Foto vor dem Rathaus: Katja und Christoph Holtwisch besuchten Charkow in der Ostukraine im Jahr 2018.

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Katja Holtwisch ist schockiert von dem, was in ihrer alten Heimat passiert

rnKrieg in der Ukraine

Der Krieg in der Ukraine beschäftigt derzeit auch Katja Holtwisch: Die Frau von Vredens Ex-Bürgermeister Dr. Christoph Holtwisch schaut mit Sorge auf die Entwicklung in ihrer alten Heimat.

Vreden

, 25.02.2022, 14:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Seit Donnerstag ist die Welt eine andere. Es gibt wieder Krieg in Europa, in den Nachrichten sind Trümmer von Luftangriffen, Militärkolonnen und schutzsuchende Menschen in U-Bahnstationen zu sehen. Bilder, die lange Zeit unvorstellbar waren. Auch für Dr. Christoph Holtwisch und seine Frau Katja, die in diesen Tagen mit großer Sorge und in Richtung Ukraine schauen.

Katja Holtwisch stammt aus der Ukraine, aus Charkiw ganz im Osten des Landes. Die Industriestadt steht derzeit unter Beschuss, die Separatistengebiete im Donbass sind nicht weit entfernt. 2018 waren die Holtwischs noch zusammen im Sommer da gewesen. Seit Donnerstag herrscht dort Krieg.

„Totale Fassungslosigkeit“

Sie habe sehr viele Bekannte und Freunde in ihrer alten Heimat, berichtet Katja Holtwisch. Im Alter von 17 Jahren kam sie nach Deutschland, studierte Medizin und arbeitete heute als Gynäkologin in Ochtrup. Inzwischen ist sie 26 Jahre hier, lebt mit ihrem Ehemann und Ex-Bürgermeister Christoph Holtwisch in Vreden.

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„Bei mir herrscht totale Fassungslosigkeit, ich habe die gesamte Nacht nicht geschlafen“, berichtet Katja Holtwisch im Interview am Donnerstagabend. Zuvor schon hatte sie mit einigen Bekannten und Freunden aus der alten Heimat Kontakt gehabt: „Alle versuchen ruhig zu bleiben, man merkt die Ungewissheit.“

Flucht im Auto

Ein Freund ihre Bruders habe die Kinder ins Auto gepackt und sei Richtung Westen aufgebrochen. „Die Erwachsenen haben viel Hass und sagen, sie werden das Land bis zum Ende verteidigen.“ Die Kinder hingegen seien verängstigt angesichts der Bombeneinschläge.

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Auch bei Katja Holtwisch herrschte im Vorfeld diese Ungewissheit: Würde Putin es tatsächlich wagen, das eigentlich unvorstellbare? Oder sollte alles nur Drohkulisse sein, der Aufmarsch der Armee jenseits der Grenze zum Nachbarland?

Dieses Foto aus der Heimatstadt von Katja Holtwisch entstand am Freitag, 25. Februar. Ein Fotograf der Presseagentur dpa hielt die Szene fest: Blut von der Leiche eines Soldaten ist im Schnee neben einem zerstörten russischen Militärfahrzeug mit Mehrfachraketenwerfern am Stadtrand von Charkiw zu sehen.

Dieses Foto aus der Heimatstadt von Katja Holtwisch entstand am Freitag, 25. Februar. Ein Fotograf der Presseagentur dpa hielt die Szene fest: Blut von der Leiche eines Soldaten ist im Schnee neben einem zerstörten russischen Militärfahrzeug mit Mehrfachraketenwerfern am Stadtrand von Charkiw zu sehen. © picture alliance/dpa/AP

Heute ist klar, dass der russische Machthaber nicht bluffte. Als es dann doch passiert ist, die Nachrichten über den Angriff allgegenwärtig waren, sei die „total schockiert“ gewesen.

Es gibt auch Putin-Befürworter

Es gebe aber, erzählt Katja Holtwisch weiter, auch Menschen in der Ukraine, die den russischen Angriff durchaus willkommen heißen. „In der Generation meiner Eltern gibt es auch Menschen, die für Putin sind und auf eine Absetzung der in ihren Augen korrupten Regierung hoffen. Es gibt tatsächlich Menschen, die sich jetzt freuen.“ Das aber seien jene, die ohnehin der Meinung sind, dass zu Sowjetzeiten alles besser gewesen sei.

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Aber die große Mehrheit der Menschen in der Ukraine wolle keinen Krieg, sie wollen Demokratie, so Katja Holtisch: „Die Ukraine ist ein freies Land, die Menschen denken frei, das ist ein Unterschied und das alle ist Putin ein Dorn im Auge.“

Deswegen versuche er bereits seit acht Jahren, das Land zu destabilisieren. Erst durch die Annektion der Krim, dann durch die Unterstützung der Aufständischen im Donbass, unweit ihrer Heimatstadt Charkiw.

Reise nach Charkiw in 2018

Dorthin war das Ehepaar Holtwisch im Sommer 2018 gereist. „Das war für jemanden, der vorher nur Frieden gewohnt war, fast surreal“, erinnert sich Christoph Holtwisch.

Regelmäßig waren Flieger über der Stadt, Kampfhubschrauber brachten Verwundete von der nicht allzu weit entfernten Front in die Krankenhäuser. Auf einem zentralen Platz verlieh der stellvertretende Bürgermeister öffentlich Orden an Verwundete und Veteranen. Bilder, die in Deutschland unbekannt, aber Alltag sind, wenn der Krieg so nah ist.

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Heute fragt sich Christoph Holtwisch, was den russischen Präsidenten Wladimir Putin überhaupt antreibt, eine solche kriegerische Auseinandersetzung zu suchen. Rationale Argumente kann er nicht ausmachen: „Ein Faktor ist sicherlich auch, dass die Ukraine ein Beispiel dafür ist, dass es einen anderen Entwicklungsweg gibt.“ Russland gehe in Richtung Totalitarismus, die Ukraine hingegen habe einen anderen Weg eingeschlagen.

Keine Hilfe von der Nato zu erwarten

Dafür ist in seinen Augen der Umstand, dass ein Komiker Präsident werden konnte, der beste Beweis. In Russland könne man sich keinen demokratischen Machtwechsel vorstellen.

Und wie geht es weiter? Katja Holtwisch ist pessimistisch. Hilfe von der Nato erwartet sie nicht: „Die arme Ukraine muss sich allein verteidigen, was sie gegen einen übermächtigen Gegner wie Russland nicht schaffen wird.“

Dann werde Putin eine ihm genehme Regierung in Kiew einsetzen und diese Situation für Jahrzehnte zementieren. „Es weiß keiner, was danach kommt. Hoffentlich wird es hier in Europa nicht noch schlimmer.“

Enttäuschung über deutsche Politik

Von der deutschen Politik hingegen sind die Eheleute enttäuscht: „Die Verantwortlichen haben lediglich viel geredet, aber zu wenig gemacht, alle haben Angst wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen. Das macht mich wütend“, sagt Katja Holtwisch.

Ihr Mann pflichtet ihr bei: „Deutschland und Europa waren zu lange zu naiv. Bei der Sache mit den 5000 Helmen habe ich mich wirklich geschämt, das war peinlich.“ Ihm bleibt nur die Hoffnung, dass diese „Naivität“ gegenüber dem System Putin verschwunden ist.

„Wir haben das in Deutschland und Europa in den vergangenen Jahrzehnten verschlafen. Da wachen jetzt einige auf.“ Nur für die Menschen in der Ukraine ist das wahrscheinlich zu spät.