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BVB-U23 kann sich auf Torhüter verlassen - doch der Hype um Unbehaun ist abgeebbt
Borussia Dortmund II
Borussia Dortmunds U23 kann sich auf seine Schlussmänner verlassen. Doch der Hype um Luca Unbehaun ist abgeebbt. Einst galt der Keeper als potenzieller Bundesliga-Torwart.
In seinem eigentlichen Kerngeschäft war Luca Unbehaun am Wochenende - mal wieder - recht wenig gefordert. Beim 1:1 gegen RW Ahlen parierte der 20-jährige BVB-Torwart einen Freistoß und war beim Gegentor machtlos - den Rest erledigten seine Abwehrleute. Bislang behielt Unbehaun in vier Regionalliga-Spielen 2020/2021 die weiße Weste, in 11 von 26 Fällen gelang das insgesamt; die sieben restlichen Zu-Null-Partien verantwortete Stefan Drljaca.
Beide, Unbehaun und Drljaca, teilen sich den Posten im Tor von Borussia Dortmunds U23. Einige Wochen ist der eine Torhüter beim BVB II, der andere im Kreise der Profis – dann kommt es zum Rollentausch. Weil die zwei Keeper Spielpraxis erhalten sollen. Und die Corona-Pandemie zwei Covid-19-Tests nötig macht, ehe ein Akteur zum Profi-Kader stoßen darf – allzu spontane Wechselei ist da nicht möglich. Zudem empfindet U23-Coach Enrico Maaßen das gemeinsame Training als wichtig.
BVB-Torwart Luca Unbehaun ist als Aufbauspieler gefordert
Unbehaun wie den im Sommer von der TSG Hoffenheim gekommenen Drljaca eint, dass sie in der Regionalliga immerzu top-fokussiert bleiben müssen, allerdings nur dezent gefordert sind in ihrem Hauptjob: dem Bällefangen. Den zwei Keepern fliegen im Schnitt knapp drei Torschüsse entgegen – circa zwei davon parieren sie. Und sind ansonsten anderweitig beschäftigt. Besonders anschaulich war es vor einer Woche in Wegberg (2:0), dort verdingte sich Unbehaun hauptsächlich als Aufbauspieler.
In Hälfte zwei formierte die mit viel Ballbesitz ausgestattete Borussia eine Art Torwartkette. Die beiden Innenverteidiger Maximilian Hippe und Niklas Dams standen breit, rechts wie links; und Unbehaun positionierte sich in der Mitte, deckte also den zentralen Korridor ab – und fungierte mehr als Extra-Feldspieler denn als Torhüter. Der BVB II wollte hoch und weit ins letzte Felddrittel kommen, weil es auf spielerische Weise nicht gelang. Dabei half Unbehaun tatkräftig mit.
BVB-Torwart Luca Unbehaun ist spielerisch überdurchschnittlich
„Der Gegner stand sehr tief, nur ab und zu ist er mit zwei Spitzen nach vorne gekommen“, berichtet der Keeper im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. „Ich war der Verbindungsspieler in der Mitte, unsere Innenverteidiger konnten mich mitnehmen. Ich war relativ weit vorne. Dadurch, dass ich sehr wenig angelaufen wurde, konnten wir das Spiel gut aufbauen.“ Zumal der Keeper mit dem rechten wie linken Fuß zur exakten Eröffnung in der Lage ist. Für Maaßen ist dies eine gern genutzte Waffe.
„Luca ist wie ein elfter Feldspieler für uns“, sagt der 37-jährige Fußballlehrer - und fügt hinzu: „Generell können wir uns auf zwei sichere Torhüter verlassen. Stefan macht seine Sache ebenfalls gut.“ Zu jeder Zeit habe der BVB II „einen sicheren Rückhalt“, bekräftigte Maaßen bereits zum Jahreswechsel. Diese Wertung hat weiterhin Bestand. Das Torwartteam, dem noch der loyale und beliebte Krystian Wozniak angehört, wurde bislang 19 Mal überwunden - zweitbester Wert in der West-Staffel.
BVB-Torwart Luca Unbehaun lernt im Training mit Erling Haaland
Innerhalb der U23 gibt es keinerlei Diskussionen über die hauptberuflichen Ballfänger. Dass es so bleibt, obliegt in den kommenden Wochen vor allem Unbehaun, der sich zurzeit die nötige Spielzeit in Liga vier holen darf. Er freue sich „immer, wenn ich zur U23 gehe“, betont der seit 2016 in Dortmund angestellte Keeper. Warum das Wechselspiel mit Drljaca die beste Option ist? „Bei den Profis kann ich mich zeigen und noch viel lernen“, meint Unbehaun.
