BVB-Experimente, Taktik und Personal Diese Sahin-Pläne sind noch nicht aufgegangen

BVB-Experimente, Taktik und Personal: Diese Sahin-Pläne sind noch nicht aufgegangen
Lesezeit

Nuri Sahin hat Mut bewiesen in den nun knapp drei Monaten, die er als Cheftrainer Verantwortung für eine Mannschaft von Borussia Dortmund inne hat, in der der Reformbedarf gewaltig war. Sahin hat die Taktik angepasst, er versucht einen neuen Spielstil und einen neuen Geist zu implementieren. Er hat auch bewusst die Gruppe verkleinert und damit automatisch Vertrauen verteilt an einige Spieler, die in der vergangenen Saison noch mit Nebenrollen zufrieden sein mussten.

BVB-Pläne von Nuri Sahin

Auch wenn zuvor einige vielversprechende Ansätze erkennbar waren: Das 1:5 in Stuttgart hat in aller Deutlichkeit aufgezeigt, wie weit der Weg, wie fragil das neue Gebilde noch ist. Diese BVB-Pläne von Sahin sind bislang noch nicht aufgegangen:

Integration der Neuzugänge: Die ist bislang nur in Ansätzen gelungen. Pascal Groß ist sofort als Führungsspieler aufgetreten, auch Waldemar Anton hat sich nahtlos eingefügt. Vollkommen frei in seinem Spiel wirkt er aber noch nicht, so prägend wie beim VfB hat er noch nicht gespielt. Serhou Guirassy bremste seine im Sommer erlittene Knieverletzung zu lange aus. Er kann noch nicht bei 100 Prozent sein, das Zusammenspiel mit den Kollegen muss weiter wachsen, Automatismen beginnen sich gerade erst herauszubilden.

Das gilt in noch stärkerem Maße für Yan Couto, der auch verletzt war und zudem den normalen Anpassungsprozess eines Neulings in der Bundesliga durchläuft. Auch scheint die Intensität im Training für den Südamerikaner eine Herausforderung darzustellen. Bislang enttäuschend verläuft die Saison für Maximilian Beier. Er bekam bislang kaum Spielzeit, strahlt entsprechend wenig Selbstvertrauen aus. Das könnte eigentlich nur regelmäßigere Spielzeit ändern. Beiers Trainingsleistungen scheinen dazu allerdings nicht ausreichend.

Maximilian Beier und Yan Couto sitzen auf der Reservebank.
Die Integration von Maximilian Beier und Yan Couto hakt noch. © IMAGO/RHR-Foto

Flügelspiel ohne echte Außen: Das Dortmunder Spiel ist oft zentrumslastig. Wenn Marcel Sabitzer auf der offensiven Halbposition spielt, führt sein Weg naturgemäß selten die Außenlinie entlang. Ein Dribbler mit Tempo und ausgeprägten Qualitäten im Eins-gegen-Eins ist er nicht. Auch die „gelernten“ Außen ziehen gern in die Mitte, dabei wäre konsequenteres Außenspiel ein adäquates Mittel, um die gegnerischen Abwehrreihen auseinanderziehen. In Karim Adeyemi, Jamie Gittens, Donyell Malen und Julien Duranville verfügt Dortmund über je zwei echte Flügelspieler für jede Seite. Gezogen hat Sahin diese Optionen bislang selten.

Partner für Pascal Groß: Den passenden Nebenmann für den spätberufenen Nationalspieler sucht Sahin noch. Felix Nmecha hechelt auch im zweiten BVB-Jahr Form und Konstanz hinterher, dazu hat er sich erneut verletzt. Emre Can war bislang Sahins bevorzugte Wahl, der eigentlich perfekte Partner wäre allerdings Sabitzer. Aktuell die am schwierigsten zu moderierende Personalentscheidung für den Trainer. Dass der BVB in Stuttgart nach der Umstellung auch mit Sabitzer das Zentrum nicht geschlossen bekam, ist ein Fakt. Bei ihm und generell für einige Spieler gilt: an Wettkampfhärte, Dynamik und Widerstandskraft müssen viele zulegen, wenn Dortmund gegen die Top-Teams bestehen will.

