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Nach Prott und Mecke: Soko Tierschutz erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden im Kreis Unna
Tierschutzskandal
Erst Selm, dann Werne: Zwei Tierschutzskandale in zwei Schlachthöfen erschütterten vor wenigen Wochen den Kreis Unna. Die politische Aufarbeitung hat begonnen - und es gibt schwere Vorwürfe.
Erst Prott in Selm, dann Mecke in Werne: Zwei große Tierschutzskandale erschütterten die Menschen im Kreis Unna und darüber hinaus in den vergangenen Wochen. In Schlachtbetrieben und Viehsammelstellen war es zu schrecklichen Szenen gekommen. Die Soko Tierschutz deckte beide Fälle auf.
Nun hat die politische Aufarbeitung der Vorfälle begonnen. In einer Sondersitzung des Kreisausschusses war Friedrich Mülln, Gründer der Soko Tierschutz, als Referent eingeladen.

Bilder wie diese schreckten die Menschen im Kreis Unna vor wenigen Wochen auf. Nun beginnt die politische Aufarbeitung der Vorfälle. © Soko Tierschutz e.V.
In seiner Rede beschrieb er die verheerende Situation der Milchindustrie in Deutschland. „Die bringt ständig kranke und verletzte Tiere hervor, die eigentlich auf den Höfen notgetötet werden müssen“, sagte Mülln. Denn ein Transport solcher Tiere ist verboten. Doch manche Landwirte setzten Viehhändler unter Druck, diese an kriminelle Schlachter abzugeben und so noch Profit zu generieren. „Das nennt sich Krankschlachtung und ist in der EU verboten“, verdeutlichte Mülln jedoch den kriminellen Aspekt hinter solch einem Vorgehen.
Nische im Kampf gegen Großschlachter
Das Erschreckende, das Mülln dabei beschrieb: „Der Trend geht zu immer kleineren Betrieben, den ansonsten so angesehenen Landschlachtern und ,Metzgern des Vertrauens‘. Diese Betriebe sehen so eine profitable Nische, um gegen die Großschlachter anzukommen“, erklärte Mülln den Politikern im Ausschuss die Hintergründe.
Die Politiker hatten jedoch noch eine weitere bittere Information zu schlucken: In allen vier Fällen, bei denen die Soko Tierschutz seit 2018 Schlachthöfe mit illegalen Krankschlachtungen aufgedeckt hatte, gab es, so Mülln, „immer ein krachendes Versagen des Veterinäramtes. Amtliche Veterinäre tauchten erst mal gar nicht auf, halfen bei Straftaten mit oder sahen gezielt weg.“ Schwere Vorwürfe, die da plötzlich im Raum standen.
Vorwürfe gegen das Kreisveterinäramt
Zumal Mülln konkret wird: So sei es auch im Fall Mecke und Prott gewesen. „Hier glänzte das Amt in der entscheidenden Zeit über Wochen mit Abwesenheit“, teilte Mülln mit. Gegenüber unserer Redaktion erklärte er: „Leider wird immer noch die Geschichte gebetsmühlenartig wiederholt, man wäre ausgetrickst worden. Das ist aber zumindest in beiden Fällen unwahrscheinlich, denn bei Prott gab es innerhalb von Wochen keine legale Schlachtung. Das müsste genauso aufgefallen sein wie die Anwesenheit von Rindern auf einer reinen Pferdeumladestation“, spielt Mülln auf die Vorfälle bei Mecke in Werne an.
Der Gründer der Soko Tierschutz ist aber nicht nur deshalb wütend: „Es ist empörend, dass es beim Amt und seinen externen Mitarbeitern bisher keine personelle Konsequenzen gab und diese entweder völlig unfähigen oder befangenen Kräfte nach wie vor eingesetzt werden“, ärgert er sich. „Wir fordern personelle Konsequenzen, auch in der Amtsleitung, und vor allem ein hartes Vorgehen gegen Landwirte, welche diese kranken Tiere produzieren“, schloss Mülln.
Grüne haben mehr Fragen als Antworten
Ein Zug, auf den die Grünen im Kreistag nun aufspringen. Auch sie fordern eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle. „Auch die Sondersitzung des Ausschusses für Gesundheit- und Verbraucherschutz, in der Herr Mülln von der SOKO Tierschutz mit deutlichen Worten gegenüber der Verwaltung zugegen war, ließ am Ende mehr Fragen offen als es Antworten gab“, teilten sie mit.

Für den Fraktionsvorsitzenden Herbert Goldmann und seine Grünen im Kreistag gibt es derzeit mehr offene Fragen als Antworten. © Stefan Milk
Die Frage, wie es denn sein könne, dass Betriebe wie der Schlachthof Prott in Selm oder Mecke in Werne jahrelang mit hoher krimineller Energie das System für sich ausnutzen konnten, um Profit auf Kosten des Tierschutzes zu erwirtschaften, ohne dass die Behörden hiervon etwas mitbekämen, bleibe weiterhin unbeantwortet.
Forderung nach einem Umdenken
„Und wenn schon klar ist, dass wir ein System im Land haben, das illegale Machenschaften fördert, wieso setzen dann die Behörden, auch andernorts, nicht endlich Zeichen, anders damit umzugehen? Wo waren die konkreten Vorschläge, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verändern und anzupassen, um eine ordnungsgemäße Kontrolle zu ermöglichen?“, fragt Fraktionsvorsitzender Herbert Goldmann. „Sich jetzt auf diese Vorschriften und personeller Engpässe zu berufen, überzeugt nicht vollends.“
Jahrgang 1979, aufgewachsen und wohnhaft in Bergkamen. Magister-Studium in Münster in Soziologie, Wirtschaftspolitik und Öffentlichem Recht. Erste Sporen seit 1996 als Schülerpraktikantin und dann Schüler-Freie in der Redaktion Bergkamen verdient. Volontariat und Redakteursstellen im Sauerland sowie Oldenburger Münsterland. Seit zehn Jahren zurück in der Heimat und seit Mai 2022 fest beim Hellweger angestellt.
