Eine Frau steht in einem Gartenhaus.

© Jörg Heckenkamp

Die junge Frau mit den blonden Zöpfen ist ganz auf Rechts eingestellt

rnLandtagswahl 2022

Mit einer jungen Frau sitze ich unter dem lichten Dach eines Gartenhauses. Es ist Frühling und könnte so entspannt sein. Wenn meine Gesprächspartnerin nicht einer Rechtsaußen-Partei angehören würde.

Lünen, Selm, Werne

, 27.04.2022, 05:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Wir stellen die Direktkandidaten des Wahlkreises Unna II (Lünen, Selm, Werne) in persönlichen Porträts vor. Dazu treffen wir uns mit ihnen an besonderen Orten oder zu besonderen Gelegenheiten. Etwa beim Kochen, beim Sport oder beim Frühstück. Meine Gesprächspartnerin hat sich ein wunderschönes, lichtdurchflutetes Gartenhaus ausgesucht.

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Es steht an der Peripherie von Lünen inmitten eines frühlings-begrünten Gartens. „Das hier“, sie schwenkt vage mit dem Arm über das grüne Gelände, „gehört meinem Onkel“. Besagtes Gartenhaus würde ihre Mutter bewirtschaften, ergänzt die junge Frau. Das Innere des ganz mit Lichtstegplatten verkleideten Häuschens ist in den Farbtönen Rot und Weiß gehalten. Blumen und Kräuter recken sich dem Licht entgegen. Deko wie kleine Schalen oder eine Putte vervollständigen das stimmige Ambiente.

Wie gesagt, es könnte ein entspannter Nachmittag sein, wenn die junge Frau namens Friederike Hagelstein nicht einer Rechtsaußen-Partei angehört, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf und von der die 25-Jährige sagt: „Ich stehe 100-prozentig zu den Zielen der AfD.“

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Friederike Hagelstein stammt aus Arnsberg und wohnt seit 15 Jahren in Lünen. Sie studiert Geografie an der Ruhr-Universität Bochum im sechsten Semester. Die Regelstudienzeit ist damit erreicht. „Aber wegen Corona dauerte alles etwas länger. Ich hoffe, dass ich bald meinen Abschluss machen kann.“ Berufswunsch der Studentin: „Entweder eine Stelle im Bereich Landschafts-Architektur oder im Naturschutz.“

Hagelstein betont ihre Liebe zur Natur. „Ich habe erst vor kurzem bei einer Aktion Bäume gepflanzt.“ Das Gartenhaus als ihr Lieblingsort inmitten des großen Grün-Geländes stützt ihre Naturverbundenheit. Ebenso ihr Hobby, das Reiten. „Ich besitze ein eigenes Pferd. Reiten ist tatsächlich mein größtes Hobby.“ In der kälteren Jahreszeit widmet sie sich der Ölmalerei. Schon mal eine Ausstellung gehabt? „Nein, da müsste ich noch besser werden.“ Man merkt ihr an, dass ihr der Gedanke an eine Vernissage gefällt.

Friederike Hagelstein trinkt einen Schluck aus ihrem Kaffeebecher. Nun will ich wissen, wie ein junger Mensch wie sie zu einer Partei wie der AfD kommt? „Politik hatte schon immer einen hohen Stellenwert für mich.“ Und warum dann die Rechtspartei? Sie holt etwas aus. Komprimiert lautet ihre Begründung: Auf nächtlichen Heimwegen von Partys habe sie unangenehme Erlebnisse gehabt, „ich habe mich nicht sicher gefühlt“.

Die AfD-Kandidatin Hagelstein steht an einem Flieder-Strauch.

Wenn der weiße Flieder blüht... Friederike Hagelstein mag die Natur, sagt sie. © Jörg Heckenkamp

Sie sagt nicht explizit, wer ihr dieses Gefühl vermittelte, doch jeder kann es sich denken: Asylbewerber, Ausländer. Das sagt sie später konkreter, als es um die Belästigungen von jungen Frauen am Kölner Hauptbahnhof geht. Überhaupt: Sicherheit taucht in der Argumentation der Direktkandidatin immer wieder auf. Ihr persönliches Sicherheits-Manko ist ihr Antrieb hin zu einer Partei, die in populistischer Manier Ängste aufgreift, überhöht und Schuldige anprangert. Vorzugsweise Ausländer.

Hagelstein trägt ihre Argumente wie eine Lehrerin vor

Als wir das Thema Sicherheit mit dem Hinweis vertiefen, die Kriminalitätszahlen in NRW gehen seit Jahren in fast allen Bereichen zurück, huscht ein wissendes Lächeln über ihr Gesicht. Diese Frage hat sie erwartet, auf diese Frage hat sie sich vorbereitet. Gründlich. Sie greift zum Gartentisch, auf dem einige eng bedruckte Blätter liegen. „Ich lese Ihnen das mal vor.“

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Das macht sie in der Manier einer Lehrerin, die die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hat, ihre Klasse vom drögen Lehrstoff zu überzeugen. Sie hält die Manuskripte in der rechten Hand und unterstreicht ihre Worte mit einem rhythmischen Auf- und Absenken der linken. Der Inhalt ihres Monologes ist erwartbar und will erreichen, von dem statistisch belegten Rückgang der Kriminalitätszahlen abzulenken.

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Ähnlich deklamatorisch geht sie bei der Antwort auf die Verfassungsfeindlichkeit ihrer Partei ein. Allen Ernstes trägt sie vor - dieses Mal das Papier in der linken Hand, Auf- und Abwedeln mit der rechten Hand - dass der Verfassungsschutz von links unterwandet sei und nicht die Verfassung, sondern die Regierenden schütze.

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Friederike Hagelstein verkündet das und noch mehr mit dem Brustton der Überzeugung. Dazu passt ihr etwas irritierendes Äußeres. Rüschenbluse, verspielte Ohrgehänge, eine Jacke mit Goldknöpfen, bunt-schillernde, paillettenbesetzte Stiefel. Und vor allem die blonden Zöpfe mit den beiden blonden Strähnen, die rechts und links ins Gesicht fallen. Mir kommt der Begriff Bund deutscher Mädel in den Sinn, der vor 85 Jahren in einem anderen Deutschland Hochkonjunktur hatte.

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Die Nachwuchspolitikerin - sie sitzt als Vorsitzende der Zwei-Personen-Fraktion der AfD im Stadtrat von Lünen - rechnet sich für diese Landtagswahl nichts aus. Als Direktkandidatin möchte sie „mindestes 8, besser 10 Prozent“ der Stimmen holen. Auf der Landesliste ihrer Partei taucht sie nicht auf. Noch nicht. „Das möchte ich beim nächsten Mal erreichen. Ich möchte in den Landtag.“