen aus zwei verschiedenen Haushalten dürfen zusammen sein – außer im ÖPNV und im Job. Castrop-Rauxel ruft die Video-Kampagne „Wir ist das neue Ich“ ins Leben. Dafür gibt es rote Kampagne-Masken.

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Seit dem 27. April gilt Maskenpflicht in Geschäften, Bus und Bahn oder beim Arzt.

Noch ein erstes Mal: Am 4. Juni 2020 ist Castrop-Rauxel Corona-frei. Einen Tag lang. Auf das zweite Mal warten wir wohl noch eine Weile.

Naivität und das Prinzip Hoffnung

Was waren wir alle naiv am Anfang. Wir, aber auch die Politiker, die Wissenschaftler. Ob die Gefährlichkeit des Virus angezweifelt wurde, ob es um Maßnahmen oder Lockerungen ging oder um die voraussichtliche Dauer der Pandemie: Das Virus überholte uns immer wieder. „Nächstes Jahr...“ so beginnen 2020 viele Sätze. Die ausgefallene Karnevalsfeier, die Kirmes, die Hochzeitsfeier. Doch ein Jahr später ist vieles nicht besser.

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Kaum wird es wärmer im Sommer 2020, im Sommer 2021, wächst die Hoffnung auf Lockerungen, auf das baldige Ende der Pandemie. Zweimal werden wir enttäuscht, folgen wieder strengere Maßnahmen und Lockdowns, hadern wir mit den Entscheidungen der Politik.

Impfungen als der Wendepunkt

Impfungen sollen die Wende bringen. Doch es dauert, bis die Impf-Kampagne in der Europastadt Fahrt aufnimmt. Erst fehlt Impfstoff, später lässt die Impfbereitschaft nach. Eine der auffälligsten Aktionen läuft im Mai 2021, als die Kirche St. Antonius zur ersten Impfkirche in Deutschland wird und riesiges Medieninteresse auf sich zieht. Spät, erst im Dezember 2021, wird auch in Castrop-Rauxel ein kommunales Impfzentrum eröffnet.

Die Opfer der Pandemie

Im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion sind in den ersten zwei Pandemie-Jahren 120 Todesfälle gestorben. Der erste Todesfall wird am 5. Mai 2020 gemeldet: Gestorben ist ein 51-jähriger Mann mit Vorerkrankungen. Ende 2020 sind es 13 Todesfälle, ein Jahr später genau 100.

Die Pandemie im Kurzdurchlauf und chronologisch:

Der Sommer 2020: Es wird wieder geöffnet: Am 11. Mai Gastronomien und Kneipen, allerdings mit strengen Hygiene- und Abstandsvorschriften, am 8. Juni die Kitas, am 15. Juni die Grundschulen (am 22. Juni gibt es hier den ersten Corona-Fall). Anfang Juli steigt der Sport wieder ein. Ins Leben in Castrop-Rauxel kehrt Normalität ein.

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Nachrichten beschäftigen sich mit Folgen der Pandemie: Im Juni gibt das Chemie-Unternehmen Rütgers Germany bekannt, dass es wegen Corona 400 seiner 650 Mitarbeiter in den Werken Castrop-Rauxel und Duisburg in Kurzarbeit schickt. Die Stadt Castrop-Rauxel erklärt, dass sie die Kosten der Corona-Krise im Jahr 2020 auf 9,3 Millionen Euro schätzt.

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Herbst 2020: Die Wochen-Inzidenz wird das beherrschende Thema. Bei einem Wert von mehr als 50 gilt die Warnstufe Rot. Am 12. Oktober überschreitet der Kreis die Marke. Es folgen einschneidende Maßnahmen. In den Fußgängerzonen gilt Maskenpflicht. Der Ball auf den Sportplätzen rollt nicht mehr. Anfang November: Das öffentliche Leben wird landesweit deutlich stärker eingeschränkt: Kneipen, Restaurants, Bars und Fitnessstudios werden geschlossen, auch Theater- und Konzertaufführungen mit Publikum sind verboten. Restaurants dürfen Essen nur noch liefern oder abholen lassen. Adventsmärkte und ähnliches werden abgesagt.

Winter 2020: Es wird ein harter Winter. Ab 16. Dezember gibt es einen erneuten Lockdown. Er wird lange dauern. Castrop-Rauxels Bürgermeister Kravanja sagt zum erneuten Corona-Lockdown: „Jetzt haben wir den Salat!“. Den Einzelhändlern bleiben nach der Ankündigung nur noch zwei Verkaufstage. Die weiterführenden Schulen gehen ab Klasse 8 in den Distanzunterricht. Ein paar Tage später liegt die Inzidenz im Kreis bei fast 250.

Gottesdienste per Stream: Das Bild zeigt einen Online-Gottesdienst Ende November 2020 in der Kirche St. Elisabeth.

Gottesdienste per Stream: Das Bild zeigt einen Online-Gottesdienst Ende November 2020 in der Kirche St. Elisabeth. © Stephan Schuetze

Weihnachten wird für viele Menschen einsam. Viele Gemeinden veranstalten keine Präsenzgottesdienste mehr. 1574 Corona-Infektionen sind am Ende des Jahres 2020 in Castrop-Rauxel registriert.

