Zuletzt diskutierte der Kreis Recklinghausen über einen Neubau einer Kfz-Zulassungsstelle in Marl. Die alte an der Stettiner Straße entspricht schon lange nicht mehr den Richtlinien und Vorschriften für Arbeitsstätten. Für Mitarbeiter sei sie nicht länger zumutbar, erklärte Landrat Bodo Klimpel jüngst. Aber wie ist das für Kunden eigentlich? Wäre das nicht die Gelegenheit, die meisten der Vorgänge zu digitalisieren, um dem Bürger nicht mehr aufzulasten, zum Teil 30 Kilometer Anfahrt in Kauf zu nehmen?
Kreis zweifelt an der Online-Zulassung
Die Kreisverwaltung gehe nicht davon aus, dass sich die internetbasierte Fahrzeugzulassung („i-Kfz“) in den nächsten Jahren durchsetzen werde. Ein Satz, der so klingt wie die Merkel-Aussage von 2013 „Das Internet ist für uns alle Neuland“ oder „Das Internet wird sich nicht durchsetzen“ eines Zukunftsforschers aus dem Jahr 2001.
Aber: Kunden beschreiben das Verfahren als „kompliziert und schwierig“, die Verwaltung selbst spricht von „sehr vielen Fehlermöglichkeiten“, die automatisch zu Abbrüchen führen. Der Anteil der Kunden, die An-, Ab- oder Ummeldungen von Fahrzeugen via Internet wagt, liege aktuell deutlich unter einem Prozent.
Wer ins sogenannte Serviceportal einzelner Städte wie Castrop-Rauxel oder Marl schaut, der kann entweder nur Termine für die Änderung des Kfz-Scheins im Bürgerbüro buchen (Marl) oder nur die Dienstleistung Wunschkennzeichen reservieren (Castrop-Rauxel).
Auf der richtigen Homepage der Stadt Castrop-Rauxel ist sogar der Link zur Zulassungsstelle im Kreis Recklinghausen falsch: Man landet auf einer toten Seite. Stattdessen findet man dort eine Übersicht mit Öffnungszeiten der Zulassungsstelle in Marl und den Hinweis, dass das CAS-Kennzeichen zurück ist. Wow! Wird verkauft wie eine Welt-Neuheit, steht da aber schon seit 2012.
Eine Frage ist also erlaubt: Woran liegt diese miese Digital-Quote? Am schlecht gemachten Verfahren oder an der fehlenden Bewerbung? Liegt es vielleicht sogar an zu wenig investierter Kraft in dieses Thema? „Es ist bisher für uns gar nicht im Serviceportal vertreten“, sagt zum Beispiel der Castrop-Rauxeler Digitalisierungsbeauftragte im Rathaus, Jan-Philip Hermes. „Wir können das hier im Rathaus also gar nicht beeinflussen.“
Sobald die Leistung im Kreis Recklinghausen verfügbar sei, „könnten wir sie einbinden“, sagt der Mitarbeiter der Stadtverwaltung aus Castrop-Rauxel. „Als Efa-Leistung ist es seit April 2022 verfügbar und ab Mai 2023 für die Nachnutzung freigegeben“, erklärte er vor einigen Wochen. Das heißt: Anderswo in Deutschland wurde das Verfahren digital entwickelt, erprobt und auch schon installiert. Nach den Worten, die man von Landrat Bodo Klimpel hört, ist das aber im Kreishaus Recklinghausen nicht priorisiert.
95 Mitarbeiter im Straßenverkehrsamt
Bis 1993 gab es im Kreis Recklinghausen neben dem zentralen Standort in Marl sechs Nebenstellen des Straßenverkehrsamtes: Castrop-Rauxel, Datteln, Dorsten, Gladbeck, Recklinghausen (Kreishaus) und Recklinghausen-Süd. Mit der Zentralisierung in Marl sparte man 17 Stellen. Heute hat das Amt 95 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wer in Marl wohnt, hat es immerhin nicht weit bis zur Zulassungsstelle. Digital kann man einen Termin vereinbaren und wenn man da ist einen QR-Code scannen – das ist ja schon mal ein Anfang, der Wartezeiten vor Ort minimiert.
Wer weiter entfernt wohnt, also zum Beispiel in Castrop-Rauxel am östlichen Rand des Kreisgebiets, für den ist es aber am einfachsten, andere zu beauftragen: Schilder Fritz (Maslingstraße) direkt am Rathaus ist einer der drei, vier Dienstleister, die hier helfen. Schilder Fritz ist werktags von 8 bis 17 Uhr geöffnet. Der Dienstleister fährt für den Kunden nach Marl und erledigt dessen Kfz-Anliegen gegen eine Servicegebühr von etwa 20 Euro. Er gibt meist einen Werktag später dann auch gleich die neuen Kennzeichen mit aus.
Auch an der Bahnhofstraße und am Westring-Kreisel gegenüber von Kärcher und Baustoffe Laudwein gibt es „Schildermacher“ mit ähnlichen Angeboten.
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