
Sozialdezernent Tim Frommeyer: Die Stadt ist an ihre Grenzen gestoßen. Zur Flüchtlingsaufnahme soll nun auch der Bürgersaal genutzt werden. © Mühlbauer/Rous
Sozialdezernent: Erstmals wird das Schwerter Rathaus zur Unterkunft für Flüchtlinge
Mehr Geflüchtete
Einfache Trennwände, gemeinschaftliche Toiletten und Nasszellen. Die Stadt bereitet wieder provisorische Flüchtlingsunterkünfte vor. Darunter befindet sich erstmals das Rathaus selbst.
Nach dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2014/2015 hatte die Stadt Zug um Zug die Notunterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen und anderen notdürftig umgerüsteten Gebäuden zurückgefahren. Selbst einige extra eingerichtete Unterkünfte, wie an der Emil-Rohrmann-Straße, wurden wieder aufgegeben.
Stadt: Stoßen an unsere Grenzen
Angesichts neuer Flüchtlingsströme steht man jetzt erneut vor dem Problem, die Ankömmlinge unterzubringen. Am Donnerstag (22.9.) kündigte die Stadt an, erneut Turnhallen zu belegen. Und erstmals will man auch direkt im Rathaus Geflüchtete aufnehmen – und zwar im Bürgersaal.
In einer Pressemitteilung dazu heißt es: „Die Stadt Schwerte stößt hart an ihre Grenzen, was die Unterbringungsmöglichkeiten für geflüchtete Menschen angeht. Neuer Raum kann zurzeit nur in Turnhallen entstehen.“
Die Sporthalle an der Wasserstraße in Westhofen soll die erste werden, die zur Aufnahme geflüchteter Menschen hergerichtet werden soll. Auch im Bürgersaal des Rathauses sollen bereits ab kommender Woche Menschen untergebracht werden.
Für 34 Menschen bislang keine Unterkunft gefunden
545 Geflüchtete halten sich derzeit in Schwerte auf. „Eine Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht“, sagte der zuständige Dezernent Tim Frommeyer. Allein im September erreichten 94 neue Geflüchtete die Hansestadt, 34 müssen noch untergebracht werden. Das Problem: Es stehen aktuell keine Unterkünfte mehr zur Verfügung, weder städtische noch private.

Die Turnhalle an der Wasserstraße soll nun erneut als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden. © Bernd Paulitschke
60 Prozent aus der Ukraine
Der neue Flüchtlingsstrom ist nicht nur durch den Krieg in der Ukraine verursacht. „Bei den Flüchtlingen, die derzeit ankommen, handelt es sich zu 60 Prozent um Menschen aus der Ukraine. 40 Prozent kommen aus anderen Ländern nach Schwerte“, erklärte Stadtsprecher Ingo Rous auf Anfrage.
Dezernent Tim Frommeyer appelliert an die Schwerterinnen und Schwerter, weiter privaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Einen ähnlichen Aufruf hatte er auch schon während der Ratssitzung gestartet.
Teilweise ein Dutzend Menschen pro Tag
„Wir sind am Limit, was die Unterbringungsmöglichkeiten betrifft und werden perspektivisch auch in Turnhallen ausweichen müssen,“ betont auch Sozialamtsleiterin Christiane Klanke, die Lage sei ernst. Ende August habe man diese Entwicklung noch nicht absehen können.
„Die Taktung der Zahlen ist massiv, wir reden teilweise von über einem Dutzend Geflüchteten pro Tag, die der Stadt Schwerte zugewiesen werden und uns aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes erreichen“, so Klanke. Die Stadt Schwerte suche jetzt zudem das Gespräch mit den von der Schließung der Halle betroffenen Sportvereinen und informiere sie über den Sachstand.
Bereits vor Wochen hatte der Städte- und Gemeindebund auf die zu erwartende angespannte Lage aufmerksam gemacht. Viele Städte und Gemeinden, darunter auch Schwerte, fordern vom Land eine Erhöhung der Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen.
Auch 2014 bis 2016 wurden Turnhallen belegt
Die Belegung von Turnhallen für Geflüchtete ist in Schwerte nichts Neues. 2014 und 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle, hatte die Stadt bereits mehrere Turnhallen provisorisch umrüsten lassen. Später gab es dann sogar Container in Ergste und ein ganzes Containerdorf neben der Gesamtschule Gänsewinkel. In der Spitze waren sechs Schwerter Turnhallen zu Notunterkünften umgerüstet worden, vier davon wurden aber gar nicht in Anspruch genommen.
Erst Mitte 2016 wurden die meisten Hallen wieder leer gezogen. Darunter befand sich auch die Sporthalle an der Wasserstraße. Die musste anschließend renoviert werden, wegen eines Wasserschadens, der aber offensichtlich schon vor der Nutzung als Unterkunft entstanden war. Im März 2017 stand die Halle dann wieder den Sportlern zu Verfügung.

Nur fünf Kochplatten standen in dem zur Küche umfunktionierten Geräteraum der Turnhalle zur Verfügung. © Reinhard Schmitz (A)
Bundesweit so viele Geflüchtete wie nie
Schwerte ist mit dem Problem nicht alleine. Immer mehr Städte stoßen bei der Aufnahme von Flüchtlingen an ihre Grenzen. Denn zu den rund einer Million Geflüchteten aus der Ukraine kommen immer mehr Menschen, die aus anderen Ländern geflüchtet sind, vor allem aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und der Türkei.
Rund 115.000 haben seit Februar zum ersten Mal einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Zusammengerechnet sind das mehr Geflüchtete als 2015, dem Jahr mit der bislang höchsten Zahl an registrierten Asylanträgen.
Ist mit Überzeugung Lokaljournalist. Denn wirklich wichtige Geschichten beginnen mit den Menschen vor Ort und enden auch dort. Seit 2007 leitet er die Redaktion in Schwerte.
