
© Felix Püschner
Wernerin Rebekka Kämpfe will trotz vieler Baustellen in den Landtag
Landtagswahl 2022
„Die Linke“ gab auf Bundes- und Länderebene zuletzt kein besonders gutes Bild ab. Das weiß auch die Direktkandidatin für Wahlkreis Unna II. Kleinlaut wird Rebekka Kämpfe deswegen aber nicht.
Irgendwie ist hier gerade „alles ein bisschen chaotisch“, sagt Rebekka Kämpfe (34) und wischt auf ihrem Smartphone herum: „Sorry bin gleich soweit. Ich muss nur noch eben etwas absagen.“ Gemeint ist eine Podiumsdiskussion. Die Kandidatin für den Südkreis sei erkrankt und könne nicht teilnehmen. Kämpfe will nun die Organisatoren informieren. Ärgerlich, aber alternativlos.
Während die Wernerin versucht, das halbwegs geordnet in mehrere Sprachnachrichten zu quetschen, steigt der Geräuschpegel in ihrem Garten. Erst fegt ein Fußball fast die Kaffeetassen vom Gartentisch, dann hat Tochter Ylva (5) ein Problem mit Papas altem Gameboy. Papa ist allerdings mit der Reparatur des Gartenzauns beschäftigt und kann daher nicht helfen. Ob die großen Baufahrzeuge auf dem benachbarten Grundstück etwas damit zu tun haben? Kämpfe schmunzelt. Natürlich nicht. Die Bagger stehen dort wegen des Neubaugebiets - und sorgen ebenfalls für Lärm.
Ganz schön viele Baustellen. Doch passender könnte eine Kulisse für ein Gespräch mit der Landtagskandidatin der Partei „Die Linke“ eigentlich nicht sein. Denn auch in der Partei ging es zuletzt drunter und drüber. Oder besser gesagt: steil bergab. Die jüngsten Wahlergebnisse waren schlichtweg ein Debakel. Und nachdem Sexismus-Vorwürfe publik wurden, trat auch noch Co-Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow zurück.
Turbulente Zeiten also - und mit Sicherheit keine idealen Bedingungen für Kämpfes Chancen bei der Landtagswahl in NRW. „Wir sind auf jeden Fall abhängig vom Bundestrend. Und der sieht nicht so gut aus“, sagt die Wernerin. Die Schultern hängen lassen komme aber nicht infrage. Eher die Ellbogen ausfahren. Denn sie „brenne ja immer noch für die Politik“.
Schlechtes Timing beim Wahlkampf-Auftritt in Werne
Dass der Funke momentan nicht wirklich aufs Volk überspringen will, wurde ihr im April noch einmal vor Augen geführt. Bei der Wahlkampfveranstaltung auf dem Werner Marktplatz war die Zahl der Besucher - gelinde gesagt - überschaubar. Die Veranstaltung fand genau einen Tag nach dem Rücktritt Hennig-Wellsows statt. Während NRW-Spitzenkandidat Jules El-Khatib auf der Marktplatzbühne stand, duellierten sich im Bürgersaal des Alten Rathauses die Kandidaten für den Wahlkreis Unna II bei der Debatte „Werne vor der Wahl“.
Kämpfe war nicht mit von der Partie. „Ich wäre gerne dabei gewesen. Aber die Termine haben sich nun mal überschnitten. Und in solchen Fällen geht Bürgernähe vor. Man muss dann bei den Leuten sein“, erklärt die 34-Jährige und runzelt die Stirn: „Eigentlich müssten wir durch unsere Themen ja gerade Zulauf bekommen. Die Mietpreisbremse, kostenloser ÖPNV, die solidarische Mindestrente - das sind alles wichtige Mittel, um zu verhindern, dass die Menschen ab Mitte des Monats kein Geld mehr haben.“

Kämpfe mit ihrer kleinen Tochter beim Fußballspielen. © Felix Püschner
Vielleicht hätten die Menschen derzeit aber auch schlichtweg andere Sorgen: erst die Pandemie und nun noch der Krieg. Dessen Folgen wurden Kämpfe ebenfalls direkt vor Augen geführt. Ende Februar war sie an der Gründung des Vereins „Akuthilfe Ukraine Werne und Umland“ beteiligt, der unter anderem Hilfsgüter in die Grenzregion transportierte und für die Flüchtlinge, die nach Werne kamen, Unterkünfte suchte.
Eine dieser Unterkünfte befindet sich nun eine Etage über Kämpfes Wohnung. „Ich habe meine Vermieterin gefragt, ob sie die Wohnung zur Verfügung stellen könnte - auch wenn sie sanierungsbedürftig ist. Das hat funktioniert. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Kämpfe. Dankbar ist auch die Bewohnerin besagter Wohnung, die gemeinsam mit ihren beiden kleinen Töchtern aus Kiew geflüchtet war. Jetzt gehören die Kinder zu Ylvas Spielkameraden.
Und wie blickt Kämpfe nun auf die bevorstehende Wahl? Sollte sie tatsächlich in den Landtag einziehen, wird sie sich voraussichtlich gegen viele Widerstände durchboxen müssen. So wie es bei Parteien mit wenigen Sitzen im Parlament nun mal ist. Immerhin: Sich durchboxen zu müssen, wäre für die Wernerin mit dem „etwas verqueren Lebenslauf“ keine völlig neue Erfahrung.
Denn das war auch schon der Fall, als sie im Alter von 17 Jahren schwer erkrankte und ihr später, als sie mit ihrem Ex-Freund eine Kneipe am Werner Marktplatz führte, die Finanzkrise einen Strich durch die Rechnung machte.
Bei der Bundestagswahl 2021 trat Kämpfe erstmals an, holte 4,52 Prozent der Wählerstimmen und schnitt damit deutlich besser ab als ihre Partei bei den Zweitstimmen (2,99 Prozent der Werner Wähler). Für jemanden, der erst 2020 der Partei beigetreten ist, kein schlechtes Ergebnis. Diesmal wolle sie die Wahl dennoch nicht ganz so verbissen angehen wie vor einem halben Jahr, sagt die 34-Jährige.
An ihren persönlichen Hauptthemen wolle sie aber nicht rütteln: Mehr Anerkennung für die Arbeit pflegender Angehöriger und mehr Gleichberechtigung – nicht zuletzt bei der Bezahlung. Eine Einstellung, die sich durch ihr Studium der Sozialen Arbeit noch verfestigt habe und an der sich so schnell wohl auch nichts ändern werde. Trotz des Umstands, dass besagtes Studium während der Pandemie etwas ins Stocken geraten ist. Irgendwie ist momentan eben alles ein bisschen chaotisch.
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
