
© Tobias Weckenbrock
Noch kein Corona-Fall bei Rütgers – aber die Probleme nehmen zu
Coronavirus
500 Mitarbeiter, ein halbes Jahr Coronavirus – doch bei Rütgers gab es bis heute keine einzige Positivmeldung. Es gibt eine „gute Fee“. Dennoch nehmen die Probleme im Chemiewerk in Rauxel zu.
Wenn das Coronavirus sich gerade ausbreitet, wenn viele Menschen auch in Castrop-Rauxel sich anstecken: Wie geht es dann den großen Firmen in der Stadt? Einer der größten Arbeitgeber ist Rütgers Germany mit seinem Chemiewerk in Rauxel. Von dort kommt gute Kunde: Es gab noch immer keinen einzigen getesteten Positivfall in der Belegschaft. Die Probleme aber nehmen trotzdem zu.
„Auch während der Sommerzeit mit den verhältnismäßig geringen Infektionszahlen haben wir an unseren Covid-19-Schutzmaßnahmen festgehalten und nur geringe Lockerungen zugelassen“, sagt Carsten Grabosch, Standortleiter bei Rütgers Germany.
Während der gesamten Zeit berate und informiere sich der speziell eingerichtete Corona-Einsatzstab einmal pro Woche. Er ist mit Betriebsräten, den Führungskräften am Standort und der Werksärztin Andrea Leipelt besetzt. Über Andrea Leipelt sagt Grabosch: „Sie zeigt ein wirklich wahnsinniges Engagement! Ob am Wochenende oder im Urlaub, sie ist einfach immer für uns und unsere Kollegen verfügbar.“
Zahl der Kontaktpersonen nimmt zu
Nötig war das noch nicht. „Bisher hat sich noch kein Mitarbeiter unseres Standortes mit Covid-19 infiziert“, erklärt Grabosch auf Anfrage unserer Redaktion. Seit September aber verzeichne man einen starken Anstieg von Primärkontakten: Das heißt, dass Mitarbeiter in Hausquarantäne kommen, weil sie Kontakt zu infizierten Personen hatten. „Die Kontakte fanden ausschließlich im privaten Bereich statt“, so Grabosch.
Im Falle einer Verdachtsfallmeldung komme bei Rain Carbon direkt ein Teil des Einsatzstabes per Video-Call zusammen und entscheide über das weitere Vorgehen. „Wir sind dank Frau Leipelt in der Lage, in kürzester Zeit unsere Mitarbeiter auf freiwilliger Basis testen zu lassen“, erklärt Grabosch. Dieses Angebot hätten die Mitarbeiter bisher immer dankend angenommen. So sei man immer schnell in der Lage gewesen, „die Kontaktpersonen eines Primärkontakts zu beruhigen“.

Eine Corona-Isolierkammer von Rütgers liegt bewusst in einem Haus vor den Werkstoren, nicht auf dem Gelände. © Tobias Weckenbrock
Zur Erklärung: „Auch wenn der Mindestabstand von allen eingehalten wird und sich jeder an das Tragen der Mund-/Nasenmasken und der regelmäßigen Desinfektion seines Arbeitsumfelds hält, hat man doch ein ungutes Gefühl, wenn man als Kontaktperson eines Primärkontakts benannt wird“, findet Carsten Grabosch.
Isolierstation weiter verfügbar
Rütgers hatte schon im Frühjahr vor den Werkstoren an der Kekuléstraße in einem Wohnhaus eine Isolierstation eingerichtet. Die musste bis heute nicht genutzt werden. „Die Disziplin, mit der die Schutzmaßnahmen von unseren Kollegen umgesetzt wird, ist beispielhaft, dafür sind wir dankbar“, so Grabosch. Keine Produktionsanlage musste dadurch bisher infektions- oder quarantänebedingt abgestellt werden.

Edgar Machoczek ist Wachabteilungsleiter der Werkfeuerwehr bei Rütgers. Er zeigt uns das Isolierzimmer: "Man muss auf alles vorbereitet sein", sagt er. Seit März ist das Isolierzimmer eingerichtet, aber noch nicht belegt gewesen. © Tobias Weckenbrock
Die phasenweise Abschaltung hat andere Gründe: „Wir merken, dass gerade unsere Kunden in den Märkten Aluminium- und Automobilindustrie stark unter den Folgen zu leiden haben – und damit auch wir, indirekt“, sagt Grabosch. Derzeit seien 35 Prozent der am Rauxeler Standort beschäftigten Mitarbeiter in Kurzarbeit. Seit Beginn des 2. Quartals versuche man die Auswirkungen mit gezielten Kosteneinsparungsprogrammen zu kompensieren.
Aber hält Rütgers das durch? Ein Vorteil ist vielleicht, dass die Gesellschaft Teil des international agierenden Großunternehmens Rain Carbon ist. Und während man im Frühjahr und Frühsommer erpicht darauf war, noch schnell die neuen Produktionsstätten fertig zu machen, ist die Vorsicht nun, wie auch damals schon, sehr groß, wenn man Graboschs Worten folgt: „In Bezug auf eine 2. Welle unternehmen wir alles, um das Risiko einer Covid-19-Ausbreitung auf ein Minimum zu reduzieren.“ Unter anderem dadurch, dass ein Großteil der nicht direkt in der Produktion arbeitenden Mitarbeiter nicht mehr vom Standort aus arbeitet, sondern dies primär über das Homeoffice macht.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
