Gericht spannt Bogen von Seppenrade bis Tampere
Prozess gegen Selmer Bandido
Kann ein Linkshänder so zuschlagen, dass die Verletzungen aussehen, als stammten sie von einem Rechtshändler? Wer hat in wessen Auftrag Drogen geschmuggelt? Diesen Fragen ging das Landgericht Münster am Freitag nach. Es war der 25. Tag im Prozess gegen einen Bandido aus Selm.

Die Prozessakten im Bandidos-Verfahren umfassen 35 dicke Ordner.
Vom westfälischen Seppenrade bis ins finnische Tampere spannte sich der Bogen am Freitag im Bandidos-Prozess am Landgericht Münster. Immer ging es um die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen. Dessen Aussagen über Amphetamin-Geschäfte hatten auch einige finnische Rocker vor Gericht gebracht. Der Kronzeuge will mehrfach Amphetamin-Öl, das der Selmer Angeklagte besorgt haben soll, im Auftrag der Bandidos nach Tampere geschmuggelt haben.
"Iceman" zog seine Aussage zurück
Im Prozess in Tampere bestätigte sich das nicht. Das geht aus dem finnischen Urteil hervor, das der Vorsitzende der 3. Großen Strafkammer in wesentlichen Passagen vorlas. Demnach hatte ein finnischer Bandido mit dem Spitznamen Iceman vor der Polizei zunächst Amphetamin-Geschäfte mit dem deutschen Kronzeugen eingeräumt. Die seien allerdings nur zwischen ihnen beiden gelaufen. Ohne Beteiligung der Rockerclubs. Vor Gericht nahm Iceman selbst diese Aussage wieder zurück. In Wahrheit habe er das bei ihm gefundene Amphetamin im Internet gekauft und mit der Online-Währung Bitcoin bezahlt. Diese letzte Version hielt das finnische Gericht für glaubhaft.
Finnische Richter müssen nicht nach Münster reisen
All dies geht aus dem finnischen Urteil hervor. Deshalb hält es die Strafkammer nicht für nötig, die finnischen Richter in Münster als Zeugen zu vernehmen. Einen entsprechenden Antrag der Verteidigung lehnte sie ab. Im Übrigen hätten die Amphetamin-Funde in Tampere nichts mit den Anklagepunkten im deutschen Verfahren zu tun.
Außerdem ging es am Freitag noch einmal um den Raubüberfall auf einen Südkirchener Dealer, den der Kronzeuge zusammen mit einem englischen Bandido auf einem Feldweg in Seppenrade verübt haben will. Der Engländer soll den Dealer mit einem Quarzhandschuh im Gesicht verletzt haben. Dessen Verteidiger ziehen dies in Zweifel, weil ihr Mandant Linkshänder sei, die Verletzungen aber nur von einem Rechtshänder stammen könnten. Ein Rechtsmediziner konnte dazu am Freitag keine Klarheit schaffen. Die Verletzungen, so der Arzt, könnten auf verschiedene Arten entstanden sein. Auch durch den Faustschlag eines Linkshänders, falls das Opfer den Kopf gedreht hat. Die Verteidigung behielt sich die Vorlage weiterer Expertisen vor.
Der Prozess wird am nächsten Dienstag fortgesetzt.