Es war ein Schock, als die Backstuben der Bäckerei Schickentanz vom einen auf den anderen Tag dicht machten – für Kunden wie Mitarbeiter. Auch die teils jahrzehntelang dort angestellten Verkäuferinnen erfuhren von der Insolvenz des Dortmunder Traditionsbetriebs erst am Vortag. Nach dem Aus klagten uns vier der Angestellten ihr Leid: Sie schilderten uns, wie sie die plötzliche Schließung völlig aus dem Nichts getroffen hat und erhoben teils schwere Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Chef.
Wie geht es den Frauen heute? Zwei Monate nach der Schickentanz-Pleite hat unsere Redaktion erneut mit zwei der betroffenen Verkäuferinnen sprechen können. Soviel vorweg: Bei beiden Frauen ist es seit Ende März ganz unterschiedlich weitergegangen.
Johanna (*Name von der Redaktion geändert) war über 30 Jahre lang Vollzeit bei Schickentanz angestellt. „Ich habe das Ganze noch immer nicht verdaut“, sagt sie im Telefonat mit unserer Redaktion. Seit der insolvenzbedingten Schließung ist sie arbeitslos. „Ich bekomme seit Mai Arbeitslosengeld“, sagt die Frau. Das sind 60 Prozent vom letzten Gehalt, das alles andere als üppig war. Dass sie Mindestlohn verdient, hatte sie sich einklagen müssen.
Wenn von wenig noch weniger bleibt, muss man sich einschränken. „Ich muss momentan auf alles verzichten“, sagt Johanna. „Essen gehen, ins Stadion gehen, ins Kino oder ins Schwimmbad – das ist alles gestrichen für mich.“ Gerade bei gutem Wetter falle das schwer, gehe aber finanziell nicht anders.
„Er hat ja nichts“
Als Ausgleich für ausgefallenes Gehalt haben Arbeitnehmer von insolventen Unternehmen Anspruch auf Insolvenzgeld, das die Agentur für Arbeit zahlt. „Das ist insgesamt alles ziemlich viel Papierkram, damit bin ich noch nicht fertig“, meint Johanna. Dem Insolvenzverwalter hat sie die Monate gemeldet, in denen sie auch vor der Schließung bereits kein Gehalt bekommen hat, denn das sei Usus gewesen. „Wir Verkäuferinnen mussten unserem Geld ständig hinterherrennen.“
Dass sie durch das Insolvenzverfahren, das Anfang Mai eröffnet wurde, noch einen Teil des Gehalts erhält, das ihr Ex-Arbeitgeber ihr schuldig ist, daran glaubt Johanna nicht. „Er hat ja nichts“, sagt sie und meint ihren Ex-Chef. „Bezahlt wurden wohl noch die Steuern und die offenen Rechnungen für die Ware. Aber für unser Gehalt und wohl auch für die Miete der Läden ist wohl nichts mehr da.“
Viel mehr noch als der finanzielle Ausfall schmerzt Johanna jedoch etwas ganz anderes: der Vertrauensverlust. „Monatelang umsonst zu arbeiten, das macht einen wahnsinnig, weil man einfach so ausgenutzt worden ist“, sagt Johanna. „Ich weiß im Moment noch nicht, ob ich irgendwann wieder in einer Bäckerei arbeiten will.“ In jedem Fall wolle sie jedoch genau darauf achten, wie ein potenzieller neuer Arbeitgeber mit seinen Angestellten umgeht.
Neuer Job bei Grobe
Andere ehemalige Kolleginnen von Johanna haben wieder Vertrauen fassen können. Romy zum Beispiel (*auch diesen Namen haben wir geändert). Sie fiel allerdings auch von einer anderen Fallhöhe, landete weicher, da sie bei Schickentanz nur einen Minijob hatte. Einen solchen hat sie recht schnell bei Grobe bekommen – auf Vermittlung unserer Redaktion hin.

Denn nach unserer Berichterstattung über die Insolvenz hatten wir andere Bäckereiketten dazu befragt, ob die durch die Schließung arbeitslos gewordenen Verkäuferinnen nicht mithelfen könnten, das oftmals beklagtes Personalproblem zu lindern. „Das lief bei Grobe total unkompliziert“, erzählt Romy. „Aber als Minijobber ist man auch gern gesehen.“
Auch sie hat noch Gehälter von Schickentanz ausstehen. „Das ist echt frustrierend, wenn man ständig spontan eingesprungen ist und immer im Laden stand“, sagt Romy. „Da kann man leider nichts erwarten“, so die Dortmunderin mit Blick auf ihren Ex-Arbeitgeber. Romy hat allerdings Insolvenzgeld erhalten. „Nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, habe ich 700 Euro bekommen.“ Immerhin einen Teil der ausgefallenen Monatsgehälter vor der Schließung hat sie damit erhalten.
„Dann hat er seinen Blick abgewandt“
Warum ihre Ex-Kollegin Johanna bislang kein Insolvenzgeld bekommen hat, kann sie sich erklären. „Ich musste das zwei Mal beantragen. Beim ersten Mal hatte es die Arbeitsagentur abgelehnt, weil das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet war.“ Ein Hin und Her, das Nerven koste. Auch bei Romy ist die Enttäuschung über das unschöne Ende ihrer Arbeit für Schickentanz noch groß.
„Etwa eine Woche nach der Schließung der Filialen haben wir uns sogar alle noch einmal getroffen“, berichtet sie. Die Verkäuferinnen, jemand von der Kanzlei des Insolvenzverwalters und Christian Schickentanz, der Geschäftsführer des gescheiterten Backwaren-Unternehmens. „Da sollte uns erklärt werden, wie es jetzt weitergeht“, sagt Romy. „Für uns war das alles total neu, wir haben ja noch nie so etwas mitgemacht.“
Das Verhalten ihres zu diesem Zeitpunkt Anfang April schon Ex-Chefs habe sie schockiert. „Er hat kein einziges Wort gesagt“, berichtet Romy. Nur der Insolvenzverwalter habe geredet. „Er hat uns alle ignoriert. Eine Kollegin, die ihr ganzes Leben da gearbeitet hat, ist zu ihm gegangen. Sie ist in Tränen ausgebrochen und hat gefragt, wie es denn nun für sie weitergehen soll. Er hat sie nur kurz angeschaut und dann hat er seinen Blick abgewandt.“