Melanie Offergeld hatte Rederecht in der Ratssitzung am Mittwoch, 20. September. Das nutzte sie, um die Kommunalpolitikerinnen und -politiker darüber zu informieren, was ihre Petition zur Flüchtlingssituation in Selm bewirken soll.
Auf fünf Seiten legt die Selmerin, die nach eigener Aussage nicht weit entfernt von der Zeltstadt für Geflüchtete in Bork wohnt, dar, warum sie diese Petition stellt. Offergeld sagt: „Ein politisches Umdenken im Bereich der Asylpolitik ist zwingend notwendig. Die Asylpolitik muss sich in wesentlichen Bestandteilen ändern, um die notwendige Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen. Nur so ist es möglich, eine adäquate Integration sicherzustellen und leben zu können. Selbiges betrifft Ängste der Bürger, welche derzeit durch zahlreiche Berichte in sozialen Medien die Ängste in der Bevölkerung schüren.“
Dem Stadtrat gegenüber erklärte Melanie Offergeld: „Ich widme mich nicht nur den Belangen der Bürger, sondern auch den Belangen der Asylsuchenden, die zwischenzeitlich ebenfalls Kontakt mit mir aufgenommen haben, um Missstände innerhalb der Einrichtungen zu schildern.“ Sie präsentiere ein Konzept, „welches allen Beteiligten gerecht werden kann, wenn es nicht nur auf Papier verschriftlicht, sondern auch mit Leben gefüllt und gelebt wird“. Und zwar über jegliche Parteigrenzen hinweg, unter konstruktiver Zusammenarbeit der etablierten Parteien, Bürger sowie der Bundes- und Landesregierung.

Forderungen aus der Petition
Dies sind in Auszügen die Forderungen der Petition:
Punkt 1 - Kommunikation:
- Gefordert wird ein enger Dialog mit Anwohnern und Asylsuchenden. Anwohner dürfen nicht, wie bisher, vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Asylsuchende sollten zeitnah bzgl. ihrer Bleibeperspektive und des Bearbeitungsstandes ihres Asylantrages informiert werden.
- Bürger müssen in Entscheidungen mit einbezogen werden, z.B. durch Bürgerumfragen oder Bürgerversammlungen zu einer Tageszeit, in der es auch der berufstätigen Bevölkerung möglich ist, an der Veranstaltung teilzunehmen.
Punkt 2 - Transparenz:
- Politik auf Bundes- und Landesebene muss für Anwohner in einer barrierefreien Sprache erfolgen. Die derzeitige Intransparenz trägt zu Unmut innerhalb der Gesellschaft bei, da Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt werden, ohne dass mit ihnen einmal der Weg der Kommunikation und Aufklärung gesucht wird.
- Anwohner müssen über aktuelle Geschehnisse informiert werden. Dies betrifft auch Ereignisse innerhalb und außerhalb der Unterkunft für Flüchtlinge und Asylsuchende. Das Verschleiern von Vorfällen weckt bei Anwohnern das Gefühl, dass sie von der Politik und Bezirksregierung nicht ernst genommen werden.
- Aktuelle Belegungszahlen der Einrichtungen müssen den Anwohnern genauso vermittelt werden wie anderweitige Unterbringungsmöglichkeiten und deren Bedingungen. Nur so werden sich Bürger in den Prozess involviert fühlen.
Punkt 3 - Sicherheitsgefühl:
Durch zahlreiche Vorkommnisse schwindet das Sicherheitsgefühl, deswegen wird gefordert:
- Keine Notunterkunft ohne Polizeiwache, bzw. mobile Wache in unmittelbarer Nähe einer Einrichtung für Flüchtlinge und Asylsuchende
- Ausbau der Funktionen des Ordnungsamtes z.B. im 2-Schicht-System. Die Präsenz des Ordnungsamts wird die Polizeipräsenz nicht ersetzen, schafft aber bei den Bürgern Sicherheit. Zudem hat bei vielen Bürgern und auch Asylsuchenden eine Uniform einen symbolischen Charakter.
- Präsenz der Polizei auf Schulwegen und öffentlichen Veranstaltungen. Gerade Kinder und Frauen bedürfen erhöhter Aufmerksamkeit, da sich diese Gruppen statistisch gesehen eher verunsichert fühlen als Männer.
