Guirassy legt beim BVB los Was er kostet, wann Dortmund ihn früher wollte – und der Lewandowski-Vergleich

Guirassy legt beim BVB los: Sechs-Augen-Gespräch, U23-Besuch und der Lewandowski-Vergleich
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Den freundschaftlichen Knuff von der Seite steckte Serhou Guirassy leicht weg, und als Nuri Sahin ihm eine passende Antwort soufflierte, lächelte er freundlich. „Danke, Trainer, dass du mich gleich aufs Feld geschickt hast“, meinte Sahin halb flüsternd, das wäre doch ein passender Kommentar. Doch Guirassy war konzentriert. Nach seiner Startelf-Premiere für Borussia Dortmund wollte er auch noch ein paar stimmige Sätze sagen.

Schwieriger BVB-Start für Guirassy

Zum Beispiel darüber, wie es sich denn angefühlt habe, zum ersten Mal im BVB-Trikot vor 81.365 Fans zu spielen, oder über die lange Wartezeit. Denn der Start des 28-Jährigen in Dortmund stand ja wegen der Außenbandverletzung im Knie unter keinem guten Stern. „Im Leben“, sagte Guirassy, „gibt es auch mal schwierige Zeiten. Ich habe mich auf meine Reha fokussiert und auf mein Comeback hingearbeitet.“

Wie gut diese Rückkehr in den Bundesliga-Alltag nun vonstattenging, ließ sich diesmal nicht an den Treffern des Mittelstürmers ablesen („Natürlich hätte ich gerne ein Tor erzielt, aber wichtiger ist der Erfolg der Mannschaft“). Da ging es eher um fußballerische Aspekte wie die Laufwege und die Präsenz, die Guirassy gezeigt hatte, seine Arbeit mit dem Rücken zum Tor, als er Bälle festmachte und weiterleitete, die Spielfähigkeit im Zehnerraum und die Besetzung der Box, wo er zweimal uneigennützig den Ball für besser postierte Mitspieler passieren ließ.

Guirassy auf den BVB-Spuren von Lewandowski?

Guirassy liebt es zum Beispiel, sich in den Zehnerraum fallen zu lassen, die Angriffe mit anzukurbeln. „Ich bin nicht der Typ, der im Strafraum wartet“, sagt er, „ich will mitspielen.“ In Dortmund, wo Klasse-Stürmer immer Konjunktur hatten, sind sich die Verantwortlichen weitgehend einig: Einen von der Spielanlage her so kompletten Angreifer wie Serhou Guirassy hatte man seit Robert Lewandowski (2010 bis 2014) nicht mehr. Andere bestachen durch Tempo (Aubameyang, Haaland), durch Instinkt (Alcacer) oder ihr Finish (Füllkrug). Aber Guirassy, der sei rechts wie links stark, auch mit dem Kopf, der sei genauso Zehner wie Strafraumstürmer, schlicht ein Bessermacher und durch seine Lauffinten kaum zu kontrollieren. Ein Unterschiedsspieler.

Den der BVB zum Schnäppchenkurs eingekauft hat. Weniger als 18 Millionen Euro lösten die Ausstiegsklausel aus, inklusive Handgeld genügten 25 Millionen Euro und ein direkter Zugang zum Spieler, um Angebote von Klubs aus allen Top-5-Ligen auszustechen. Die Nähe von Kaderplaner Sven Mislintat, der den Guineer 2022 von Stade Rennes zum VfB Stuttgart lotste, half sicherlich. Der frühere BVB-Scout und VfB-Sportchef hatte Guirassy auch nach dessen Scheitern beim 1. FC Köln (2016 bis 2019) nicht aus den Augen verloren. Schließlich hatten seinerzeit auch die Borussen am Stürmer aus der Jugend von Stade Laval gebaggert, die Borussen wollten ihn schon 2016 holen.

Guirassy trainiert bei der BVB-U23

Und waren vielleicht froh, dass das nicht geklappt hatte, so unglücklich wie Guirassy in Köln kickte. Doch danach fiel auf, wie seine Torquote stieg und stieg. 2021/22 traf er im Schnitt knapp alle 110 Minuten für Stade Rennes, im ersten Stuttgarter Jahr immerhin 14 Mal in rund 2000 Minuten, vorige Saison dann 28 Mal in 28 Bundesliga-Partien. Guirassy kam spät in die Gänge, aber noch rechtzeitig. Wie das so ist bei Stürmern, dem Selbstvertrauen, und wenn sie erstmal in einen Flow kommen.

Und beim BVB? „Bis zu seinem ersten Tor für uns wird es nicht so lange dauern“, verspricht Sportdirektor Sebastian Kehl. Doch nicht allein an Treffern wird Guirassy gemessen, er soll der Mannschaft als Spieler und als Typ weiterhelfen. Eine Begebenheit aus der Vorwoche, erklären die Borussen, spiegele die Persönlichkeit des Neuzugangs ganz gut wider: Um in den Rhythmus zu kommen, sollte der Torjäger im Wartestand bei der eigenen U23 mittrainieren. Eine Degradierung, eine Frechheit? Guirassy fasste das anders auf: Er mischte bei der Zweitvertretung mit vollem Einsatz mit, so dass die Talente von Trainer Jan Zimmermann aus dem Staunen gar nicht herauskamen.

Guirassy-Gespräch mit Malen und Adeyemi

Diese Schilderung deckt sich mit den Berichten aus Stuttgart. Bei den Schwaben ging Guirassy nicht nur auf dem Platz voran, er verhielt sich auch in der Kabine wie ein Führungsspieler. Er spricht Französisch, Englisch und ordentlich Deutsch. Beim BVB nahm er vor dem Debüt seine Nebenleute ins Gebet. „Wir haben zusammen trainiert, aber die Spiele sind dann die Realität, wo es drauf ankommt. Ich habe mit Donny und Karim (Malen und Adeyemi, d. Red.) gesprochen, ihnen erklärt, wie ich spiele. Wir müssen uns noch besser kennenlernen, aber für das erste gemeinsame Spiel war das doch gar nicht schlecht.“

Gehen die Erwartungen an ihn in Dortmund auf, wären die rund neun Millionen Euro Jahresgehalt gut investiert. Was er noch verbessern könne und müsse, wurde Guirassy auch noch gefragt. Er sei noch nicht bei 100 Prozent, das sei doch klar nach drei Monaten ohne Pflichtspielbetrieb. Und verbessern? Da reichte ihm ein Wort: „Goals“.