Kaum ein Thema bewegt Immobilieneigentümer und irgendwann auch Mieter derzeit mehr als das Thema Grundsteuer. Die Grundsteuer zählt zu den wichtigsten Einnahmequellen der Städte und Gemeinden. Mit ihr werden unter anderem Schulen, Kindergärten, Büchereien sowie die Erhaltung und der Ausbau der Infrastruktur finanziert.
Sie ist von den Eigentümerinnen und Eigentümern von Grundbesitz (Grundstücke, Eigentumswohnungen und Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) jährlich zu zahlen. Zum 1. Januar 2025 wird die Grundsteuer deutschlandweit neu festgesetzt. Und da liegt die Krux. Denn der Gesamtbetrag der Grundsteuer, die eingenommen wird, soll zwar „aufkommensneutral“ sein, im Detail aber kommt es zu erheblichen Abweichungen von der bisher bezahlten Grundsteuer.
Und so regen sich die Widersprüche. Egal, in welche Stadt man gerade schaut: Beschwerden über die neue Grundsteuer sind Legion. Ob in Dortmund, Castrop-Rauxel, Lünen, Unna oder Schwerte: Die Bürger gehen auf die Barrikaden, wehren sich gegen Bescheide, die die individuell fällige Grundsteuer im Einzelfall bis zu 3300 Prozent verteuert.
Da fragt man sich: Was wird mich erwarten? Und so fischte auch der Autor dieser Zeilen jüngst seinen Bescheid mit dicken Sorgenfalten aus dem Briefkasten. Und war nach dem Studium des Schreibens und dem Vergleich mit dem alten Steuerbescheid mehr als erleichtert. Denn für die Eigentumswohnung muss er künftig sogar 16 Euro weniger an Grundsteuer berappen als bisher.
Gehört der Autor also zu den Grundsteuerprofiteuren, die es auch geben muss, von denen man weit seltener hört, weil sie weniger laut in der Öffentlichkeit auftreten? Wie der Castrop-Rauxeler, der laut eigener Aussage „zweimal im Jahr mehr gut essen gehen kann“? Muss man sich künftig schämen, wenn man als Profiteur gilt? Darf man überhaupt erzählen, dass man gar nicht zu den armen Menschen gehört, die unter der Steueränderung leiden?
Oder ist die Zahl der Menschen, die wirklich mehr zahlen müssen, einfach nur gering, dafür aber sehr laut in ihrem Protest? Das wäre nichts Neues in diesem Land, das spätestens seit der Corona-Krise sehr gut darin ist, wenn es gilt, sich aufzuregen. Menschen ahnen inzwischen leider viel zu schnell Verschwörungen und finstere Mächte, die da am Werk sind, wenn Ihnen Verschlechterungen ihrer Verhältnisse ins Haus stehen.
Vielleicht ist es in vielen Fällen aber einfach nur so, dass Ungleichgewichte in der Steuerbemessung, die das Bundesverfassungsgericht 2018 dazu bewog, die Notwendigkeit einer Grundsteuerreform festzustellen, aufgehoben werden. Vielleicht hat manch Steuerbürger, der sich jetzt über Steuererhöhungen klagt, einfach nur Jahrzehnte lang selber zu den Profiteuern einer Steuerpolitik gehört, die das höchste deutsche Gericht nicht umsonst als ungerecht eingestuft hat.
Und so wird sich der Verfasser dieser Zeilen nicht schämen, sondern sein eingespartes Geld wie der oben erwähnte Castrop-Rauxeler nutzen und sich einen klitzekleinen Luxus gönnen, den andere Steuerbürger offensichtlich vor der Steuerreform gehabt haben müssen.
In den „Wohn(t)räumen“ befasst sich Thomas Schroeter regelmäßig auf sehr persönliche Art mit dem Wohnen. Da kann es um neue Trends gehen, um Wohnphilosophien, um Bauärger oder Küchendeko. Einfach um alles, was das Wohnen im Alltag ausmacht.
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