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Abrechnungsaffäre: Die wahren Ausmaße von Seiers Doppelabrechnungen
Kommunalpolitik
Zehn doppelt abgerechnete Stunden hat Dr. Hubert Seier in der Abrechnungsaffäre bislang eingeräumt – nun gibt er dem Druck nach und äußert sich ausführlich zu seinen Abrechnungen.
Dr. Hubert Seier (UWG) gibt dem öffentlichen Druck nach und räumt Doppelabrechnungen in viel größerem Umfang als bislang ein. In einer an diesem Freitag auf der Internetseite der UWG veröffentlichten Stellungnahme geht er ausführlich auf die Umstände ein, ehe er sich nach seitenlanger Rechtfertigung in der Schlussbemerkung ganz am Ende bei den Bürgerinnen und Bürgern von Stadt Selm und Kreis Unna für sein Verhalten entschuldigt.
Der Stellungnahme zufolge haben Stadt- und Kreisverwaltung Seier Doppelabrechnungen im Umfang von 60 Stunden seit 2017 nachgewiesen. Seitdem ist der Selmer Kommunalpolitiker, der bereits seit 2004 Ratsmitglied in Selm ist, Mitglied des Kreistags in Unna und hat Fraktions- und Teilfraktionssitzungen teilweise gleichzeitig mit Stadt- und Kreis abgerechnet. Dass an seinen Abrechnungen etwas nicht in Ordnung sein könnte, war im Zuge der Berichterstattung dieser Redaktion über die Abrechnungsaffäre im Kreistag aufgefallen. Wie berichtet, hat die Staatsanwaltschaft in der Folge gegen ihn und zwei weitere Kreistagsmitglieder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Aus Seiers Stellungnahme geht hervor, dass er für seinen Verdienstausfall einen Stundensatz in Höhe von 50 Euro geltend macht – damit hätte er seit 2017 in Summe 3000 Euro mutmaßlich unrechtmäßig kassiert.
Abrechnungsaffäre: „Essenzielle Persönlichkeitsrechte“
Seier hatte auf Anfrage dieser Redaktion zunächst Doppelabrechnungen im Umfang von zehn Stunden eingeräumt, sich allerdings ausdrücklich nur auf die laufende Wahlperiode bezogen. Angaben zu früheren Jahren hatte er da nicht gemacht.
In seiner nun veröffentlichten Stellungnahme begründet er seine Zurückhaltung unter anderem mit dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, das diese Redaktion gegen die Stadt Selm angestrengt hatte. „Ich habe bis zum bekannten Beschluss […] gegenüber der Presse die exakten Vergütungen nicht angegeben, weil meinem Verständnis nach Verdienstausfallzeiten mit entsprechender Vergütung […] unter Datenschutzaspekten nicht zu veröffentlichen sind.“ Und weiter heißt es: „Diese Daten tangieren essenzielle Persönlichkeitsrechte.“ Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sah das anders.
Erstaunlich freizügig geht Seier nun mit Informationen über Einnahmen in Verbindung mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit um. Demnach hat er für seine Ratsarbeit in Selm im Jahr 2021 neben einer monatlichen Pauschale in Höhe von 1252 Euro Verdienstausfallleistungen in Höhe von 9950 Euro erhalten und zusätzlich Sitzungsgelder in Höhe von 1400 Euro für Aufsichtsräte; macht summa summarum gut 26.000 Euro.
Vom Kreis Unna hat er seinen Angaben zufolge neben seiner monatlichen Pauschale in Höhe von 1365,90 Euro Sitzungsgelder in Höhe von 1780,80 Euro für Gremien wie Ausschüsse und Fraktionssitzungen erhalten. In Verbindung mit seinen Mitgliedschaften in der VBU-Gesellschafterversammlung sowie dem VBU-Aufsichtsrat hat er demzufolge 2850 Euro erhalten. Die Entschädigungsleistungen für Verdienstausfälle in Verbindung mit seinem Kreistagsmandat gibt Seier mit 10.622,49 Euro an, zudem hat er den Angaben zufolge Fahrtkosten in Höhe von 616,80 Euro erhalten. Unterm Strich macht das gut 32.200 Euro.
Seier erhält für Politik mehr als der Durchschnittsverdiener
Demnach hat Dr. Hubert Seier im Jahr 2021 in Verbindung mit seiner kommunalpolitischen Tätigkeit also Leistungen in Höhe von fast 60.000 Euro erhalten – Einnahmen, die freilich zu versteuern sind. Dafür, so geht es aus der Stellungnahme hervor, investiert Seier durchschnittlich 25 Stunden pro Woche in die politische Arbeit. „Außerdem weise ich darauf hin, dass ich diese politische Arbeit nur leisten kann, weil ich Kundenaufträge abgelehnt und die Betreuung langjähriger Kunden an Geschäftspartner abgetreten habe“, heißt es in der Stellungnahme. Dadurch sei sein Einkommen als Unternehmensberater von mehr als 100.000 Euro auf 62.000 bis 84.000 Euro gesunken – inklusive der Entschädigungen, wie Seier betont.
Bemerkenswert ist die Tonalität in der Stellungnahme, in der Dr. Hubert Seier ausführliche Hintergründe zu seinem politischen Werdegang und zu Aufwands- und Verdienstausfallentschädigungen gibt. In dem Papier rechtfertigt er sich vor allem, wenngleich er sich am Ende zu einer Entschuldigung durchringt – aber eben nur in seiner Schlussbemerkung. „Es war ein Fehler meinerseits und heute weiß ich, dass meine Abrechnungen nicht korrekt waren.“