Sicherlich fehle die Praxis, „wenn man nur trainiert. Oben bin ich aber natürlich auch in sehr vielen Spielformen dabei, trainiere mit Kalibern wie Jadon Sancho oder Erling Haaland. Der Wettkampf dort ist auf höchstem Niveau, das tut mir gut. Und in der Regionalliga kann ich anschließend mehr Erfahrung sammeln.“ In den Punktspielen, wenn es in 90 plus x Minuten gegen gestandene Herren-Teams geht und sich der 1,85 Meter lange Unbehaun behaupten muss.
BVB-Torwart Luca Unbehaun hat verschiedene Schwächen
17 Regionalliga-Partien hat der U20-Nationaltorwart mittlerweile absolviert – und sich, so sehen sie es in Dortmund, durchaus entwickelt. Unbehaun habe körperliche Fortschritte erzielt und sich nach und nach an den Seniorenfußball gewöhnt. Inzwischen gehe er mutiger in die Luftduelle, versuche – wie etwa in Wegberg kurz vor Schluss – den eigenen Strafraum mit aller Macht zu verteidigen. Doch Defizite bestehen dort weiterhin. Und zur Wahrheit gehört: Auch beim besagten Auswärtsauftritt hatte Unbehaun Glück.
Schließlich erwischte er den Ball bei seiner Flugeinlage in Minute 90 nur unwesentlich, fast resultierte daraus der späte Ausgleich. „Er ist ein junger Torhüter, der fußballerisch richtig gute Anlagen hat“, erklärt Borussias Profi-Torwarttrainer Matthias Kleinsteiber. „In puncto Strafraumbeherrschung und Torverteidigung muss er sich allerdings weiter verbessern.“ Aktuell reicht Unbehaun mit seinen Fähigkeiten nicht an Dortmunds Top-Leute Marwin Hitz und Roman Bürki – beide bis 2023 gebunden – heran.
BVB-Torwart Luca Unbehaun war lange verletzt
Und ob das künftig möglich sein wird, daran gibt es zumindest Zweifel. Wurde Unbehaun selbst von BVB-Mitarbeitern noch vor ein paar Monaten als möglicher Bundesliga-Keeper der Zukunft gehandelt, ist der Hype inzwischen eher abgeebbt, statt stärker geworden. Am Arbeitsethos gibt es nicht viel zu bekritteln - allein, so hört man, die torwartspezifischen Schwächen wiegen vergleichsweise schwer. Und die sind freilich entscheidend, ob es reicht für ganz oben. Oder eben nicht.
Unbehaun, wegen einer Knie-Operation 2019 circa ein halbes Jahr dienstunfähig und völlig außen vor, ist beim BVB noch bis 2022 unter Vertrag. Aktuell weist nichts daraufhin, dass er sich frühzeitig verabschieden will, um es anderswo zu probieren. „Ganz ehrlich“, antwortet er dieser Redaktion auf die Frage, wann er sich höherklassig versuchen wolle, „jetzt noch nicht. Ich habe nicht das Ziel, im Sommer zu gehen.“ Demnach wird der BVB II erneut mit dem Duo Unbehaun/Drljaca starten.
BVB-Torwart Stefan Drljaca ist reaktionsschnell
Letzterer weiß in der vierten Spielklasse mit Handlungsschnelligkeit auf der Linie und der robusten Sicherung seines Strafraums zu überzeugen. In der U23 sind sie zufrieden mit Drljaca, obschon er wiederum im technischen Bereich Einschränkungen besitzt. Der 21-Jährige ist nicht derart filigran und sicher im Spielaufbau wie Unbehaun, beraumt deshalb spezielle Übungsstunden an – und paukt im Footbonauten. Erste Erfolge sind ersichtlich, dieser Weg soll fortgesetzt werden.
Der einzige BVB-II-Keeper, der ab diesem Sommer nicht mehr zugegen ist, heißt somit Wozniak: Der 23-Jährige, ein arbeitsfreudiger und sehr mannschaftsdienlicher Ersatzmann, unterschrieb für nur ein Jahr – in der kommenden Runde 21/22 würde er das U23-Altersreglement nicht mehr erfüllen. Im Gegensatz zu Drljaca und Unbehaun, denen es gewiss gut täte, würde der BVB II, aktuell Spitzenreiter in der Regionalliga West, in die Dritte Liga aufsteigen.
Aufstieg in die Dritte Liga wäre für BVB-Torhüter von Vorteil
Die zwei Torleute könnten sich dann auf noch höherem Niveau beweisen, gegen noch stärkere Angriffsreihen, weshalb sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weit häufiger im Fokus stünden und sich öfter in ihrem Hauptbereich beweisen dürften: der Torverteidigung. Bei der Borussia werden sie in jedem Fall ganz genau schauen, was ihr Nachwuchs so treibt - im Training und im Pflichtspiel-Wettkampf. Eventuell gelingt ja doch noch ein großer, überraschender Entwicklungsschub.
Schreibt seit 2015. Arbeitet seit 2018 für die Ruhr Nachrichten und ist da vor allem in der Sportredaktion und rund um den BVB unterwegs.