Drei Innenverteidiger in der Viererkette: Anders als Vorgänger Edin Terzic, der dauerhaft am 4-2-3-1-System festhielt, will Sahin deutlich variabler in der systematischen Ausrichtung agieren. Prinzipiell ein löblicher Ansatz – wenn er funktioniert. Doch die aktuell bevorzugte Variante mit drei Innenverteidigern in einer Viererkette, die im eigenen Ballbesitz durch den hochschiebenden Außenverteidiger (zuletzt immer Julian Ryerson) zu einer Dreierkette wird, bringt einige Probleme mit sich.

Da ist die Dauerbelastung von Anton, Niklas Süle und Nico Schlotterbeck, für die es keinen weiteren Back-up gibt. Das birgt ganz allgemein ein großes Risiko. Da ist aber auch die positionsfremde Rolle als Linksverteidiger für Schlotterbeck, der im Spielaufbau auf der Außenbahn keinerlei Impact hat und sich mit offensiven Vorstößen zurückhält. Und auch defensiv, das hat das Stuttgart-Spiel schonungslos offengelegt, große Probleme mit der Positionierung und der richtigen Entscheidungsfindung im Anlaufverhalten hat.

Nico Schlotterbeck stützt sich auf den Knien ab.
Nico Schlotterbeck zeigte in Stuttgart als Linksverteidiger vielleicht seine bisher schlechteste BVB-Leistung überhaupt. © IMAGO/IPA Photo

Back-up für Guirassy: Es war sicherlich keine ausschließlich rationale Entscheidung, dem Last-Minute-Transfer von Sebastien Haller zu CD Leganes zuzustimmen. Der emotionale Faktor, dem Stürmer nach seiner schwierigen Zeit in Dortmund inklusive Krebserkrankung eine neue sportliche Chance mit deutlich besserer Perspektive auf regelmäßige Spielzeit zu ermöglichen, gepaart mit den finanziellen Einsparungen, hat bei der Zustimmung sicherlich überwogen. Doch die ersten Wochen zeigen: Sein klares Stürmer-Profil hätte dem BVB durchaus gutgetan. Hinter Guirassy fehlt ein Back-up. Die Alternativlösungen mit Adeyemi, Malen oder Beier als Mittelstürmer sind jedenfalls allesamt gefloppt, weil der BVB mit ihnen im Zentrum viel zu leicht ausrechenbar ist.

Talente fördern: Im Trainingslager hat Nuri Sahin in höchsten Tönen von ihnen geschwärmt: Almugera Kabar, Kjell Wätjen, Filippo Mane oder Cole Campbell. Die U19-Talente rutschen zwar regelmäßig in den Spieltagskader, eine richtige Chance haben sie bislang aber nicht bekommen. Gleiches gilt für Julien Duranville, auf dem bei den Anhängern nicht nur wegen seiner zwei Kurzeinsätze bei der belgischen Nationalmannschaft Anfang September große Hoffnungen liegen. Doch in Dortmund kommt er bislang nicht zum Zug, noch begründet mit seiner Verletzungshistorie und den vielen Ausfallzeiten. Irgendwann muss Sahin sich aber auch trauen, ihn zu bringen. Andernfalls könnte die verheißungsvolle Karriere des Talents ins Stocken geraten.

BVB-Offenbarungseid in Stuttgart: Ein Muster, gegen das Dortmund seit Jahren vergeblich ankämpft

Situation um Maximilian Beier gibt Rätsel auf: 30-Millionen-Mann beim BVB nur auf der Bank

Sabitzer hadert mit neuer BVB-Rolle unter Sahin: „Das hier ist nicht meine Idealposition“

BVB-Einzelkritik gegen Stuttgart: Ryerson und Schlotterbeck mit Horror-Auftritt

Guirassy legt beim BVB los: Was er kostet, wann Dortmund ihn früher wollte – und der Lewandowski-Ver

BVB-Talent Julien Duranville ist bereit : Lob gibt es für den 18-Jährigen vom FC Bayern München

BVB-Talent Julien Duranville ist bereit : Lob gibt es für den 18-Jährigen vom FC Bayern München

BVB-Talent Julien Duranville ist bereit : Lob gibt es für den 18-Jährigen vom FC Bayern München