Duldung der Zeltstadt für Geflüchtete in Bork Stadt Selm und Politik erhöhen Druck aufs Land

Duldung der Zeltstadt: Stadt Selm und Politik erhöhen Druck aufs Land
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Die Bezirksregierung Arnsberg hat beantragt, die Nutzung der Notunterkunft für Geflüchtete in Bork zu verlängern. Und zwar um ein halbes Jahr bis zum 30. Juni 2024. Derzeit duldet die Stadt Selm die Zeltstadt bis zum 31. Dezember 2023. Ob diese Duldung verlängert wird, liegt auch in den Händen des Stadtrates in Selm. Den aktuellen Sachstand erfuhren die Kommunalpolitikerinnen und -politiker am Mittwoch, 20. September, in der Ratssitzung. Und sie positionierten sich deutlich.

Das tat zunächst auch Bürgermeister Thomas Orlowski, indem er erklärte, dass die Stadt Selm einer weiteren Duldung „unter den jetzigen Voraussetzungen“ nicht zustimmen werde. Entsprechend machte er deutlich, welche Bedingungen und Forderungen an eine Zustimmung zu einer verlängerten Duldung die Stadt Selm knüpft.

Unverzüglich informieren

Die Notunterkunft in Bork solle einer zentralen Unterbringungseinrichtung gleichgestellt werden. Das bedeutet, dass Integrationsangebote in einer solchen Unterkunft ausgeweitet werden, finanziert vom Land. Dazu gehören unter anderem ausgedehnte Sprachkurse und auch Orientierungskurse über die gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Gegebenheiten in Deutschland.

Dies sind Angebote, die über das hinaus gehen, was derzeit bereits in der Zeltstadt angeboten wird. „Wir haben jetzt schon in der Notunterkunft Menschen mit Bleibeperspektive, die seit Monaten dort sind, weil die Asylverfahren sich in die Länge ziehen“, sagt Thomas Orlowski.

Maximal sollten 400 bis 500 Personen in der Zeltstadt untergebracht werden, und nicht mehr bis zu 750. Zum Thema Kommunikation sagte Orlowski: „Wenn es um organisatorische Veränderungen geht, möchten wir unverzüglich informiert werden.“

Schon jetzt arbeitet ein Umfeldmanager in der Zeltstadt, der als Ansprechpartner für die Geflüchteten fungiere, sagt Orlowski. Die Stadt Selm habe die Möglichkeit, das Jugendzentrum Sunshine für jugendliche Flüchtlinge zu nutzen. Zudem sollen Geflüchtete Räume des Förderzentrums Nord nutzen können, um gemeinsam zu kochen. Und in der Sporthalle am Förderzentrum können sie Sport betreiben.

Der Rat der Stadt Selm soll am 16. November über die Verlängerung der Duldung der Zeltstadt entscheiden.
Der Rat der Stadt Selm soll am 16. November über die Verlängerung der Duldung der Zeltstadt entscheiden. © Günther Goldstein

Diese derzeitigen Integrationsbemühungen bekräftigte der Gast in der Ratssitzung: Dr. Christina Schaefer als Vertreterin der Bezirksregierung. Sie erklärte zu den Bedingungen und Forderungen, an die die Verlängerung und Duldung seitens der Stadt und der Kommunalpolitik geknüpft ist: „Die Reduzierung der Kapazität in der Notunterkunft als Kernforderung für die im Raum stehende Verlängerung ist angekommen und die werden wir auch ernst nehmen.“

Die Entscheidung darüber werden auf Ministeriumsebene getroffen. „Dem Ministerium ist sicher eine Einrichtung mit 400 bis 500 Personen auf dem Stadtgebiet der Kommune Selm lieber als gar keine.“ Die Angleichung der Notunterkunft an eine zentrale Unterbringungseinrichtung sei „auf dem Weg und ein gutes Stück vorangeschritten“. So würden zum Beispiel die Erstorientierung und die Sprachkurse durch ministerielle Erlasse begleitet.

