Stadt bekommt ersten Widerspruch gegen Grundsteuerbescheid Karl-Heinz Hoffmann äußert tiefe Sorge

Widerspruch! Karl-Heinz Hoffmann äußert tiefe Sorge wegen Grundsteuer
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Er ist einer der ersten und ziemlich sicher nicht der einzige: Karl-Heinz Hoffmann hat Widerspruch bei der Stadt Castrop-Rauxel gegen die Zahlung und Bemessung der Grundsteuer B eingelegt. Viele Hausbesitzer und Wohnungseigentümer staunen in diesen Tagen über den Bescheid, den sie erhalten haben: Für einige kam trotz vieler Berichte über das Thema und dem Briefwechsel mit dem Finanzamt schon in den Jahren 2022 und 2023 die Veränderung der Bemessung offenbar doch überraschend.

Nach der bundesweit notwendig gewordenen Grundsteuerreform haben sich die maßgeblichen Grundsteuerwerte zum Teil erheblich verändert. Nach Informationen unserer Redaktion soll es Castrop-Rauxeler geben, die vor der Reform noch unter 400 Euro jährlich an die Stadt überwiesen haben sollen, nun aber vor einem Bescheid von über 1000 Euro stehen. Andere hingegen kommen bei ihrer Immobilie oder Wohnung günstiger weg. Aber unter dem Strich scheint es, dass es mehr Benachteiligte als Begünstigte gibt.

Dieses Haus in Merklinde ist der Altersruhesitz von Karl-Heinz Hoffmann. Der Castrop-Rauxeler legte Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid der Stadt ein, weil er nun über 100 Euro mehr zahlen muss.
Dieses Haus in Merklinde ist der Altersruhesitz von Karl-Heinz Hoffmann. Der Castrop-Rauxeler legte Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid der Stadt ein, weil er nun über 100 Euro mehr zahlen muss. © Hoffmann

Hoffmann hat ein Haus an der Kleinen Lindenstraße in Merklinde. Wenn er auf seiner Terrasse sitzt, schaut er heraus auf weite Felder und Natur. In einer E-Mail an unsere Redaktion ließ er uns teilhaben an seinem kleinen Paradies am südlichen Stadtrand von Castrop-Rauxel. Sein Grundsteuer-Messbetrag lag 2024 noch bei 59,82 Euro. Multipliziert mit dem Hebesatz von 825 zahlte er rund 493 Euro. Der Bescheid, den er nun enthielt, beinhaltet eine Rechnung von 615,12 Euro. Der Messbetrag ist auf 74,56 Euro gestiegen. Der Satz, dass man davon „zweimal gut essen gehen könne“, den ein Profiteur unserer Redaktion gegenüber kürzlich benannte, passt auch hier ziemlich gut. Hoffmann aber kann zweimal seltener gut essen gehen im Jahr.

So wie ihm geht es vielen Castrop-Rauxelern. Viele werden es schlicht akzeptieren und schweigend bezahlen. Andere werden sich nach innen ärgern, „die da oben machen, was sie wollen“ denken und sich innerlich weiter von Behörden und etablierter Politik entfernen. Karl-Heinz Hoffmann will das nicht mitmachen. „Ich bin gebürtiger Castrop-Rauxeler, habe mein ganzes Leben hier verbracht und liebe meine Heimat Merklinde“, sagt er gegenüber unserer Redaktion. Und: „Ich kann nachvollziehen, dass die Stadt Geld benötigt, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Aber...“

Michael Werner (EUV), Michael Eckhardt (Stadt) und der Moderator der Bürger-Info in der Europahalle (v.l.) zum Thema Grundsteuerreform.
Michael Werner (EUV), Michael Eckhardt (Stadt) und der Moderator der Bürger-Info in der Europahalle (v.l.) zum Thema Grundsteuerreform. © Tobias Weckenbrock

17 Millionen Euro vorher wie nachher

An dieser Stelle kann man einwenden: Die Stadt wird hinterher nicht mehr einnehmen als vorher. Das ist das Paradigma der Aufkommensneutralität, das mit der Grundsteuerreform einhergeht. Die 17 Millionen Euro aus der Grundsteuer B von 2024 sollen auch 2025 17 Millionen Euro sein. Es gibt allein eine Umverteilung unter den Bürgern, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerechter ausfallen soll. Denn die alte Bemessung stammt von 1964, wurde seither nicht aktualisiert, während sich unsere Städte, die Siedlungen und die Gebäude ihrer Bewohner veränderten.

