Echte Präzisionsarbeit leisten Luft- und Bodencrew bei einer Waldkalkung. Per Radlader wird der Streubehälter am Boden befüllt, bevor der Pilot in 25 Metern Höhe wieder abdreht zur nächsten Runde.

© Michael Schley

Helikopter kreist über Eschlohn: Präzisionsarbeit zum Wohle des Waldes

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Viele Waldböden in der Region sind übersäuert. Abhilfe soll in Südlohn eine Kalkung schaffen. Die übernimmt eine Helikopterbesatzung. Da müssen die Abläufe zwischen Luft- und Bodencrew sitzen.

Südlohn

, 06.11.2021, 17:45 Uhr / Lesedauer: 3 min

Exakt über der Ladestelle am Boden hält Christian Pfeifhofer seinen Helikopter in der Luft, am 25 Meter langen Seil hängt ein Streukübel, der sekundenschnell von seinem Partner am Boden per Radlader mit Kalk befüllt wird. Der Berufspilot dreht ab und entleert den Behälter über einem Waldabschnitt, um keine zwei Minuten später wieder am Ladeort einzutreffen. Ein echter Just-in-time-Job an diesem Donnerstag.

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Der gebürtige Südtiroler ist Berufspilot bei KMN Koopmann Helicopter in Sommerland nahe Hamburg. In diesen Tagen ist er mit seinem Hubschrauber im Auftrag des Forstbetriebsbezirks Velen in Südlohn und Velen unterwegs. Gemeinsam mit einer weiteren Besatzung. Die Aufgabe: die Kalkung des Waldes.

Waldbesitzer Bernd Schulze-Wehninck und Revierförsterin Andrea Balke prüfen den Kalk. Rund drei Tonnen werden auf einen Hektar Wald aufgebracht.

Waldbesitzer Bernd Schulze Wehninck und Revierförsterin Andrea Balke prüfen den Kalk. Rund drei Tonnen werden auf einen Hektar Wald aufgebracht. © Michael Schley

Dass dieser Beruf neben einem hohen Maß an Konzentration und Professionalität auch Geduld erfordert, zeigte sich noch zuvor am Donnerstagmorgen: Eigentlich sollte die Forstkalkung im Eschlohn früh weiter Fahrt aufnehmen, doch der Helikopter blieb am Boden. „Solange der Südlohner Kirchturm noch im Nebel liegt, kann es nicht losgehen. In der Luft ist alles weiß.“ Der Blick aus dem Hotelzimmer war für Christian Pfeifhofer eindeutig.

650 von 1800 Hektar im Bezirk werden gekalkt

Und so war auch für Revierförsterin Andrea Balke und Bernd Schulze Wehninck Warten angesagt. Der Südlohner gehört zu dem Drittel unter den 190 Waldbesitzern in der Forstbetriebsgemeinschaft, die bei der Aktion mitmachen. Andrea Balke holt eine Skizze hervor. Was rot markiert ist, wird gekalkt. „Rund 650 von 1800 Hektar im Bezirk“, berichtet sie. Dazu zählen Gescher, Velen und eben auch Südlohn.

Keine fünf Minuten dauert der Tankstopp, dann macht sich Christian Pfeifhofer schon wieder auf zum nächsten Durchgang.

Keine fünf Minuten dauert der Tankstopp, dann macht sich Christian Pfeifhofer schon wieder auf zum nächsten Durchgang. © Michael Schley

92 Euro je Hektar müssten zugezahlt werden, „die Mehrwertsteuer reißt es nach oben“. Diese muss komplett vom Waldbesitzer getragen werden. Schon viel Geld in aktuellen Zeiten. Umso erfreulicher sei es, dass sich ein Drittel daran beteilige. 90 Prozent der Maßnahme werden übrigens durch EU und Land gefördert.

Kein Zweifel: Die drei extrem trockenen Jahre hätten Spuren im Boden hinterlassen. „Da hilft auch das aktuell wieder normale Jahr 2021 noch nicht viel“, merkt Bernd Schulze Wehninck an. Für die weitere Grundwasserbildung reiche das noch nicht. „Die Speicher sind leer“, ergänzt Andrea Balke. Das sei der eine Eingriff in den Boden. Der andere sei die Übersäuerung. Bodenproben im Bereich Velen haben deutlich zu niedrige PH-Werte aufgezeigt.

Für die Revierförsterin Andrea Balke sind Waldkalkungen eine wichtige Maßnahme, damit sich er Waldbesser erholen kann. Gefördert werden Kalkungen von Land und EU.

Für die Revierförsterin Andrea Balke sind Waldkalkungen eine wichtige Maßnahme, damit sich er Waldbesser erholen kann. Gefördert werden Kalkungen von Land und EU. © Michael Schley

„Das ist nicht gut“, betont die Revierförsterin. Der Waldboden sei der zentrale Kern, von dem alles ausgehe. Kurz: kein gesunder Boden, kein gesunder Wald. Mit der Wald- respektive Bodenschutzkalkung sollen vor allem die Säuren im Boden abgepuffert werden.

