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Ahauser Unternehmen und Stadtwerke fürchten Folgen des Ukraine-Kriegs
Energiemarkt im Chaos
Russland hat die Ukraine angegriffen. Europa steht unter Schock. Die Folgen reichen bis Ahaus: Schon jetzt ist der Energiemarkt völlig im Chaos. Ahauser Unternehmen rechnen mit massiven Kosten.
Das Entsetzen über den russischen Angriff auf die Ukraine ist groß. Das Mitgefühl mit der Bevölkerung vor Ort auch. Doch die Folgen betreffen jeden einzelnen im Westmünsterland schon jetzt.
Abseits aller menschlichen Schicksale hat der russische Angriff auf die Ukraine schon jetzt den Energiemarkt endgültig durcheinander gebracht. „Das hat mit Marktgeschehen nichts mehr zu tun“, sagt Karl-Heinz Siekhaus am Donnerstagmittag. Da kommt der Geschäftsführer der Stadtwerke Ahaus gerade aus einer Besprechung zur Entwicklung der Energiepreise.
„Die Ausschläge, die wir jetzt haben, sind unglaublich“, erklärt er. Um 20 Euro pro Megawattstunde sei der Strompreis am Donnerstag hochgeschossen. „Das sind 0,2 Cent pro Kilowattstunde“, sagt er ungläubig. Zum besseren Verständnis: Der durchschnittliche Vier-Personen-Haushalt verbraucht pro Jahr 4500 Kilowattstunden Strom, die Mehrkosten liegen also bei neun Euro. Doch das ist eben auch nur der Anstieg eines Vormittags.
Energie als Spielball der Politik
„Wenn Energie zum Spielball der Politik wird, ist das für alle Beteiligten die unglücklichste Variante“, sagt er. Weil eben alle betroffen seien. „Und diesen Ball spielt die Politik nun natürlich“, sagt er. Eine Drohgebärde sei zu erwarten gewesen. „Wir sind eben abhängig von den russischen Lieferungen“, macht er deutlich.

Zu einer spontanen Friedensdemonstration kamen am Donnerstagnachmittag einige Ahauser rund um den Mahner zusammen. Dass sie damit nicht viel ausrichten würden, sei ihnen klar. Dennoch wollten sie ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine setzen. Ursprünglich hatten die Grünen die Solidaritätskundgebung organisiert, dabei aber auch alle anderen Parteien eingeladen. © Stephan Rape
Und das alles, wo sich der Energiepreis ohnehin schon auf einem unglaublich hohen Niveau befinde. Für private Verbraucher hätten die kurzfristigen Steigerungen zumindest – Stand heute – noch keine unmittelbaren Auswirkungen: „Für 2022 haben wir unsere benötigten Energiemengen größtenteils schon beschafft“, sagt Karl-Heinz Siekhaus. Einzelne Restmengen seien natürlich immens teuer. Wie sich das auf den Endkundenpreis auswirke und wie der sich insgesamt entwickle, mag er aber jetzt noch nicht abschätzen.
Thomas Spieß, Geschäftsführer der SVS-Versorgungsbetriebe die für Strom, Gas und Wasser in Stadtlohn, Vreden und Südlohn sorgen, bestätigt das. „Da reicht ja schon ein Blick auf die Energiebörse in Leipzig“, macht er deutlich. Davon seien die SVS als lokaler Anbieter angewiesen. „Mehr kann ich dazu hier vor Ort nicht sagen“, erklärt er. Zur Beschaffungspolitik in seinem Haus könne und wolle er nichts sagen. Auch die SVS würden sich aber langfristig eindecken.
Industrielle Kunden können Probleme bekommen
Zurück nach Ahaus: Während Karl-Heinz Siekhaus die privaten Strompreise noch relativ stabil einschätzt, sieht er auf industrielle Kunden größere Probleme zukommen. „Die haben teilweise ganz andere, kurzfristigere Beschaffungsmodelle“, erklärt er. Und das könne dann sogar zu Problemen mit der Liquidität führen.
Ganz so extrem sieht Udo Roeloffzen es noch nicht. Doch auch er beobachtet das Geschehen in der Ukraine und die Reaktionen auf dem Energiemarkt mit Schrecken. Der Wessumer ist Geschäftsführer eines der größten Stromverbraucher in Ahaus: die Firma Inseco. Das Unternehmen produziert Walzen und Zylinder unter anderem für die Druck- und Verpackungsindustrie. Die werden per Galvanik verchromt oder verkupfert. Ein Produktionsverfahren mit extrem hohem Stromverbrauch.
Einer der größten Stromverbraucher erwartet enorme Mehrkosten
Etwa 1,4 Millionen Kilowattstunden Strom verbraucht das Unternehmen jedes Jahr. Ungefähr so viel wie 350 Vier-Personen-Haushalte. „Die Krise wird uns ziemlich hart treffen“, sagt Udo Roeloffzen, der aktuell 75 Angestellte beschäftigt. Allein die Energie koste das Unternehmen jedes Jahr rund 275.000 Euro. Natürlich wurde auch er von den aktuellen Ereignissen am Donnerstagmorgen überrascht. Schon ohne den Krieg in der Ukraine sei er von rund 25 Prozent Mehrkosten für das kommende Jahr ausgegangen. Wie sich diese Zahlen weiter entwickeln werden, mag er noch nicht abschätzen.
Das Unternehmen hat unabhängig von der aktuellen Krise begonnen, gegenzusteuern. Auf dem Betriebsgelände wird in Kürze ein Blockheizkraftwerk installiert. Zusätzlich sollen weitere Photovoltaikanlagen auf den Hallendächern montiert werden. Den kompletten Strombedarf werde das Unternehmen damit aber nicht decken können.
Für Inseco doppelt ärgerlich: Erst vor kurzem hatte das Unternehmen einen langfristigen Vertrag zur Stromlieferung gekündigt, den Anbieter gewechselt und einen kurzfristigeren Vertrag geschlossen. „Wir wollten von gesunkenen Strompreisen profitieren“, sagt Udo Roeloffzen. Ein Schritt in die falsche Richtung, wie er befürchtet. Er gehe von massiven Erhöhungen aus.
Wie bei Strom und Gas gleicht auch der Markt mit Heizöl aktuell einem Ritt im gestreckten Galopp: Örtliche Händler sprechen von einer absoluten Katastrophe. Preise würden durch die Decke schießen und keine 15 Minuten halten. „Wir können unseren Kunden im Moment keine Preise nennen“, heißt es von einem Händler am Donnerstagmorgen. Dabei sei die Situation ja schon in den vergangenen Tagen extrem gewesen: Um sieben Cent pro Liter sei der Preis binnen weniger Tage nach oben gesprungen. Tendenz: weiter steil nach oben. Für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt mit rund 2000 Liter Heizöl-Verbrauch pro Jahr sind das mal eben 140 Euro Mehrkosten.
Insgesamt wenige Auswirkungen auf Unternehmen
„Von unmittelbaren Auswirkungen sind die Unternehmen in der Region weniger getroffen“, erklärt Dr. Daniel Schultewolter, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Borken. Ihm seien keine Unternehmen bekannt, die dorthin enge Geschäftsbeziehungen unterhalten oder Niederlassungen betreiben.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
