So geht es hinter den Kulissen des Reichshofs zu
Serie: Perspektivwechsel
Während die Gäste frühstücken und im Anschluss Schwerte erkunden, stehen für Jutta Max und Christina Ehrenberg im Hotel Reichshof jede Menge Arbeiten an. Wir haben das Team des Betriebs für unsere Serie Perspektivwechsel begleitet und einen arbeitsreichen Start in den Tag miterlebt.

Nette Geste für die Gäste: Die Frühstückseier kommen mit lachenden Gesichtern an den Tisch.
Am 18. Oktober 1899 genehmigte der damalige Schwerter Bürgermeister Emil Rohrmann die Pläne für den Bau des größten Schwerter Hotels. 118 Jahre später steht der Reichshof immer noch am Hauptbahnhof. Heute wird er unter der Leitung von Jutta Max bereits in der dritten Generation geführt. Seit 1932 steht das Hotel unter der Leitung ihrer Familie.
In der Küche riecht es bereits nach Kaffee. Immer wieder läuft neuer schwarzer Muntermacher aus den silbernen Düsen der alten Palux. Genau wie der Reichshof selbst, ist die Maschine ein echtes Schätzchen. Seit den 1980er-Jahren verrichtet sie ihre Dienste in der kleinen Küche neben dem Speisesaal. „Nach Kaffee fragen die Leute morgens immer zuerst“, sagt Christina Ehrenberg, die gerade eine frische Kanne abfüllt.
Hinter den Kulissen des Reichshofs
Seit 17 Jahren arbeitet die 42-jährige Schwerterin im Reichshof. Ihr Arbeitstag beginnt um kurz vor sechs mit dem Vorbereiten des Frühstücksbüffets. Dann deckt sie die Tische ein, bereitet Wurst- und Käseplatten vor, schneidet Gemüse und füllt Joghurt in kleine Schälchen.
Eier mit kleinen Wollmützen erfreuen die Gäste
Die Eier stellt sie in einen kleinen Kocher – und erweckt sie kurze Zeit später zum Leben. „Ich male noch ein kleines Gesicht auf die Eier. Das sorgt immer für viel Schmunzeln bei unseren Gästen“, sagt Christina Ehrenberg und lacht.
Dann setzt sie den Eiern kleine Wollmützen auf. 70 bis 80 dieser kleinen Ei-Männchen finden in einer Woche ihren Weg in den Frühstücksraum. Um halb sieben kommen die ersten Gäste. „Eigentlich ist erst ab 7 Uhr Frühstück. Es gibt aber immer mal wieder Gäste, die früher raus wollen. Das bekommen wir dann auch hin.“
Ab halb acht wird es dann voller im Frühstücksraum. Die Dezibelzahl der morgendlichen Geräuschkulisse nimmt stetig zu. Immer lauter werdendes Schwedisch bahnt sich seinen Weg in die Küche. Es kommt von einer größeren Gruppe Männer, die nach und nach den halben Frühstücksraum einnehmen.
Der Besuch der Schweden läutet die Hauptsaison ein
„Die Schweden kennen wir mittlerweile sehr gut. Sie läuten jedes Jahr die Hauptsaison bei uns ein“, sagt Ehrenberg. Bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 war die Gruppe das erste Mal im Reichshof zu Gast. Seitdem kommen sie jedes Jahr zum Urlaubmachen wieder. Immer gegen Anfang April. Doch sie sind bei weitem nicht die einzigen Dauergäste. Viele Besucher sind dem Personal gut bekannt.
„Wir haben einen Lokführer, der einmal wöchentlich bei uns schläft und viele Gäste, die eigentlich jedes Jahr kommen. Ein Mann hat sogar einmal eineinhalb Jahre am Stück bei uns gewohnt“, erinnert sich die 42-Jährige. Der Hoesch-Arbeiter lebte während seiner kompletten Montage-Zeit im Reichshof.
Während Ehrenberg Wurst- und Käsescheiben aus der Schneidemaschine laufen lässt, um am Büffet für Nachschub zu sorgen, guckt immer mal wieder ein neues Gesicht in die Küche, um nach Teewasser oder frischem Kaffee zu fragen. Eine vertraute und familiäre Atmosphäre macht sich breit. Das liegt vor allem auch daran, dass die Küche nicht nur dem Hotel dient, sondern auch die Privatküche von Chefin Jutta Max ist.
Aufgabenbereich einer Seelsorgerin
Auch sie wohnt mit ihrer Familie in dem Gebäude. „Das ist für mich auch das Schöne am Hotel. Hier ist alles sehr privat. Ich führe auch viele persönliche Gespräche mit unseren Gästen. Mein Bruder ist Theologe. Aber er sagt immer, dass meine Aufgaben oft nicht weniger seelsorgerisch seien, als seine“, sagt Ehrenberg.
Dann kehrt im Frühstückbereich langsam Ruhe ein. Trubel und reich gefüllte Teller weichen leisen Gesprächen und leeren Tellern. Dann verlässt auch der letzte Gast den kleinen Frühstücksraum mit dem blauen Teppich und den hölzernen Stühlen und Tischen.
Ehrenberg beginnt die Tische abzuräumen. Nach und nach wandert das ganze Geschirr in die Spülmaschine. Nach zehn Minuten sind alle Spuren der Gäste beseitigt. Dann ist das Büffet dran. Wurst und Käse landen auf kleinen Silbertablets wieder im Kühlschrank. Marmelade und Tomaten reihen sich daneben ein. Nur die kleinen Eiermännchen sind restlos verschwunden.