Kalkung fördert Bodenerholung und macht Bäume resistenter

Neben der Landebasis liegt ein Haufen gelber Sand. Es ist allerdings der kohlensaure Magnesiumkalk, von dem drei Tonnen je Hektar ausgebracht werden. Sehr grobkörnig, merkt Schulze Wehninck an. In den kommenden sieben bis acht Jahren wird sich dieser im Boden zersetzen und den Boden vor einer weiteren Versauerung schützen – bis zu nächsten Kalkung. „Das fördert zum Beispiel die Durchwurzelbarkeit, Bäume werden gegen Extremwetterzeiten resistenter“, erklärt Andrea Balke.

In geringer Höhe über den Baumwipfeln entleert Christian Pfeifhofer den Streubehälter. Gesteuert wird er von einem GPS-System.

In geringer Höhe über den Baumwipfeln entleert Christian Pfeifhofer den Streubehälter. Gesteuert wird er von einem GPS-System. © Michael Schley

Gegen Mittag kommt das Signal aus Südlohn, der Nebel hat sich verzogen. Christian Pfeifhofer startet kurz darauf den Motor und dreht die erste Runde. Der Südtiroler hat seinen Traumberuf gefunden, das spürt man: „Ich habe lange dafür gekämpft.“ Eine echte Investition in die Zukunft: Mit rund 25.000 Euro wird man zum Privatpilot, weit über 100.000 Euro können es beim Berufspiloten werden. Das hat der 31-Jährige nach dem Abitur in Italien durchgezogen.

Jobs fliegen den Piloten dann nicht einfach zu. „Mit den dann 200 Flugstunden ist man zunächst natürlich noch unerfahren“, erklärt der Pilot. Seine Berufung gefunden hat er nun im hohen Norden Deutschlands. KMN Koopmann Helicopter ist übrigens eines der ersten Unternehmen, das Forstkalkungseinsätze in Deutschland durchführt.

Forst-  und Bodenschutzkalkungen sind nur ein Teil der abwechslungsreichen Arbeit des Berufspiloten Christian Pfeifhofer.

Forst- und Bodenschutzkalkungen sind nur ein Teil der abwechslungsreichen Arbeit des Berufspiloten Christian Pfeifhofer. © Michael Schley

Fortkalkungen sind auch für Profis schon etwas besonders, sagt Christian Pfeifhofer: „Wir müssen ja für alles den Blick behalten.“ Zum Beispiel, ob sich trotz teilweiser Sperrungen Menschen oder Autos auf den überflogenen Wegen befinden. Ebenso muss der Blick für den weiteren Flugverkehr oder auch für Hochspannungsmasten und Windräder geschärft werden.

GPS-System zeigt dem Piloten die Streubahnen an

Und: Der 31-Jährige muss den Helikopter, übrigens passend ein Typ „Eichhörnchen“, sehr niedrig über die Waldabschnitte steuern, etwa sieben bis zehn Meter über den Wipfeln. „Eigentlich lernt man ja, diese möglichst hoch zu überfliegen“, merkt der Pilot an. Die Orientierung stellt ein GPS-System sicher: „Sobald der Streuer betätigt wird, werden mir Linien angezeigt“, so der Pilot.

Nachschub am Umschlagplatz: Auch am Boden muss ein Rad ins andere greifen.

Nachschub am Umschlagplatz: Auch am Boden muss ein Rad ins andere greifen. © Michael Schley

Während des Fluges kann der Pilot die Streubahnen kontrollieren. In die GPS-Systeme können die zu kalkenden Flächen eingelesen werden, um so dem Piloten die genauen Gebietsabgrenzungen zu verdeutlichen. Rund eineinviertel Stunde dauert ein Flugabschnitt, dann muss der Südtiroler seine Basis wieder anfliegen. Der Weg vom Umschlagplatz dorthin ist bewusst kurzgehalten.

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Aufgetankt wird dort bei laufendem Motor, Zeit ist kostbar – vor allem, wenn man an diesem Morgen Zeit wegen Nebels verliert. Unruhig wird der 31-Jährige deshalb nicht. Fünf Minuten dauert das Auftanken, vielleicht mal zehn. „Dann gönn ich mir mal ein Brötchen oder erledige ein dringendes Bedürfnis“, sagt Pfeifhofer und lacht.

Noch bis Mitte des Monats sollen die Waldkalkungsmaßnahmen im Forstbetriebsrevier Velen andauern.

Noch bis Mitte des Monats sollen die Waldkalkungsmaßnahmen im Forstbetriebsrevier Velen andauern. © Michael Schley

Dann geht es aber auch schon wieder zum nächsten Turn, der Druck der Rotorblätter vervielfacht die natürliche Herbstbrise spürbar. Einige Neugierige suchen Deckung hinter einer Halle. Zwei große Sattelschlepper haben den Kalkvorrat in der Zwischenzeit wieder aufgestockt.

Mit Genugtuung schaut sich auch Andrea Balke das beeindruckende Schauspiel an der Eschlohner Straße an. Bevor der nächste Einsatz ruft. Christian Pfeifhofer lenkt den Flieger noch bis zum Sonnenuntergang.

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Am Freitag zieht es ihn zurück in den Norden, der Kollege „bleibt noch zwei Wochen“. Für den Südtiroler geht’s kommende Woche weiter Richtung Holland. „Wieder eine Forstkalkung“, berichtet er. Doch eigentlich sei der Job sehr abwechslungsreich…

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