
© Trümper/Archiv
Aufnahme-Stopp in Unnaer Tafeln: „Was raten Sie einem, der teuer einkaufen muss?“
Tafeln im Kreis Unna
Anfragen von Rentnern, bei denen das Geld knapp wird, Geflüchtete, die einen Tafelausweis bekommen wollen: Die Unnaer Tafel hat einen Aufnahme-Stopp verhängt, die Lebensmittel sind knapp.
Tafelarbeit, die sei eigentlich immer lustig und witzig, sagt die Gründerin der Unnaer Tafel Ulrike Trümper. Doch durch die langatmige Pandemie, die gestiegenen Energiepreise und den Ukraine-Krieg ist die Stimmung nun eine andere. Sie hat sich in eine „schleichende Depression“ verwandelt, sagt Trümper. Denn die Regale der Ausgabestellen der Tafeln im Kreis sind mittlerweile merklich ausgedünnt. So sehr, dass die Tafeln aktuell einen Aufnahmestopp verhängt haben.
„Dass die Lebensmittel teurer werden, ist okay. Aber viele Rentner wollen hier aufgenommen werden. Das sehe ich als großes Problem. Die haben schon einen Krieg mitgemacht, die wollen das nicht nochmal“, sagt Trümper. Doch das funktioniere aktuell nicht. Weder bei Rentnern, noch bei Geflüchteten aus der Ukraine, die einen Tafelausweis bekommen möchten. „Wir sind angetreten, um Lebensmittel zu retten und sind nicht für die Vollversorgung der Menschen da. Ich bedauere das sehr, dass es so viele nochmal erleben müssen, aber uns sind die Hände gebunden.“
Die Spritkosten der Tafel sind von 1500 auf 2500 Euro gestiegen
Mehl sei schon vorher eine Seltenheit in der Ausgabestelle gewesen, nun habe man am Donnerstagmittag etwa noch 5 Kiwis und 3 Mangos: An der Auswahl der Lebensmittel habe sich nicht viel geändert, aber an der Menge, so die Tafel-Gründerin. „Die Kühlhäuser sind oft leer, es gibt keinen Joghurt oder nur sehr vereinzelt.“ Das Hauptaugenmerk seien derzeit Obst und Gemüse, aber von den teureren Gemüsesorten ginge nur wenig aus den Läden an die Tafel. Denn auch die Läden bestellten weniger, um am Ende nicht auf den teuren Waren sitzenzubleiben, so Trümper. „Eine Aubergine kostet einen Euro noch was, das gab es vorher nicht.“

Ein Einblick in die Ausgabestelle der Unnaer Tafel: Ein bisschen Klopapier und Fertigsuppen. © Trümper
Der Ukraine-Krieg spiele da sicher eine Rolle, hinzu kämen aber auch die hohen Spritpreise. Und die merke die Tafel selbst täglich: Jeden Tag werden die 58 Geschäfte, mit denen die Tafel im Kreis Unna kooperiert, angefahren. 1500 Euro koste das die Tafel normalerweise an Spritkosten im Monat. Aktuell aber seien es aber eher um die 2500.
„Alles in allem ist die Situation im Moment blöd“, sagt Trümper. „Die Bestandskunden können wir versorgen, aber wir können nicht noch mehr Leute aufnehmen. Viele sind durch Corona ins Arbeitslosengeld 1 gerutscht, jetzt in Arbeitslosengeld 2 und sind jetzt bedürftig. Die haben bei den Preisen ein Problem. Wo man vorher den Wagen voll hatte, ist er jetzt nur noch halb voll.“ Was sie Menschen raten solle, die sich gerne bei der Tafel anmelden würden? „Was soll ich denen raten? Wenigstens einmal zum Monatsanfang nachzufragen, wie die Situation aussieht. Ansonsten: Was raten Sie einem, der wenig Geld hat und teuer einkaufen soll? Ich kann das System nicht ändern, das liegt nicht in meiner Macht“, sagt Trümper.
Geflüchtete aus der Ukraine bekommen gesonderte Spenden
Die Situation sei schon „Mist“ gewesen, als „nur“ die Pandemie da gewesen sei. „Jetzt hat man das Gefühl, man kommt da nicht mehr raus.“ Für Ukraine-Geflüchtete hat die Dr-Jürgen-Gesling-Stiftung 10.000 Euro gespendet, um diese mit Lebensmitteln und allem Nötigen zu versorgen. Und das so lange, wie das Geld reiche. Für Familien mit Kindern gibt es außerdem 50-Euro-Gutscheine, damit sie beispielsweise ihren Kindern, die in Winterstiefeln geflüchtet sind, Sommerschuhe kaufen können, erklärt Trümper. „Das ist eine großartige Aktion, damit man nicht alle Menschen hier unverrichteter Dinge wegschicken muss.“
Für Ukrainerinnen und Ukrainer hat die Tafel gesonderte Öffnungszeiten am Donnerstag von 10 bis 14 Uhr. So wolle man auch verhindern, dass Sozialneid zwischen den Bestandskunden und den Geflüchteten entstehe. Und auch die Spendenbereitschaft aus der Bevölkerung sei toll: Eine Person haben Gurken und Tomaten gespendet, ein Mann sei mit einem Einkaufswagen voller Schokolade vorgefahren. „Hut ab, klasse!“
Gebürtige Münsterländerin, seit April 2018 Redakteurin bei den Ruhr Nachrichten, von 2016 bis 2018 Volontärin bei Lensing Media. Studierte Sprachwissenschaften, Politik und Journalistik an der TU Dortmund und Entwicklungspolitik an der Philipps-Universität Marburg. Zuletzt arbeitete sie beim Online-Magazin Digital Development Debates.