Somit könne man laut Schaefer schon heute nicht mehr von einer Notunterkunft sprechen, auch wenn sie aus Leichtbauhallen besteht. „Das, was dort angeboten wird, gleicht sich immer mehr einer Zentralen Unterbringungseinrichtung an.“ Sie verhehlte aber auch nicht, dass das Land „händeringend“ dabei sei, weitere Liegenschaften für die Unterbringung zu finden. „Die Lage zwingt uns dazu, weil sich die Flüchtlingszahlen so darstellen, dass das gesamte Asylsystem an jeder Ecke ächzt.“

Das sagen die Fraktionen

In der Ratssitzung haben sich auch die Fraktionen zur möglichen Verlängerung der Duldung der Zeltstadtnutzung positioniert.

  • Ralf Piekenbrock bekräftigte für die Familien-Fraktion die Notwendigkeit, die Belegungszahlen in der Notunterkunft herunterzufahren und die Notunterkunft von den Rahmenbedingungen einer zentralen Unterbringungseinrichtung gleichzustellen.
  • Für die SPD erklärte Fraktionschef Hans-Jürgen Walter: „Wir sind für die Verlängerung, aber unter einigen Bedingungen.“ Zum Beispiel, dass das Duldungskonzept durch den Rat der Stadt Selm bestätigt werden müsse. Zum Konzept müsse die Reduzierung der Flüchtling gehören, ebenso wie eine Verbesserung der Privatsphäre innerhalb der Zeltstadt, sowie eine Ausdehnung der Sprachkurse, Transparenz in der Kommunikation von oben und verbesserte Freizeitmöglichkeiten für die Geflüchteten.
  • „Wir in Selm sind an einer Verlängerung interessiert“, sagte CDU-Fraktionsvorsitzende Claudia Mors. „Den Flüchtlingen muss geholfen werden, und wenn es erst mal dadurch geht, dass sie eine Unterkunft haben und später fest zugewiesen werden.“ Auch die CDU sei für eine Reduzierung der Anzahl der Geflüchteten, für eine Ausdehnung der Integrationsmaßnahmen und eine Angleichung der Notunterkunft an Standards einer Zentralen Unterbringungseinrichtung, die dann auch vom Land finanziert werden müssten.
  • Für die FDP-Fraktion erklärte Klaus Schmidtmann: „Die Kommunikation von der Bezirksregierung zur Stadt, Politik und zu den Bürgern ist gleich Null.“ Die jetzige angestrebte Zusammenarbeit und Verbesserung der Kommunikationswege bezeichnete er als gut.
  • UWG-Fraktionschef Dr. Hubert Seier erklärte, man müsse schon jetzt anfangen, die angesprochen Forderungen umzusetzen. „Wir sollten nicht abwarten bis die Verlängerung der Duldung durch ist.“
  • Für die Fraktion „Gemeinsam für Selm“ erklärte Fraktionschef Wolfgang Jeske, dass er diese Informationen aus erster Hand während der Ratssitzung positiv finde. „Wir werden dem Verlängerungsantrag zustimmen.“
  • Auch die Grünen-Fraktion werde die Verlängerung mittragen und sei froh über die Angebote des gemeinsamen Kochens. Für die Sprachkurse müssten Menschen gefunden werden, die sie geben.

Zum Thema Zeltstadt soll es auch noch einmal eine Bürgerversammlung vor dem 16. November geben, kündigte der Bürgermeister an. An diesem Tag stimmt der Stadtrat über die Verlängerung der Duldung ab. Unterdessen hat die Bezirksregierung sich dafür entschieden, die Belegung der Zeltstadt in Bork zu deckeln. Jedenfalls erklärte Dr. Christina Schaefer: „Wir werden regelmäßig 750 Menschen in der Einrichtung haben. Aber nicht mehr.“

In einer früheren Version hatten wir einen falschen Fraktionsnamen veröffentlicht. Die betreffende Fraktion heißt „Gemeinsam für Selm“ und nicht, wie irrtümlich berichtet, „Wir für Selm“. Wir bitten um Entschuldigung.

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