- Abschließbare Schränke in Einrichtungen für Flüchtlinge und Asylsuchende, um Streitigkeiten um Besitztümer zu verhindern.
- Aufstockung des Personals in Einrichtungen für Flüchtlinge und Asylsuchende, um frühzeitig bei Konflikten vermitteln zu können.
Punkt 4 - Wohnraum:
Um Asylsuchende dauerhaft aufnehmen zu können, wird gefordert:
- Ausbau von adäquatem und finanzierbarem Wohnraum. Für die Bürger in den Kommunen ist immer weniger finanzierbarer Wohnraum vorhanden. Deswegen muss dieser geschaffen werden, um sowohl den Bürgern als auch den Asylsuchenden Wohnraum anbieten zu können.
- Prüfung leerstehender Immobilien auf Umbaumöglichkeiten. So müssten keine Containerdörfer errichtet werden. Zudem kann dieser Wohnraum auch nach der Flüchtlingskrise als Sozialwohnraum angeboten werden.
- Generelle Änderung der Belegungszahlen von Erstaufnahme- und Notunterkünften. Da in diesen Einrichtungen Menschen auf engstem Raum ohne jegliche Privatsphäre untergebracht werden, muss sich generell etwas an dem Konzept ändern. Allein in Selm-Bork müssten die Belegungszahlen auf 250 Asylsuchende reduziert werden.
- Schaffung von integrativen Infrastrukturen, um eine Integration überhaupt zu ermöglichen, z.B. Teestuben, multikulturelle Zentren. Hier bedürfen die Kommunen der Unterstützung des Landes.
- Bei der stetig steigenden Anzahl von Asylsuchenden müssen die Flüchtlinge, die sich derzeit in Deutschland befinden, zuvor in geeignetem Wohnraum untergebracht und integriert werden, bevor man den Schritt geht weitere Asylsuchenden in Deutschland aufzunehmen.

Punkt 5 - Forderungen explizit für die Asylsuchenden:
- Geschaffen werden muss eine adäquate und menschenwürdige Unterbringung. Auch die Kommunen müssen hierbei vom Land unterstützt werden.
- Möglichkeiten schaffen, die eigene Kultur und Religion auszuleben, z.B. Gebetsräume
- Schnellere Bearbeitung von Asylanträgen
- Adäquate gesundheitliche Vor- und Fürsorge
- Abwechslungsreiche Beschäftigungsmöglichkeiten und Freizeitaktivitäten
- Aufstocken des Personals auf allen Ebenen, z.B. Sicherheitspersonal und Sozialdienst
- Um die Arbeitskraft in Deutschland durch die Zuwanderung zu stärken, bedarf es einer schnelleren Ausstellung der Arbeitserlaubnis oder Einleitung des Anerkennungsverfahrens sowie einer Gleichwertigkeitsprüfung.
- Integration beginnt mit der Sprache. Hierfür ist es zwingend erforderlich, Sprachkurse zeitnah und verpflichtend anzubieten.
- Umsetzung von Gesellschafts- und Gesetzeskunde: Gesetze und gesellschaftliche Belange sind in allen Kulturen anders. Deswegen ist es wichtig, Normen und Werte in Deutschland zeitnah und verpflichtend zu vermitteln.
- Regelmäßige Überprüfung des Providers auf adäquate Umsetzung der Hygienerichtlinien und respektvollen Umgang mit Asylsuchenden.
Punkt 6 - Mitspracherecht:
Um die Bürger in die Asylproblematik mit einzubeziehen ist ein Mitspracherecht zwingend erforderlich. Nur so kann man eine Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung erreichen. Deswegen wird gefordert:
- Umsetzung von Bürgerumfragen in Belangen, die die Bürger betreffen, um Bürger in Entscheidungen mit einzubeziehen
- Informationsabende, um Informationen und Fragestellungen zeitnah weitergeben zu können. So wird den Bürgern die Möglichkeit gegeben, sich Informationen direkt von der zuständigen Stelle einzuholen.
- Einbeziehen des Stadtrats in Beschlüsse. Alleingänge von Bürgermeistern dürfen nicht toleriert werden, wenn diese Konsequenzen für Anwohner und Asylsuchende haben. Stadtratsmitglieder symbolisieren die Stimme der Bürger und sollten deswegen in Entscheidungen mit einbezogen werden.
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