Borussia Dortmund stürzt nach dem 2:2 gegen Bremen auf Bundesliga-Rang elf ab. Die Krise spitzt sich zu. Mit Mike Tullberg soll in der Champions League gegen Donezk die Trendwende her. Ist der Däne mehr als eine Interimslösung? Das diskutieren unsere BVB-Reporter Jürgen Koers und Florian Groeger im Pro & Contra.
Pro: Mike Tullberg verdient eine Chance (von Jürgen Koers)
Interimstrainer Mike Tullberg sollte die BVB-Profis bis zum Ende der Saison weiter betreuen. Es spricht viel mehr für diese schlanke Lösung als dagegen. Warum also nicht? Die Akkus des 39-jährigen Dänen sind vollgeladen. Er besitzt genug Energie, um den trantütigen Borussen bis zum Mai auf die Beine zu helfen. Von taktischen Finessen und Kniffen vom Reißbrett würde er sich bei seiner Kurzzeitmission nicht irritieren lassen. Ihm geht es darum, den krisengeschüttelten BVB-Profis Mut und Kraft einzureden. Vor allem müssen die mentalen Blockaden gelöst werden. Das kann Tullberg. Seine größten Qualitäten hat der dreifache Familienvater im zwischenmenschlichen Bereich. Er kann begeistern, motivieren.
BVB sollte weiter auf Tullberg setzen
Zugegeben: Auf dem höchsten Profiniveau hat Tullberg keine Erfahrung. Doch eine große Vita als Spieler oder Trainer beinhaltet ja keine Garantie, dass ein Übungsleiter den schwarzgelben Starrkrampf lösen kann. Im Gegenteil: Noch ein neuer, dritter Trainer in dieser Saison wird seine eigenen Impulse setzen wollen, womöglich um seine eigene Profilierung bemüht sein, um über den Sommer hinaus im Amt zu bleiben. Viel Wechsel, viel Chaos – ohne die Sicherheit, dass es einen Ausweg aus der Misere gäbe. Außerdem zeigt die viel zu spät angelaufene und bislang vergebliche Trainersuche ja, dass a) der BVB gerade gar nicht weiß, was er will und b) wenig bis keine geeigneten Kandidaten auf dem Markt sind. Was soll eine halbgare B-Lösung bezwecken, wenn man von vornherein nicht überzeugt ist?
Die Stimmung im Stadion am Samstag hat gezeigt: Viele Borussen – Spieler, Fans, Verantwortliche – wollen gemeinsam aus dieser Krise herauskommen. Noch träumen die Bosse ja davon, dass diese Spielzeit ein versöhnliches Ende finden könnte. Aktuell ein absurder Gedanke. Einem Ortsfremden diese vertrackte Lage anzuvertrauen, wäre das nächste Wagnis. Also, mangels Alternativen und weil er die Power hat, drei Monate lang Gas zu geben: Warum nicht weiter mit Tullberg?
Contra: Tullberg-Experiment muss schnell beendet werden (von Florian Groeger)
„Wir sind auf alle Fälle vorbereitet.“ Diese Aussage stammt von Nuri Sahin. Getätigt zwei Tage vor Dortmunds Bundesliga-Neustart gegen Bayer Leverkusen. Was danach kam, ist bekannt: Vier Niederlagen in Serie haben den 36-Jährigen seinen Job gekostet. Der BVB taumelt durch die Saison und ist nach dem 2:2 gegen Bremen auf Rang elf abgestürzt. Peinlich!
BVB scheint auf keinen Fall vorbereitet
Natürlich hätte man Interimstrainer Mike Tullberg eine erfolgreiche Premiere gewünscht. Der Däne durchlebte die bisherige Saison der Schwarzgelben im Schnellwaschgang: Sehr ordentliche 60 Minuten, davon 40 in Unterzahl, gegen einen bis dato erschreckend einfallslosen Gegner. Dann zwei Gegentore binnen sieben Minuten und letztlich ein glückliches Unentschieden. Dass Geschäftsführer Lars Ricken wenige Minuten nach Abpfiff erklärte, Tullberg werde auch gegen Donezk auf der Bank sitzen und man sei mit ihm „momentan hervorragend aufgestellt“, setzte dem beispiellosen Absturz der Schwarzgelben die Krone auf.
Tullberg mag mit seiner emotionalen Art in einem gewissen Maß neue Impulse setzen können, ist aber die falsche Besetzung für die mehr denn je bedrohliche Situation. Vielmehr würde es dem überbezahlten Kader ein neues Alibi für den verbleibenden Saisonverlauf geben. Nico Kovac mag ein Name sein, den viele Fans lieber in Leipzig oder Hoffenheim sehen würden. Seine bekannt unbeqeume Art könnte die jahrelange Brackeler Wohlfühloase jedoch aufbrechen. Womit wir wieder beim Ausgangszitat angelangt sind. Borussia Dortmund scheint auf keinen Fall vorbereitet zu sein. Da geben sich Trainersuche und Transferplan(losigkeit) die Klinke in die Hand. Und klar ist auch: Der selbsternannte „zweiten Leuchttum“ des deutschen Fußballs hat an Attraktivität deutlich eingebüßt. Die Zeit für grundlegende Änderungen ist längst überschritten.