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Astrid Stadtmüller über autarkes Wohnen: „Sie brauchen keine Heizung mehr“
Energieeffizienzberaterin
Heizung und Wohnen – ein Begriffspaar, das uns seit Ewigkeiten begleitet. Energieeffizienzberaterin Astrid Stadtmüller empfiehlt Häuslebauern das komplette Gegenteil: Wohnen ohne Heizung.
In Zeiten, da Öl und Gas als fossile Energieträger bald unbezahlbar erscheinen, rennen Hausbesitzer und Bauwillige Astrid Stadtmüller die Türen ein: Die Architektin ist auch zertifizierte Energieeffizienzberaterin, eine von wenigen.
„Heizungstausch ist das aktuelle Thema“, sagt Stadtmüller, die auch für die Verbraucherzentrale im Kreis Unna als Energieberaterin Hausbesuche macht. Neben dem äußeren Zwang beschleunigten auch staatliche Zuschussprogramme die Nachfrage: „Die Förderquoten sind sehr attraktiv zurzeit“, weiß Stadtmüller.
Lüftungsanlage und Wärmepumpe ersetzen Heizung
Die 1. Vorsitzende des Bundes Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure im Bezirk Hellweg müsste statt von Heizungstausch eigentlich vom Bauen ohne Heizung sprechen. Denn wer in längst etablierte Alternativen investiere, „kann im Prinzip auf eine Heizung verzichten.“

Während Rohölpreise explodieren, Sprit, Heizöl und Gas die Inflation anfachen, geraten sparsame Heizsysteme immer mehr ins Blickfelder der Verbraucher. Unter Häuslebauern und Hauseigentümern kommt Heizen mit Umweltwärme aus dem Erdreich oder Grundwasser zunehmend in Mode. Die Wärmepumpe erringt bei den installierten Heizsystemen von Jahr zu Jahr wachsende Marktanteile. © picture-alliance/ dpa
Für ein Neubauvorhaben sei dieser Plan auf jeden Fall realistisch, wenn auch kostenintensiv – bei der Anschaffung. Auf lange Sicht fahre man im Lichte steigender Energiepreise sicherlich besser mit Lüftungsanlage und Wärmepumpe.
A und O und Grundlage für eine warme Wohnung ohne Heizung sei das richtige Dichten und Dämmen des Hauses. „Dichtung hilft gegen Kälte und Wärme“, so Stadtmüller. Die „solaren Gewinne“ durch eine optimale Ausrichtung und Lage des Gebäudes zur Sonne seien eben „Fluch und Segen zugleich“.
Öffnungen etwa am Rolladenkasten, undichte Fenster und Türen machten das Konzept einer autarken Beheizung des Hauses sofort zunichte. Denn die Wohnung wird nach der Empfehlung von Astrid Stadtmüller durch eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung „geheizt“.
Autarkes Wohnen mit zusätzlicher Photovoltaikanlage
Vereinfacht dargestellt wird feuchte Luft aus Bädern und Küche abgesaugt und anderen Räumen über einen hygienischen Luftwechsel wieder zugeführt. Es sind also auch keine Kippfenster und kein Querlüften notwendig. Die Angst vor Schimmel sei völlig unbegründet, betont die Expertin.

Uta Wippermann-Wegener von der Verbraucherzentrale Unna empfiehlt die Energieberatung der Einrichtung. © Marcus Land
Komplette (Heizungs-)Autarkie von Gas und Öl trete natürlich erst dann ein, wenn auch noch die Photovoltaikanlage aufs Dach kommt. Denn, wie jedes elektrische Gerät, benötigt auch die Lüftungsanlage Strom.
Warmwasser fließt damit aber noch nicht. Hier empfiehlt Astrid Stadtmüller eine im Vergleich zur Lüftungsanlage günstige Warmwasserwärmepumpe. „Die steht im Keller unterm Badezimmer.“ Das Gerät komprimiert die Luft aus dem Innenraum, die als thermische Energie das Wasser erwärmt.
Warmwasserwärmepumpe mit niedrigem Anschaffungspreis
Der Preisvorteil sei hier besonders augenfällig: Müsse ein Vier-Personen-Haushalt in diesem Jahr mit 1000 Euro Kosten für Erdgasverbrauch rechnen, koste die vielleicht 4000 Euro teure Warmwasserpumpe monatlich 50 Euro Strom – der über die eigene PV-Anlage wiederum selbst erzeugt werden könnte.
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Auf der Übersichtsseite „Immobilien“ der vier Zeitungsportale finden Sie Themen rund um Immobilien, Wohnen, Haus und Garten. Hellweger Anzeiger | Ruhr Nachrichten | Haltener Zeitung | Dorstener ZeitungGehe es um die energetische Sanierung von Altbauten sei es komplizierter. Dämmen und dichten sei ebenfalls unerlässlich. Schlecht gedämmte Bungalows aus den 1970er-Jahren hätten dennoch einen zu hohen Wärmebedarf für eine Wärmepumpe. Sie rät hier zu einer Pelletheizung.
Vor der Energiekrise, räumt Astrid Stadtmüller ein, habe sie energieeffizientes Bauen nicht als Kosten-, sondern als Kopffrage bei den meisten Menschen angesehen. Mittlerweile werde das Sparpotenzial durch autarkes Wohnen aber von den hohen Immobilienpreisen ad absurdum geführt.
Sanierungsplan und Zuschüsse
- Wer sich besonders hohe Zuschüsse des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sichern will, lässt einen Sanierungsplan des eigenen Hauses aufstellen.
- Der Plan zeigt auf, was über einen Zeitraum von 15 Jahren energetisch saniert werden kann. Die Kosten von 1300 Euro werden zu 80 Prozent bezuschusst.
- Zertifizierte Energieeffizienzberater, die einen förderfähigen Sanierungsplan erstellen müssen, sind bei der Deutschen Energie-Agentur gelistet.
- Wer Energieeffizienzberater beauftragt, wird auch bei sämtlichen förderfähigen Einzelmaßnahmen bei der Altbauförderung des BAFA mit 25 Prozent statt nur mit 20 Prozent bezuschusst.
- Voraussetzung für die staatlichen Zuschüsse ist immer eine vorher vorgenommene Leckage-Ortung im Haus durch Fachleute. Auch bei Neubauten ist neuerdings ein Luftdichtigkeitstest Pflicht für die Beantragung von Fördermitteln etwa durch die KfW; allerdings wird die Neubauförderung derzeit neu ausgerollt.
- Terminvereinbarungen für Energieberatung über die Energielotsen der Verbraucherzentrale NRW, Tel. (0211) 33 996 555 oder linda.sauer@verbraucherzentrale.nrw bzw. melanie.schrage@verbraucherzentrale.nrw.
Geboren 1972 in Schwerte. Leidenschaftlicher Ruhrtaler. Mag die bodenständigen Westfalen. Jurist mit vielen Interessen. Seit mehr als 25 Jahren begeistert an lokalen Themen.
