Kaufpreis 1,55 Millionen Euro: Familie Enning zieht der Barriere den Stecker

Entscheidung für Neustart

Die Pandemie war ein Faktor, aber nicht der Auslöser: Küchenmeister Thomas Enning und seine Familie geben die Barriere auf und wollen alles verkaufen. Wohin es für sie geht, ist noch nicht klar.

Ahaus

, 09.02.2022, 17:08 Uhr / Lesedauer: 3 min
Thomas (53), Marie (15) und Doris (51) Enning haben gemeinsam eine Entscheidung getroffen: Die Familie schließt das Restaurant "Zur Barriere" an der Legdener Straße. Gebäude und Grundstück sollen verkauft werden. Die Familie wagt einen Neustart.

Thomas (53), Marie (15) und Doris (51) Enning haben gemeinsam eine Entscheidung getroffen: Die Familie schließt das Restaurant "Zur Barriere" an der Legdener Straße. Gebäude und Grundstück sollen verkauft werden. Die Familie wagt einen Neustart. © Stephan Rape

Für seine Barriere ruft Thomas Enning (53) 1,55 Millionen Euro auf. Der Gastronom, der das Restaurant „Zur Barriere“ an der Legdener Straße in der vierten Generation betreibt, hat den Stecker gezogen.

„Wir erfinden uns gerade neu“, sagt er am Mittwochmittag im Gastraum vor der Theke. Seit 1891 hat seine Familie hier ihre Gäste bewirtet, ungezählte rauschende Feste ausgerichtet und gefeiert.

Jetzt ist Schluss: Seit dem Wochenende sucht Familie Enning online nach Käufern für die Barriere, das Einfamilienhaus, die Einliegerwohnung, die Wohnmobilstellplätze, den Biergarten und das insgesamt 6300 Quadratmeter große Grundstück. Gerüchte hatten schon länger die Runde gemacht.

Familie will den Neustart wagen

„Wir wollen nochmal einen Neustart wagen“, erklärt Thomas Enning. Seine Frau Doris, die von 2002 bis 2019 mit hinter der Theke gestanden hat, nickt. Die Coronakrise war ein Auslöser. Aber in anderer Sicht, als man vermuten würde: „Sie hat uns die Möglichkeit gegeben, einfach mal runterzukommen und einen anderen Blick auf das Leben zu werfen“, sagt die 51-Jährige.

Ab sofort nur noch vor der Theke: Thomas Enning hat die Barriere in vierter Generation 26 Jahre lang geführt. Jetzt ist Schluss. Im April bringt er die letzten Veranstaltungen über die Bühne. Für das Tagesgeschäft ist das beliebte Restaurant jetzt schon geschlossen.

Ab sofort nur noch vor der Theke: Thomas Enning hat die Barriere in vierter Generation 26 Jahre lang geführt. Jetzt ist Schluss. Im April bringt er die letzten Veranstaltungen über die Bühne. Für das Tagesgeschäft ist das beliebte Restaurant jetzt schon geschlossen. © Stephan Rape

Die Zeit sei ihnen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten völlig verloren gegangen. „Wieviel Stress auf einem lastet, merkt man ja erst, wenn er plötzlich wegfällt“, sagt Doris Enning.

Immer habe der Laden an erster Stelle gestanden. Das sei kein Problem gewesen. „Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse“, erklärt sie im Rückblick.

Schon 2019 habe sie sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Weil der Stress zu viel geworden sei. Jetzt die gemeinsame Familienentscheidung. Mehr Zeit füreinander haben, noch einmal neu anfangen.

Pandemie hat Geld gekostet, war finanziell aber kein Problem

Ihr Mann wird deutlicher: „Finanziell hätte uns das nicht vom Hocker gehauen“, sagt er. Klar, habe die Pandemie auch Geld gekostet. Und der Neustart nach dem Lockdown im vergangenen Jahr sei wegen der Personalnot etwas holprig verlaufen.

„Das hatte sich aber alles längst wieder eingerenkt“, erklärt er. Finanziell sei der Betrieb top aufgestellt. Unter dem Strich aber sei das Haus ja Eigentum, Pacht mussten sie nicht zahlen. Finanziell war alles in Ordnung.

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Ihre Tochter Marie (15) kommt gerade aus der Schule nach Hause. Den Betrieb einmal zu übernehmen kommt für sie nicht in Frage. „Auf keinen Fall“, sagt sie wie aus der Pistole geschossen.

Kochen vielleicht, aber nicht im eigenen Betrieb und erst recht nicht in der Barriere. Ein Standpunkt, den ihre Eltern so hinnehmen. „Da mit Druck etwas zu versuchen, bringt ja nichts“, sagt Doris Enning.

