
Ich habe einen Traum, in dem ich mit dem Smartphone nicht nur die Steuererklärung, das Bezahlen an der Tankstelle, meinen Terminkalender und Posteingang, sondern auch Behördengänge regeln kann, ohne wirklich hingehen zu müssen. Ich teile diesen Traum zum Beispiel mit Jan-Philip Hermes. Der eifert diesem Traum an entscheidender Stelle nach. Aber dann kommt die böse Deutschland-Bremse.
Die Digitalisierung der Behörden ist ein mühsames Geschäft. Weil es nicht, wie es ein Unternehmen tun würde, mit Eifer und der Neugier, Dinge auszuprobieren, angegangen wird. Sondern mit deutscher Gründlichkeit: Zunächst wurden alle knapp 600 wichtigen Dienstleistungen der Behörden am Bürger aufgeführt, dann priorisiert, dann als Zuständigkeiten über ganz Deutschland verteilt. Und nun? Haben wir den Salat: Es geht nur in Trippelschritten voran.
Für den Elternzeit- oder Elterngeld-Antrag muss man als nichtwissendes junges Paar oft ins Kreishaus fahren, um sich beraten zu lassen. Die Regelungen sind so kompliziert, dass man Beratung braucht. Und außerdem wird Papier verlangt, statt alles in einem digitalen Fragebogen abzubilden.
Für die Kfz-Behörde muss man aus Castrop-Rauxel nach Marl fahren. Knapp 30 Kilometer, eine halbe Stunde für einen Weg. Wäre es nicht auch einfach möglich, die Antragsformulare am Rechner auszufüllen, hochzuladen, den Fahrzeugschein ggf. per Post hinterherzuschicken und die Plakette und Papiere dann per Post zuzustellen? Schildermacher haben wir in Castrop-Rauxel ja genug.
Aber nein: Der Kreis Recklinghausen findet, dass die anderswo entwickelte Anwendung namens i-Kfz zu fehleranfällig sei, und bleibt darum lieber beim alten Verfahren. Im Rathaus von Castrop-Rauxel sagt man dazu nur: Wir warten auf den Kreis...
Es sind nur zwei Beispiele. Mehr Tests, in denen es zum Teil auch schon besser läuft, haben wir auf ruhrnachrichten.de/digitalisierung-castrop-rauxel zusammengestellt.
Ja, es ist sinnvoll, nicht in jeder Kommune Deutschland dieselben Prozesse auf eigene Faust zu digitalisieren. Und ja, es ist kompliziert, ein Tool zu programmieren, wenn die Software-Umgebung in den Rathäusern überall anders aussieht. Denn am Ende ist ja wichtig, dass die eine neue Anwendung auch mit den anderen Programmen kommunizieren kann. Wenn Beschäftigte, die die Anträge bearbeiten, in den Behörden damit umgehen und auch mit übergeordneten Behörden wie dem Kreis oder der Bezirksregierung oder dem Land oder dem Bund Schnittstellen haben, die passen.

Aber noch wichtiger ist, dass das Wort „Deutschland-Tempo“ nicht für Laaaangsamkeit, sondern für Schnelligkeit steht. Beim Thema Digitalität macht uns gründlichen Deutschen nicht nur die Wirtschaft etwas vor, die etwas weniger Rücksicht auf Rechtssicherheit nehmen muss. „Neuland in Sicht!“, will man schreien. Aber andere Staaten haben die Insel mit ihren Booten offenbar schon erreicht, während unser Tanker noch bei der Kehrtwende ist.
Castrop-Rauxeler Bauamt digitalisiert sich: Aber vorerst nur bei der Terminvergabe
Wenn ich in Castrop-Rauxel die Sperrmüllabfuhr brauche: Bestellt! So schnell reagiert der EUV