Hoffmann formuliert in einem persönlichen Anhang an seinen Widerspruch weiter: „Holen Sie sich das bitte bei denen, die im Überfluss darüber verfügen, und nicht bei Menschen, die trotz 40-jähriger Arbeit in Vollzeit nur eine kleine Rente beziehen.“

Der Bodenrichtwert, eine der Bemessungsgrundlagen für seinen neuen Messbetrag, habe sich um 50 Prozent erhöht. „Meine Immobilie verzeichnet nun quasi über Nacht einen Wertzuwachs von 27.000 Euro.“ Diese Wertsteigerung empfinde er als rein fiktiv. „Nach einem langen, von Arbeit erfüllten Leben habe ich dieses Häuschen nicht erworben, um damit zu spekulieren, sondern um hier meinen Lebensabend zu verbringen. Mal schauen, wie lange ich mir die Unterhaltung dieser vom Staat empfohlen Altersabsicherung noch leisten kann“, so Karl-Heinz Hoffmann.

Kleines Haus, Terrasse, Garten, Blick auf die Felder von Castrop-Rauxel: Hier lebt der Rentner Karl-Heinz Hoffmann, der nun Einspruch einlegte.
Kleines Haus, Terrasse, Garten, Blick auf die Felder von Castrop-Rauxel: Hier lebt der Rentner Karl-Heinz Hoffmann, der nun Einspruch einlegte. © Hoffmann

Das Gemeine dabei für ihn: „Die Zuständigkeit wird zwischen Kommune, Land, Bund und den Finanzbehörden hin und her geschoben“, so Hoffmann. „Niemand hat es gewollt, keiner ist es gewesen, alle waschen ihre Hände in Unschuld und wollen nur ausführendes Organ sein. Wo bitte ist der viel beschworene Gestaltungswille?“ Bürger fühlten sich ohnmächtig, verlören Vertrauen. „Selbst hartgesottene Demokratinnen wandern zu AfD und BSW ab, die dann alles nur noch schlimmer machen würden“, schreibt er an den Bürgermeister.

Gegenüber unserer Redaktion geht er noch mehr in die Tiefe: Die Angelegenheit sei für ihn sehr emotional. „Ich habe nichts geerbt oder geschenkt bekommen. Mein Haus finanzierte ich mit meiner Hände und meines Kopfes Arbeit. Nun schaue ich von allen Zimmern und vom Garten aus auf das Feld, auf dem wir unsere Drachen steigen ließen, so es uns vorher gelungen war, das dafür benötigte Material zu ‚organisieren‘“, sagt er. „Hier ist meine Heimat. Den Begriff Heimat sollten wir uns nicht von verirrten Seelen oder gar dem braunen Pack stehlen lassen.“

Die Grundsteuer B und die mit der Reform verbundenen Fragen waren Thema einer Infoveranstaltung, zu der am 13.1.2025 rund 150 Castrop-Rauxeler in die Europahalle kamen.
Die Grundsteuer B und die mit der Reform verbundenen Fragen waren Thema einer Infoveranstaltung, zu der am 13.1.2025 rund 150 Castrop-Rauxeler in die Europahalle kamen. © Tobias Weckenbrock

„Früher nannte man das Enteignung“

Vieles, von dem, was in der Politik ausgebrütet werde, sei sicher gut gemeint, aber nicht gut gemacht. „So einige Amtsträger verlieren den Blick auf die sozialen Realitäten. In Bezug auf das Heizungsgesetz sagten mir ein Elektroingenieur, eine Architektin und eine Energieberaterin nach Begehung meines Hauses, dass ich ab 100.000 Euro aufwärts dabei wäre: Fenster, Türen, Wärmedämmung, Heizkörper, Wärmepumpe. Da ich trotz Fördermöglichkeiten nicht annähernd über solche Summen verfüge und einen Kredit aufgrund meines Alters und der Höhe meiner Rente nicht gewährt bekäme, bliebe nur noch die Variante mit einer Hypothek. Dann ginge mein Haus aber nach meinem Ableben nicht je zur Hälfte an ‚Ärzte ohne Grenzen‘ und die ‚Fachstelle Eine Welt‘ im Evangelischen Kirchenkreis Herne/Castrop-Rauxel, sondern an die Bank. Früher nannte man so etwas Enteignung.“

