Die Hochschule Hamm-Lippstadt arbeitet zusammen in einem Kooperations- / Forschungsprojekt, bei dem mit mehreren Stadtwerken untersucht wird, wie Bestandsquartiere zukünftig energetisch aufgestellt werden können, um die Klimaziele zu erreichen. Konkret geht es um die Entwicklung eines Leitfadens zur systematischen Konzeption nachhaltiger energetischer Lösungen für bestehende Quartiere. Ein hoher Fokus wird dabei auf die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf weitere Quartiere gelegt.Das Forschungspr

© HSHL/Johanna Bömken

Sonde, Kollektoren, Pumpe: So funktioniert Erdwärme im eigenen Haus

rnAutarkes Wohnen

Erdwärme nutzten schon die alten Römer in ihren Bädern. Wer unabhängig von fossilen Brennstoffen werden will, sieht Geothermie 2022 als interessante Alternative. Doch für wen kommt dieser Energieträger überhaupt in Frage?

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, 18.03.2022, 13:18 Uhr / Lesedauer: 3 min

Für Erdwärme sind Tiefenbohrungen erforderlich. Erschlossen werden kann sie per Sonde, aber auch durch Kollektoren. Die Kostenfrage stellt sich zudem ganz unterschiedlich bei Neubauten und in Bestandsquartieren.

An der Hochschule Hamm-Lippstadt forschen Wissenschaftler derzeit mit Stadtwerken nach Möglichkeiten, wie Altbauten energetisch zukunftsfähig ausgestattet werden können. Das Forscherteam beantwortet im Interview aber auch die Frage, wie bei Neubauvorhaben vorgegangen werden muss.

? Welche Bedingungen hat die Nutzung von Erdwärme grundsätzlich?

Das Wohngebiet oder der Neubau darf sich nicht in einem Wasserschutzgebiet befinden für den Fall, dass Erdsonden eingesetzt werden. Es muss auch eine gute geothermische Ergiebigkeit des Erdbodens vorhanden sein. Weil der Erdboden erschließbar sein muss, dürfen keine festen Gesteinsschichten im Weg sein. Auf Seiten des Gebäudes sollte ein Wärmesystem mit einem niedrigen Temperaturniveau installiert sein, um eine bessere Effizienz zu gewährleisten.

? Wie wird von der Öl- oder Gasheizung auf Geothermie umgestellt?

Pauschal kann keine Aussage darüber getroffen werden, wie umfangreich eine Umstellung von fossiler Wärmeerzeugung auf Geothermie ist.
Zunächst einmal gilt es bei Geothermie, die Wärmequelle zu erschließen. Dies ist mit Erdsonden oder Erdkollektoren möglich.
Bei Erdsonden werden tiefe Bohrungen, in der Regel 40 bis 100 Meter in das Erdreich durchgeführt, in die anschließend ein Wärmeübertrager installiert wird, in der Regel eine Doppel-U-Sonde.

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Mecklenburg-Vorpommern, Neustadt-Glewe: Rohrsysteme zur Fernwärmeversorgung im ältesten deutschen Erdwärmekraftwerk. Das am 12.11.2003 offiziell ans Netz gegangene Geothermie-Kraftwerk nutzt 97 Grad heißes Tiefenwasser aus der Erdkruste und erzeugt bereits vor zwanzig Jahren jährlich 1.400 Megawattstunden Strom für bis zu 500 Haushalte. © picture alliance / dpa

? Wie aufwändig ist Geothermie technisch betrachtet?

Die Anzahl und Länge der Sonden hängen von der benötigten Leistung und der Ergiebigkeit des Untergrunds ab. Bei Erdkollektoren hingegen werden Rohre waagerecht im Erdreich bei 1,5 bis 2,5 Meter Tiefe verlegt. Erdkollektoren haben daher einen höheren Flächenbedarf als Erdwärmesonden. Die Wärmequelle kann entweder direkt auf dem Grundstück des jeweiligen Gebäudes, also dezentral, oder an einer zentralen Stelle erschlossen werden.

? Wie läuft die Nutzung in einem bestehenden Wohnquartier?

Bei der zentralen Erschließung werden von einer Wärmequelle mehrere Gebäude über ein Rohrleitungssystem im Quartier versorgt, das ist die sogenannte kalte Nahwärme. In beiden Fällen, also zentral wie dezentral, übernehmen dann Wärmepumpen in den Gebäuden die abschließende Wärmeerzeugung.
Es erfolgt also im Vergleich zu einem Gasanschluss der Anschluss der Wärmepumpe entweder an die dezentrale geothermische Wärmequelle auf dem Grundstück oder an das kalte Nahwärmenetz. Zusätzlich benötigt die Wärmepumpe einen Stromanschluss.