Von der Küche direkt ins Büro
Nachdem alles verstaut ist, endet die Arbeit in der Küche. Dann geht die 42-jährige Mutter zur Rezeption. Denn auch Büroarbeit gehört zu ihrem Job. Neben jeder Menge Papierkram ist das natürlich auch das Ein - und Auschecken der Gäste. Auch Touristiktipps sind immer mal wieder gefragt.
Während Ehrenberg an der Rezeption steht, durchsucht ein Mann die Stadtpläne, die links daneben an der Wand hängen. Sie sind eigentlich für Fahrradtouristen. Der Gast sucht allerdings nach einer Autorote. Er will das Stadion von Borussia Dortmund besichtigen. Ehrenberg kramt eine alte Landkarte hervor. Ihr Finger gleitet über die bunten Linien auf der alten Karte.
Der Mann versucht sich alles genau einzuprägen. Dann bedankt er sich und verlässt das Hotel. Da er Deutsch spricht, war die Kommunikation in diesem Fall einfach. Doch egal woher ein Mensch kommt, einen Kommunikationsweg findet Ehrenberg immer.
Verständigung mit Händen und Füßen
„Wir haben auch Gäste aus Brasilien oder Indien, die kein Wort Englisch sprechen. Aber mit Händen und Füßen kommt man Ende irgendwie immer zurecht“, weiß die Hotelfachfrau.
Sobald die meisten Gäste das Hotel für diesen Morgen verlassen haben, geht es an die Zimmerpflege. Die übernimmt heute die Chefin persönlich. Auch wenn das nicht der Normalfall ist, weiß Jutta Max noch, wie es geht. Denn genau wie Ehrenberg hat sie das Geschäft von der pike auf gelernt.
Nach einer dreijährigen Ausbildung zur Hotelfachfrau, eineinhalb Jahren im Interconti in Köln, einem halben Jahr in Spanien, der Rückkehr nach Köln, diesmal im Maritim-Hotel, einer Fortbildung in Dortmund und weiteren Jahren im Maritim, kam die Schwerterin letztendlich doch wieder in ihre Heimat, um den Familienbetrieb im September 1995 zu übernehmen.
Die Treppe hoch - zum Zimmer mit der Nummer 23
„Das war natürlich nie mein Plan. Ich wollte immer raus in die Welt, aber man weiß ja, wie sowas dann kommt“, erzählt die 52-Jährige und lacht.
Über eine alte Holztreppe, die den einzelnen Schritten mit einem leichten Knarren quittiert, geht sie in die zweite Etage. Max öffnet Zimmer Nummer 23 – die Wäsche und Putzkammer. Unzählige Laken ruhen dort hinter alten Holztüren. Müllsäcke und Putzzeug warten in der Mitte stehend auf ihren Einsatz.
Max nimmt sich einen größeren Beutel. Dann geht es in Raum Nummer 27. Sie dreht die Heizung ab, öffnet das Fenster, leert die Mülleimer und zieht die Betten ab. „Der Gast ist heute abgereist. Wenn er noch länger bleiben würde, müsste ich es nicht abziehen“, sagt die Chefin.
Jeder Gast hat seine Geschichte
Dann geht es zurück in Raum 23. Die 52-Jährige kehrt mit Putzzeug und frischer Bettwäsche zurück. Nachdem sie dann Spannbettlaken eine Weile bearbeitet hat, ist auch der letzte Knick auf der weißen Fläche verschwunden. Dann wird das Kissen geschüttelt. Ein paar leichte Handkantenschläge in die Mitte sorgen für die nötige Optik. Mit der Bettdecke ist das Bett wieder frisch – und empfangsbereit.
„An den Zimmern kann ich oft schon die Nationalitäten der Besucher erkennen. Da gibt es schon Unterschiede, zum Beispiel bei der Ordnung“, erzählt Max augenzwinkernd. Dann widmet sie sich dem Bad. Alles wird gewischt und geputzt, bis der Raum wieder glänzt. Frische Handtücher – fertig. 19 Zimmer auf drei Etagen müssen so bei Vollbesetzung auf Vordermann gebracht werden.
Mit jedem Gast verbindet Max auch eine ganze besondere Geschichte. „Da gab es wirklich schon skurrile Fälle. Einmal wurde ein Mann auch von der Polizei abgeholt. Der wurde schon länger gesucht. Da war ich aber noch kleiner. Ich weiß aber noch, wie mein Vater damals den Hintereingang abschloss und ich mich zurückziehen sollte. Da war mir schon mulmig“, erinnert sich Max.
Privatkonzerte mit Künstlern
Es seien aber vor allem die schönen Geschichten, die in Erinnerungen bleiben und wegen derer der Job so viel Spaß macht. „Durch das Welttheater der Straße haben wir immer wieder tolle Künstler bei uns und auch schon mal ein kleines Privatkonzert.
Und zu ihrem fünfjährigen Jubiläum kamen unsere Schweden mit einer großen Baisertorte. Das ist eigentlich das wirklich Schöne. Die ganz kleinen Sachen“, sagt Max.
Gegen Mittag sind alle Zimmer frisch. Das Hotel fast leer, die Gäste unterwegs. Mit ihrer Rückkehr startet der Kreislauf dann von Neuem. Bis der morgendliche Kaffeeduft wieder durch die Flure weht, gibt es noch jede Menge zu tun. Denn so richtig schläft das kleine Hotel eigentlich nie.