Da isst es sich gut: Karl-Heinz Hoffmann hat Sorge, dass er in Zukunft sein Haus nicht mehr halten kann.
Da isst es sich gut: Karl-Heinz Hoffmann hat Sorge, dass er in Zukunft sein Haus nicht mehr halten kann. © Hoffmann

Seinen Widerspruch selbst formulierte Karl-Heinz Hoffmann viel nüchterner: „Sehr geehrter Herr Bürgermeister, gegen den Grundsteuerbescheid vom 15.01.2025 lege ich hiermit fristgerecht Widerspruch ein. Ich begründe meinen Widerspruch unter anderem auf die nicht angewendete Differenzierung der Hebesätze bei eigentümerbewohnten Kleinimmobilien und Gewerbeimmobilien“, schrieb er. „Bis zur höchstrichterlichen Entscheidung zahle ich den im Bescheid aufgeführten Betrag, zur Vermeidung von Nachteilen, ausdrücklich lediglich unter Vorbehalt. Hochachtungsvoll.“

Michael Werner vom für die Gebührenbescheide zuständigen EUV Stadtbetrieb hatte kürzlich schon angedeutet, dass man bei der Stadt maximal Einspruch einlegen könne wegen der Hebesätze. Nur das liege in der Zuständigkeit der Stadt. Hier aber habe sich die Politik relativ einvernehmlich für die Beibehaltung eines einheitlichen Hebesatzes entschieden – mit dem Argument, dafür mehr Rechtssicherheit zu haben als bei differenzierten Hebesätzen für Wohngrundstücke und Gewerbe- oder Gemischt-Grundstücke. Andere Städte entschieden genauso, wieder andere anders.

Der Ickerner Rainer Guß war einer derjenigen Grundstückseigentümer, die ihrem EUV-Grundbesitzabgabenbescheid für 2024 widersprochen haben. Jetzt will er das Spiel wieder nicht mitmachen.
Der Ickerner Rainer Guß war einer derjenigen Grundstückseigentümer, die ihrem EUV-Grundbesitzabgabenbescheid für 2024 widersprochen haben. Jetzt will er das Spiel wieder nicht mitmachen. © Maurice Prior

Und, so Werner: Die Einspruchsfrist gegen die Festsetzung des Grundsteuer-Messbetrages sei abgelaufen und an die Finanzverwaltung NRW zu richten. Die hatte ihre Bescheide weitgehend im Jahr 2023 verschickt. Die gesetzlichen vier Wochen sind also längst verstrichen.

Hans-Ulrich Liebern, Landesgeschäftsführer des Bundes der Steuerzahler NRW, bestätigte das in einem Schreiben an den Castrop-Rauxeler Rainer Guß, der seit Monaten überlegt, was er dem Bescheid entgegensetzen kann. „Es macht keinen Sinn, gegen den Grundsteuerbescheid der Kommune einen Widerspruch einzulegen. Die Kommune setzt nur die Bescheide des Finanzamtes um.“ Gegen den Grundsteuerwertbescheid des Finanzamtes sein ein Einspruch mit einem Hinweis auf Verfassungswidrigkeit möglich. Dann würde ein Bescheid ggf. auch nachträglich geändert. Zu spät.

„Da bleibt mir dann nur noch, in Anlehnung an Heinrich Heine zu sagen: Denk‘ ich an Castrop, in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht. Und wenn das so weiter geht, vielleicht demnächst auch noch um mein Häuschen“, schreibt Karl-Heinz Hoffmann in seinem Brief an Rajko Kravanja.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 27. Januar 2025.