Fünfte Enning-Generation will Betrieb nicht übernehmen

Auch das war ein kleiner Schubser auf dem Weg zur Entscheidung: „Hätte Marie das Geschäft übernehmen wollen, hätten wir sicherlich noch die Jahre weiter gemacht“, sagt Thomas Enning. So sei das Ende etwas früher gekommen als geplant.

6300 Quadratmeter Grundstück, Gastraum, Säle, Küche, zwei Kegelbahnen, Einliegerwohnung, Einfamilienhaus, Biergarten, Schwedenhütte, Wohnmobilstellplätze komplett – für 1,55 Millionen Euro gehört es einem potenziellen Nachfolger oder Investor. Erste Gespräche laufen, noch ist aber nichts spruchreif.

6300 Quadratmeter Grundstück, Gastraum, Säle, Küche, zwei Kegelbahnen, Einliegerwohnung, Einfamilienhaus, Biergarten, Schwedenhütte, Wohnmobilstellplätze komplett – für 1,55 Millionen Euro gehört es einem potenziellen Nachfolger oder Investor. Erste Gespräche laufen, noch ist aber nichts spruchreif. © Stephan Rape

Und so bleibt das Licht in der Barriere bis auf Weiteres aus. Ein paar gebuchte Veranstaltungen gebe es bis Ende April noch. Etliche andere, später im Jahr, habe er auch abgesagt.

„Den Gästen habe ich Alternativen angeboten. Das wäre bis April aber zu kurzfristig gewesen“, ergänzt Thomas Enning. Er wolle eben mit einem sauberen Schnitt gehen.

Das letzte Frühstück ist schon serviert

Für das Tagesgeschäft bleibt das Restaurant schon jetzt geschlossen. Vor zwei Wochen hat die Familie sonntags das letzte Frühstück serviert.

„Natürlich haben das viele Stammgäste und Freunde bedauert“, sagt der Küchenmeister. Aber durch die Bank seien es freundliche, ja positive Abschiede gewesen. „Alle haben uns Glück gewünscht“, sagt er.

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1993 kam er nach der Meisterprüfung zurück an den Herd in der Barriere. 1996 hat er das Lokal offiziell von seinen Eltern übernommen. Es also 24 Jahre geführt. „Natürlich hab ich mir die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt er.

Ein paar Monate habe sie schon gedauert. Doch auch seine Schwestern hätten ihn in der Entscheidung unterstützt, das Familienunternehmen aufzugeben. „Sie hatten viel Verständnis. Das war mir wichtig“, sagt er.

Plan für die Zukunft ist noch nicht spruchreif

Wo ihn und seine Familie der Weg hinführt, sei noch nicht endgültig klar. Erst einmal werden sie wohl in der Nähe von Ahaus bleiben. „Marie geht ja in die zehnte Klasse“, sagt Doris Enning.

Danach stünden viele Wege offen. „Irgendwas mit Kochen und gesunder Ernährung“, sagt Thomas Enning. Es gebe einen Plan A, B und C. Näher will er sich aber noch nicht in die Karten schauen lassen. „Das ist noch nicht spruchreif“, sagt er ruhig und winkt ab.

Übrigens genauso wenig wie ein möglicher Nachfolger oder ein langfristiges Ziel. Auch wenn die Gerüchteküche etwas anderes sage. „Wir haben schon vor Wochen gehört, dass ein Käufer unterschrieben hat“, sagt Thomas Enning.

„Und dass wir nach Dänemark gehen. Oder Belgien“, ergänzt seine Tochter. „Australien war auch schon dabei“, sagt Thomas Enning lachend. Wildeste Gerüchte seien das. „Typisch stille Post.“

Gebäude ohne Investitionsstau

Ein Blick noch auf das Gebäude: „Das ist top in Schuss und ohne jeden Investitionsstau“, erklärt er. Unmittelbar vor der Pandemie sei die Küche saniert worden, die Säle und Nebenräume, die Kegelbahnen oder die beiden Wohnungen, die zum Haus gehören seien auf neuestem Stand. „Wir übergeben einen gut aufgestellten Betrieb“, erklärt er.

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„Wir haben lange Jahre sehr viel gearbeitet. Jetzt schrauben wir zurück“, macht Thomas Enning deutlich. Grundsätzlich sei Koch ja auch ein toller Beruf. „Aber alles zu seiner Zeit“, fügt er hinzu.

Ein Gedanke, mit dem auch er sich erst anfreunden musste. „Aber jetzt ist das ok“, sagt er, lächelt und streicht wie zum Abschied einmal über das Holz der Theke. Vier Generationen Ennings haben in der Barriere hinter der Theke gestanden. Dieses Kapitel ist jetzt beendet.