Mislintat und Kehl – BVB-Machtkampf spitzt sich zu Wie „Nebenkriegsschauplätze“ Dortmund massiv schaden

BVB-Nebenkriegsschauplätze - Kehl, Misl
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„Dieser Verein muss endlich zur Ruhe kommen. Wir dürfen hier keine Nebenkriegsschauplätze haben!“ Es waren seine letzten öffentlichen Worte als Trainer von Borussia Dortmund. Nuri Sahin wird zu diesem Zeitpunkt bereits gewusst haben, welches Schicksal ihn nach der 1:2-Niederlage in Bologna ereilen würde. Bewusst entschied sich der 36-Jährige also für diese Aussagen, die tief blicken ließen, wie es um den so großen BVB aktuell wirklich steht.

Interne BVB-Machtkämpfe

Nur wenige Stunden später wurde Sahin freigestellt, am Mittwochmorgen die Trennung offiziell verkündet. Nach vier Pleiten in Serie und mit nur einem Sieg aus den vergangenen neun Partien eine aus rein sportlicher Sicht alternativlose Entscheidung. Doch die vielschichtigen Probleme innerhalb des Klubs wird sie nicht lösen. Borussia Dortmund ist längst in internen Grabenkämpfen auf allen Ebenen versunken. Es geht um Macht. Um Zuständigkeiten. Um Intrigen.

Die beiden Hauptakteure in diesem insgesamt belasteten Konstrukt: Sportdirektor Sebastian Kehl und Kaderplaner Sven Mislintat. Im Mai 2024 holte Hans-Joachim Watzke trotz einiger Vorbehalte innerhalb des Vereins den ehemaligen Chefscout als Technischen Direktor zurück nach Dortmund. Eine hochbrisante Entscheidung, die schon nach kürzester Zeit für Risse innerhalb der BVB-Führung sorgte. Mislintat überschritt Kompetenzbereiche, missachtete klar abgesteckte Strukturen und führte hinter Kehls Rücken sogar Verhandlungen mit potentiellen Neuzugängen.

Es kam zum ultimativen Bruch zwischen den beiden starken Männern beim BVB, die Dortmund eigentlich – so die Hoffnung Watzkes – gemeinsam in eine goldene Zukunft führen sollten. Doch das Projekt ging komplett schief. Bereits im Sommertrainingslager, als die ersten Vorwürfe publik wurden, hätte der 65-Jährige zusammen mit seinem Nachfolger Lars Ricken die Reißleine ziehen müssen. Doch sie hielten an beiden fest. „Wenn sie es hinbekommen, konstruktiv und wirklich vertrauensvoll zu arbeiten, haben wir eine Riesenchance“, betonte Watzke damals.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Situation hat sich seitdem noch weiter zugespitzt. Kommunikation zwischen Kehl und Mislintat findet nur noch über Sport-Geschäftsführer Lars Ricken statt. Beide lassen in internen Runden keine Möglichkeit aus, den anderen zu diskreditieren. Nicht einmal mehr von einem professionellen Miteinander kann die Rede sein, selbst bei Transferfragen, wo bereits in der Vergangenheit Uneinigkeit herrschte, sind sachliche Auseinandersetzungen kaum noch möglich. Von beiden Seiten drängen immer wieder Interna nach Außen – zum Nachteil des anderen.

BVB: Kehl gegen Mislintat

Die Entlassungen der beiden Kehl-Vertrauten Slaven Stanic (Sportkoordinator) und Eduard Graf (Ex-Chefscout) gehen in der Vielzahl der Querelen fast schon unter. Sie zeigen allerdings deutlich: Kehl hat innerhalb des Verein nur noch wenige Fürsprecher. Mit Sahin musste der nächste gehen. Die Position des 44-Jährigen, der im Frühjahr öffentlich mit der Stelle des Geschäftsführers geliebäugelt und dann Ricken vor die Nase gesetzt bekommen hatte, ist deutlich geschwächt. Trotz aller Loyalität zum Klub wird ihm intern vorgeworfen, sämtliche Verantwortung an sich zu reißen und nur wenig Vertrauen in den Mitarbeiterstab zu setzen. Kehl gilt als Alleingänger.

Lars Ricken und Sebastian Kehl auf dem Platz.
BVB-Sportgeschäftsführer Lars Ricken (links), hier im Gespräch mit Sebastian Kehl, muss schwere Entscheidungen treffen. © IMAGO/Kirchner-Media

Auch deshalb gab es erhebliche Zweifel an einer Vertragsverlängerung mit dem ehemaligen BVB-Profi. Nachdem zunächst klare Absichten beider Seiten erkennbar waren, entwickelten sich die Verhandlungen immer mehr zu einer Farce. Am Ende zogen sie sich über ganze acht Monate, ehe der Vertrag Anfang des Jahres doch bis 2027 verlängert wurde. Die nächste Entscheidung mit Brisanz. Denn: Kehls Kaderplanung und die extrem zurückhaltenden Transferaktivitäten in diesem Winter werden nach RN-Infos intern äußerst kritisch gesehen. Es gab deswegen auch durchaus Stimmen, die neben der Entlassung Sahins auch eine Freistellung des Sportdirektors gefordert haben.

Wer muss gehen beim BVB?

Ricken scheut diesen Schritt. Verständlich. Was würde das für ein Licht auf ihn werfen, nachdem er vor zwei Wochen noch grünes Licht für die weitere Zusammenarbeit gegeben hat? Und was für eins auf Hans-Joachim Watzke, wenn er jetzt trotz aller Bekundungen, sich nicht mehr ins operative Geschäft einmischen zu wollen, doch eine weitreichende Entscheidung trifft? Hinzu kommt: In der aktuellen Situation ist es schier unmöglich, sich eine weitere Baustelle aufzumachen. Die sich schwierig gestaltende Trainerfrage überstrahlt gerade ohnehin alle Themen. Und das Transferfenster ist auch noch bis zum 3. Februar geöffnet.

Dennoch: Spätestens im Februar, wenn ein Trainer für den Rest der Saison oder sogar darüber hinaus gefunden ist und das Kadergerüst steht, muss Ricken sich dieser Thematik annehmen. Ein „Weiter so“ mit Sebastian Kehl und Sven Mislintat in den entsprechenden Rollen kann es nicht geben. Die Nebenkriegsschauplätze, wie Sahin die Querelen innerhalb des Klubs bezeichnete, schaden dem BVB massiv.

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