Im Januar 2021 wird es nicht besser: Die 15-Kilometer-Regel soll fröhliche Ausflüge in den Schnee nach Winterberg verhindern. Ab Februar wird die Maskenpflicht verschärft, eine Alltagsmaske reicht nicht mehr in Bussen oder in der Fußgängerzone. Das Evangelische Krankenhaus hat einen Corona-Hotspot und muss den Betrieb für einige Zeit einschränken.

Maskenpflicht herrscht lange Zeit in der Fußgängerzone. Eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes auf dem Weg zu einer Frau, die keine Maske trägt (hinten r.).

Maskenpflicht herrscht lange Zeit in der Fußgängerzone. Eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes auf dem Weg zu einer Frau, die keine Maske trägt (hinten r.). © Thomas Schroeter

Einziger Hoffnungsschimmer: Am 27. Dezember 2020 hat es die erste Corona-Schutz-Impfung im Kreis gegeben. Vier Tage später werden Bewohner des Wilhelm-Kauermann-Seniorenzentrums der Awo als erste Castrop-Rauxeler gegen das Coronavirus geimpft.

Manchmal wird es eng auf den Intensivstationen wie hier im Evangelischen Krankenhaus Castrop-Rauxel (EvK). Für die Behandlung hüllen sich die Pflegefachkräfte in Schutzkleidung und gehen durch eine Schleuse in das Patientenzimmer.

Manchmal wird es eng auf den Intensivstationen wie hier im Evangelischen Krankenhaus Castrop-Rauxel (EvK). Für die Behandlung hüllen sich die Pflegefachkräfte in Schutzkleidung und gehen durch eine Schleuse in das Patientenzimmer. © Ronny von Wangenheim

Frühjahr 2021: Die Inzidenz erreicht im März wieder 50, die Läden dürfen wieder öffnen, die Friseure wieder arbeiten. Aber die Gastronomie bleibt noch auf Liefer- oder Abholservice angewiesen. Am 1. April öffnet das neue Testzentrum am Europaplatz. Nach Ostern wird eine große Impfaktion mit Astrazeneca für Menschen ab 60 Jahren angeboten. Der Andrang ist groß.

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Doch es ist nur eine Atempause. Die Inzidenzen steigen, die Intensivstationen in Castrop-Rauxel sind nahezu voll. Ab 24. April greift die bundesweite Notbremse mit Beschränkungen wie sie bisher noch nicht gab: Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr und Kontaktbeschränkungen: Ein Haushalt darf nur eine weitere Person treffen. Am 10. Mai treffen sich Corona-Skeptiker auf dem Marktplatz.

Immer wieder gibt es Demos von Impf-Skeptikern wie hier am 17. Januar 2022 in der Castroper Altstadt.

Immer wieder gibt es Demos von Impf-Skeptikern wie hier am 17. Januar 2022 in der Castroper Altstadt. © RN

Sommer 2021: Ab Juni kehrt wieder Normalität ein. Schüler haben Präsenzunterricht, Kitas öffnen, Gastronomen dürfen wieder Gäste in ihr Lokal lassen. Menschen fahren in Urlaub, diskutieren das Abschneiden der deutschen Elf bei der EM und hoffen, dass das Schlimmste überstanden ist. Im Juli liegt die Inzidenz über Tage bei 0.

Auch Straßenfeste finden statt, im September gibt es wieder Castrop kocht über. Und Castrop-Rauxel beschäftigt sich ab September mit der Ratsfrau Notburga Henke und ihrer Weigerung, für Sitzungen die 3G-Regeln zu befolgen.

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Herbst und Winter 2021: Doch Virologen und andere Experten behalten Recht und die Omikron-Variante sorgt für viele neue Infektionen. Im Oktober schließt das Testzentrum am Stadtmittelpunkt zwar noch wegen fehlenden Andrangs. Doch im November mit 536 Neuinfektionen und Dezember (559) ist das Niveau des Januars fast erreicht. Übers gesamte Jahr 2021 haben sich fast 4000 Castrop-Rauxelerinnen und Castrop-Rauxeler mit dem Coronavirus infiziert. 5579 sind es insgesamt. Doch statt des Lockdowns bleibt es bei einigen Regeln. Maske, Impfausweis oder/und Testergebnis sind ständige Begleiter.

Das Jahr 2022: Stand 11. März ist die Gesamtzahl der Infizierten auf 13.491 gestiegen. Mehr als jeder sechste Castrop-Rauxeler war also mittlerweile nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Die Inzidenz stieg zwischenzeitlich auf mehr als 2000. Trotzdem ist jetzt das Vorgehen gänzlich anders als vor einem Jahr. Beschränkungen werden nach und nach völlig fallengelassen. Warum das geht, zeigt ein Blick in die nicht überfüllten Intensivstationen der Krankenhäuser und auf die Statistiken. In den wenigen Wochen dieses Jahres haben sich knapp 7800 Menschen infiziert, fast doppelt so viele wie im ganzen Jahr 2021. Bei den Todesfällen sieht das Verhältnis anders aus. Gestorben sind in diesem Jahr 20 Menschen. Im gesamten Jahr 2021 waren es 87.

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