Schwierige Haushaltslage der Stadt Selm Kämmerin gibt Ministerin Scharrenbach Mahnung mit

Schwierige Haushaltslage: Kämmerin gibt Ministerin Scharrenbach Mahnung mit
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Die Haushaltslage der Stadt Selm lässt derzeit wenig an Entwicklungen zu. Selms Kämmerin Sylvia Engemann hat jüngst in der Sitzung des Selmer Stadtrates ein düsteres Bild der aktuellen und künftigen Finanzlage der Stadt gezeichnet. Selm werde keinen ausgeglichenen Haushalt hinkriegen und müsse ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen, das letztendlich zu einem ausgeglichenen Haushalt führen soll.

Das klingt alles nicht gerade Zuversicht erweckend. Wie dramatisch ist denn nun die Haushaltslage der Stadt Selm wirklich? Dazu hat sich die Verwaltungsspitze am Rande des Neujahrsempfangs geäußert. „Es ist ernst“, bekräftigt Sylvia Engemann gegenüber der Redaktion. Nun wird demnächst die Haushaltskommission aus Politik und Verwaltung tagen. Sie ist aufgefordert, Vorschläge für das Haushaltsicherungskonzept (HSK) zu erstellen. In diesem werden Maßnahmen und Entscheidungen aufgezeigt, durch welche der Haushaltsausgleich zum nächstmöglich zu bestimmenden Zeitpunkt wieder hergestellt werden kann. Das HSK dient dem Ziel, die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Gemeinde zu sichern.

Haushaltsausgleich spätestens 2034

Für Selm bedeutet diese Entwicklung, dass die sogenannte vorläufige Haushaltsführung gilt. Demnach darf die Stadt Selm laut Sylvia Engemann nur noch Aufwendungen entstehen lassen, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind. Sie hat auch gesagt, dass alle Sparmaßnahmen, die Politik und Verwaltung angehen, nicht für einen ausgeglichenen Haushalt reichen würden. „Eben weil es nicht reichen wird, sind wir gezwungen, ein Haushaltssicherungskonzept zu erstellen“, führt die Kämmerin aus.

Die Genehmigung - so regele es die NRW-Gemeindeordnung - solle nur erteilt werden, „wenn aus dem Haushaltssicherungskonzept hervorgeht, dass spätestens im zehnten auf das Haushaltsjahr folgende Jahr der Haushaltsausgleich wieder erreicht wird“. 2034 sei das späteste Jahr, in dem Selm wieder einen Haushaltsausgleich darstellen müsse. „Den Haushaltsausgleich werden wir nicht in zwei, drei Jahren schaffen. Deswegen werden wir jetzt gemeinsam mit der Politik Maßnahmen suchen und entwickeln, gepaart mit unseren konjunkturellen Voraussagen für die nächsten bis zu zehn Jahre. Wir müssen bei vielen Sachen in die große Glaskugel gucken.“

2,5 Millionen Euro investiert die Stadt Selm in das Pumpwerk Seiland. Dazu ist sie gesetzlich verpflichtet.
2,5 Millionen Euro investiert die Stadt Selm in das Pumpwerk Seiland. Dazu ist sie gesetzlich verpflichtet. © Arndt Brede

Was ist denn für die Entwicklung Selms innerhalb dieser maximal zehn Jahre bis zum ausgeglichenen Haushalt überhaupt noch möglich? „Perspektivisch müssen wir auf Wachstum hoffen“, sagt die Kämmerin. „Jetzt ist Rezession.“ Selm habe gute Gewerbesteuereinnahmen in den letzten Jahren erzielt. „Und wir haben auch Neuansiedlungen, so dass die auch Arbeitsplätze bringen.“

Nun könnte ja beispielsweise der Abenteuerspielplatz in Bork, der als Investitionsmaßnahme von 2023 auf 2024 geschoben worden war, für dieses Jahr auch wieder auf der Kippe stehen. „Wir sind in den nächsten zwei Monaten gefordert, ein Haushaltssicherungskonzept so aufzustellen, dass wir das in Unna beim Kreis als Kommunalaufsicht vorlegen können und dass es genehmigungsfähig ist“, berichtet Sylvia Engemann. „Wenn es das ist, bekommen wir eine Genehmigung für das Haushaltssicherungskonzept und für unseren Haushalt und dürfen auch dann neue Maßnahmen umsetzen.“ Dann ende die vorläufige Haushaltsführung. „Momentan haben wir keine Planung, dass der Abenteuerspielplatz nicht komme“, bekräftigt Bürgermeister Thomas Orlowski. „Wir müssen eben warten, bis der Haushalt genehmigt wird.“

Gesetzlich vorgeschrieben

Dass gespart werden muss, darüber sind sich Politik und Verwaltung einig. Wie dick muss aber der Rotstift sein, den die Haushaltskommission ansetzen muss? Immerhin ist geplant, zwölf Millionen Euro in Maßnahmen zu investieren. „Die Investitionen, die wir haben, sind fast alles gesetzlich vorgeschriebene Investitionen“, beschreibt die Kämmerin den Spar-Spielraum. Dazu gehöre beispielsweise ein 2,5-Millionen-Euro-Invest für das Pumpwerk Seiland. „Selbst in einer Haushaltssicherung dürfen die gesetzlichen Notwendigkeiten erfüllt werden.“ Selm sei gezwungen, diese Maßnahmen zu erledigen. „Und dann müssen auch die Gelder dafür bereitgestellt werden.“

Während des Neujahrsempfangs hat Selms Bürgermeister gesagt, man müsse die Menschen mitnehmen, transparent und ehrlich sein. Wie soll das in Sachen Haushaltslage gelingen? „Da ist nicht nur die Verwaltung gefordert“, betont Orlowski. „Da ist auch die Politik gefordert. Ratsvertreterinnen und Ratsvertreter müssen nach außen gehen und die entsprechenden Informationen über die Beschlüsse und Entscheidungen des Rates weitergeben. Das werde ich auch tun in den nächsten Jahren, und da gucke ich auch nicht nach Wahlen. Denn genau da entsteht der Frust der Bürger.“

Zur Ehrlichkeit gehöre auch, dass es sukzessive Steuererhöhungen geben müsse, ergänzt Sylvia Engemann. „Aber wir müssen auch Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Abgabepflichtigen nehmen.“ Bund und Land nehme sie aber auch in die Pflicht, eine Altschuldenregelung beziehungsweise eine nachhaltige, auskömmliche, strukturelle, finanzielle Unterstützung der Kommunen hinzubekommen. Das habe sie auch NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach, dem Ehrengast des Neujahrsempfangs, mit auf den Weg gegeben. „Ich habe ihr gesagt, dass wir die erste Kommune im Kreis Unna sind, die in die Überschuldung läuft. Das konnte sie gar nicht glauben.“

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