
Vielspieler bei Borussia Dortmund: Jude Bellingham. © imago / Team 2
Die ersten BVB-Profis schlagen Alarm: „Es ist eine Freak-Saison“
Borussia Dortmund
Die rastlose Hatz durch die Termine beginnt für Borussia Dortmund gerade erst. Es ist ein Spiel auf Kosten von Qualität und Gesundheit. Die ersten BVB-Profis schlagen Alarm.
Einer stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab, ein anderer sank gleich zu Boden, pustete auf allen vieren durch. Bei aller Enttäuschung, die Borussia Dortmunds Spieler nach dem vergebenen Matchball gegen den FC Sevilla äußerten und der nachvollziehbaren (Selbst-)Kritik an der fußballerischen Leistung gehörte auch eine Form von Erleichterung zu den offenkundigen Gefühlen. Wieder ein Spiel geschafft! Bereits nach vier der 13 Spiele im aktuellen Terminblock schlagen die Profis Alarm.
Jude Bellingham ist für Borussia Dortmund unverzichtbar
„Ich persönlich regeneriere ziemlich gut, aber wenn ich manche Jungs am Trainingsgelände oder nach den Spielen sehe, muss ich sagen, dass das schon hart an der Grenze ist“, sagte Julian Brandt. Er liegt mit 859 Einsatzminuten im oberen Mittelfeld der Verschleißtabelle. Ganz oben im teaminternen Vergleich mit 1440 Minuten bereits Mitte Oktober: Jude Bellingham. Der 19-Jährige hat in dieser Spielzeit noch keine Sekunde ausgesetzt, weder für den BVB noch für seine Nationalmannschaft. Offen gestand der junge Engländer am Dienstagabend um kurz vor Mitternacht, wie arg ihn die Hatz von Spiel zu Spiel schlaucht. „Die Belastung fordert ihren Tribut bei mir persönlich. Ich habe mich vor der Partie nicht gut gefühlt. Nach dem Spiel war ich sehr, sehr müde.“
Bellingham ist quasi unverzichtbar für die Borussia. Dass die Dauer- und Überbelastung seinem Spiel nicht unentwegt gut tut, konnte er in der Partie gegen Sevilla nicht verbergen. Immer noch ging er voran, er wollte agieren, spielerisch und kämpferisch an allen Brennpunkten präsent sein. Doch Kopf und Körper reagierten nicht wie im Normalfall. „Du bist irgendwann auch mental nicht mehr mit geschärften Sinnen dabei wie im vorherigen Spiel“, sagte er. „Gerade nach so einem Highlight-Spiel wie gegen die Bayern, das körperlich und mental viel Kraft gekostet hat“, sei es verdammt schwer, wieder in die Gänge zu kommen. „Englische Wochen sind kein Kinderspiel“, fasste Brandt zusammen.
Viele BVB-Spieler ohne Rhythmus und Fitness
Die konkrete Folge gegen die Spanier war eine Partie, die zäh dahinplätscherte. Keine Ausrede, keine Entschuldigung, aber ein Teil der Erklärung: Mit müden Beinen wird das Positionsspiel weniger akkurat, das Passspiel weniger präzise. „Wir haben dadurch zu viele Bälle leichtfertig verloren“, meinte Bellingham. Spätestens im letzten Drittel fehlte der Feinschliff.
An eine Auszeit ist erst einmal nicht zu denken. Ein wichtiges Spiel folgt dem nächsten. Am Sonntag das Bundesliga-Topspiel beim Spitzenreiter Union Berlin, dann das DFB-Pokalspiel mit inkludierter Siegpflicht bei Hannover 96. Und dann immer weiter. Längst nicht alle Borussen kennen diese Beanspruchung auf höchstem Niveau. Manche wie Karim Adeyemi oder Donyell Malen kommen aus Verletzungen zurück, ihnen fehlen Rhythmus und Fitness. Andere bekommen wenig Pausen.
BVB-Youngster Bellingham: „Ich fühle mich sonst nutzlos“
Bei Innenverteidiger Nico Schlotterbeck zeigte zuletzt die Formkurve auch deshalb nach unten, weil er die zweitmeisten Minuten in den Beinen hatte. Sein Positionskonkurrent Niklas Süle kennt diese Anforderungen schon lange. Er beschwichtigt. „Uns geht der Sprit nicht aus. Wir müssen es hinbekommen, dass wir sehr, sehr gut regenerieren.“ Es gehe halt „Schlag auf Schlag weiter“, sagt der Nationalspieler. Auf Kosten der Gesundheit der Spieler und auch auf Kosten der Qualität der Spiele.
Zurückziehen gilt nicht, zumindest nicht für einen ehrgeizigen Heißsporn wie Bellingham. „Es ist nicht meine Art zu sagen, dass ich aussetzen will“, betont er. „Ich will der Mannschaft helfen. Ich fühle mich sonst nutzlos.“
Für BVB-Trainer Edin Terzic ist es ein Ritt auf der Rasierklinge
Trainer Edin Terzic kann aufgrund der weiter angespannten Personallage nicht unbegrenzt rotieren, auch wenn er gegen Sevilla auf gestandene Profis wie Emre Can oder Marius Wolf verzichtete. Die Abwägung zwischen sportlichem Optimum und drohender Verletzungsgefahr in der Übermüdung bleibt ein Ritt auf der Rasierklinge. „Es ist eine Freak-Saison“, sagte Bellingham zum proppenvollen Programm bis zum WM-Beginn im November. Brandt betonte: „Es ist gut, dass wir jetzt bis Sonntag etwas mehr Zeit haben. Die müssen wir nutzen. Weil es ein extrem wichtiges Spiel ist.“ Natürlich. Wie jedes Spiel.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