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Hintergrund

Forschungsprojekt mit Stadtwerken

  • Die Hochschule Hamm/Lippstadt arbeitet zusammen in einem Kooperations-/Forschungsprojekt, bei dem wir mit mehreren Stadtwerken untersuchen, wie Bestandsquartiere zukünftig energetisch aufgestellt werden können (technologieoffen), um die Klimaziele zu erreichen.
  • Konkret geht es um die Entwicklung eines Leitfadens zur systematischen Konzeption nachhaltiger energetischer Lösungen für bestehende Quartiere. Ein hoher Fokus wird dabei auf die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf weitere Quartiere gelegt.

? Was müssen Gebäude für die Erdwärme mitbringen?

Auf der Gebäudeseite müssen insbesondere bei Bestandsgebäuden die passenden Voraussetzungen für Wärmepumpen vorhanden sein. Wärmepumpen werden im Optimalfall in Niedertemperatursystemen bis maximal circa 40 Grad Celsius betrieben. Klassische Heizkörper sind aber für höhere Temperaturen ausgelegt.
Bei steigender Temperatur sinkt jedoch die Effizienz der Wärmepumpe. Daher sind hier Gebäude, in denen bereits Niedertemperatursysteme wie Flächenheizungen installiert sind, zum Beispiel Fußbodenheizungen, im Vorteil. Hier ist es oft ohne größere Probleme möglich, Wärmepumpen zu installieren.

? Kann man andernfalls Geothermie nicht nutzen?

Ansonsten muss zunächst geprüft werden, ob die Gebäude auch mit niedrigeren Vorlauftemperaturen ohne Verluste bei der Raumbehaglichkeit beheizt werden können. Auch der Austausch von klassischen Heizkörpern gegen größere Modelle oder anderen Typs können die Vorlauftemperatur senken und damit die Effizienz eines Wärmepumpensystems steigern.
Neben der Anlagentechnik ist auch der Sanierungsstand der Gebäudehülle ein weiterer Faktor. Gut gedämmte Gebäude ermöglichen prinzipiell eine niedrigere Vorlauftemperatur und somit eine höhere Effizienz.

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So sieht eine Wärmepumpe aus. Das Gebäude der Firma von Michael Rawe an der Halterner Straße in Recklinghausen verfügt über eine solche Technik.

So sieht eine Wärmepumpe aus. Das Gebäude der Firma von Michael Rawe an der Halterner Straße in Recklinghausen verfügt über eine solche Technik. © Oliver Kleine

? Und wie sieht es bei Neubauvorhaben aus?

In Neubauprojekten, in denen Wärmepumpen mit Geothermie von Grund auf geplant werden, ist die Installation hingegen immer möglich, sofern die Grundvoraussetzungen für Geothermie im Baugebiet erfüllt sind.

? Ist kalte Nahwärme ein adäquater Ersatz für fossile Brennstoffe?

Auch hier kann keine pauschale Aussage getroffen werden. Es gilt vor allem zwischen der technischen und wirtschaftlichen Betrachtung zu unterscheiden. Aus technischer Sicht kann kalte Nahwärme eine Alternative sein, sofern die zuvor erläuterten Bedingungen erfüllt sind.
Wirtschaftlich spielen weitere Faktoren eine Rolle. Gerade in Bestandsquartieren entstehen durch die Verlegung der Nahwärmeleitungen hohe Kosten, weil Straßen, Gehwege etc. geöffnet und wieder geschlossen werden müssen.
In Neubaugebieten, die sowieso gerade erst erschlossen werden, können Kosten bei dem Verlegen der Rohrleitungen gespart werden. In beiden Fällen muss jedoch überprüft werden, ob die Investitionskosten für das Wärmenetz gegenüber dezentraler Wärmegewinnung wirtschaftlich sind.

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? Was wäre denn zum Beispiel wirtschaftlich?

Als Beispiel kann hier eine Luft-Wasser-Wärmepumpe mit der Wärmequelle Außenluft genannt werden. Diese besitzt zwar grundsätzlich eine niedrigere Effizienz als Wärmepumpen mit Geothermie als Wärmequelle, da aber keine Kosten für die Erschließung der Wärmequelle und der Verlegung des Wärmenetzes anfallen, kann in manchen fällen die niedrigere Effizienz in Kauf genommen werden, da durch die niedrigeren Investitionskosten das Wärmepumpensystem trotzdem wirtschaftlicher ist – bezogen auf die Wärmegestehungskosten.

Die Fragen beantworteten Prof. Dr.-Ing. Torsten Cziesla, Prof. Dr.-Ing. Uwe Neumann, Prof. Dr. Jens Thorn und M. Sc. Sebastian Rehr von der Hochschule Hamm-Lippstadt.

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