Klara Loser (19): „Die Hoffnung steht auf dem Schreibtisch“

© Reinhard Schmitz

Klara Loser (19): „Die Hoffnung steht auf dem Schreibtisch“

rn„Mensch, wie glücklich bist du?“

„Wohnen ist das Dach, und Leben ist das Fenster“: So formulierte es ein Studienkollege von Klara Loser (19). Sie begann in Corona-Zeiten ihr Studium. Ein richtiges Studenten-Leben gibt es nicht.

Schwerte

, 14.03.2022, 15:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Was haben zwei Jahre Corona mit uns gemacht? Wie geht es uns damit? Empfinden wir noch Glück? Wie hat sich unser Leben verändert? An unserer Umfrage „Mensch, wie glücklich bist du?“ haben auch Schwerter Leserinnen und Leser teilgenommen. Und wir haben Menschen getroffen, die uns erzählen, wie sie die letzten zwei Jahre erlebt haben. Im achten Teil unserer Serie berichtet Klara Loser (19) vom Beginn ihres Studiums.

Ich erinnere mich noch gut an den ersten Tag des Studiums: Es war ein sonniger Herbstmorgen – sehr klischeehaft. Die Fachschaft wartete an der S-Bahn-Haltestelle und ein bunter Haufen Erstsemester wuselte ihnen hinterher zu den Begrüßungsveranstaltungen. Im Nachhinein ist es fast schon bizarr, wie sorglos diese ersten paar Tage und Wochen verliefen.

Jetzt lesen

Mit Journalistik bin ich einem der Studiengänge gelandet, die sich glücklich schätzen können: Wir sind ein kleiner Studiengang und die Veranstaltungen konnten beinahe alle in Präsenz stattfinden. In der einen Vorlesung, die von Beginn an online stattfand, wurde schnell deutlich, welche Vorzüge die Präsenz-Lehre hat.

Ja, vielleicht war es auch der Uhrzeit geschuldet – 18 bis 20 Uhr ist eine undankbare Zeit. Aber die Online-Vorlesungszeit wurde dann doch eher mit Kochen, Backen oder Scrollen verbracht, als mit Aufmerksamkeit auf eigentlich interessante Inhalte.

„Leben ist das Fenster“

Anfangs war das okay. Es war nur die eine Veranstaltung und drumherum war das Leben. Wie ein Fachschafts-Mitglied es in der ersten Woche formulierte: „Wohnen ist das Dach, und Leben ist das Fenster.“ Mit steigenden Inzidenzen wandelte sich die Bedeutung diese Metapher: Zur Uni gingen wir zwar weiterhin, aber drumherum kam langsam aber sicher wieder Vieles zum Erliegen.

Jetzt lesen

Man traf sich noch mit den engeren Freunden, aber unter einem „richtigen“ Studenten-Leben versteht man dann doch etwas anderes als Kochabende und gemeinschaftliches Tatortgucken. So schön das auch sein mag. Spannende Aktivitäten waren dann keine Club-Besuche, sondern aus dem Fenster die Straße beobachten, während auf dem Balkon gegenüber ein kleines Mädchen versucht, Seifenblasen einzufangen.

Auch schön, aber nicht das Gleiche.

Vergleichsweise okay

Es fühlt sich jedes Mal wieder falsch an, sich darüber zu beschweren, nicht feiern gehen zu können. Oder über die Auswirkungen dieser Zeit auf die mentale Gesundheit. Schließlich stirbt man daran nicht. Man verliert auch nicht seine Existenz. Und wie gesagt, ich habe es vergleichsweise gut. Es gibt auch die Erstsemester, die bisher kaum einen Fuß in einen Hörsaal gesetzt haben. Dass ich mich darüber beschwere, neue Leute nur innerhalb der Bubble des Instituts für Journalistik kennenzulernen, ist Luxus.

Jetzt lesen

Und trotzdem ist das hier unser Leben. Trotzdem sitzt eine ganze Generation zuhause und schaut dabei zu, wie die Zeit verstreicht. Und die Erfahrungen, die sie eigentlich sammeln wollten – eigentlich sammeln sollten – fliegen scheinbar vorbei. Da hilft auch kein „das wird man alles nachholen können“. Das ist ein abgedroschener Kommentar, der nichts an der aktuellen Situation ändert. Da sind die Studierenden, denen die Decke auf den Kopf fällt. Da sind die Abiturienten, deren Pläne, ins Ausland zu gehen, über den Haufen geworfen wurde. Da sind die Menschen, deren mentale Gesundheit leidet. Es sind nicht wenige.

So zu leben, wie jetzt gerade, ist tolerierbar. Für eine Weile. Umgeben mit den richtigen Leuten, ist es okay. Man macht das Beste daraus. Man kocht zusammen. Geht spazieren. Guckt Filme. Sitzt zusammen in der Bib. All das ist schön und gut. Aber so richtig lebendig fühlt es sich nicht an. Irgendwas fehlt.

Irgendwann muss es wieder besser werden

Was wir noch haben, ist die Hoffnung. Dass es irgendwann mal wieder besser wird. Besser bleibt. Das ist unser Strohhalm, an den wir uns klammern. Eine Freundin schenkte mir letztens ein Bild von einem blauen Himmel, mit dem Wort „HOFFNUNG“ darauf. Wir sagen jetzt immer, die Hoffnung stehe auf dem Schreibtisch. Weil sie das tut. Und irgendwo muss sie ja sein.

Wir machen jetzt Pläne für den Sommer. Reisen in den Süden. Konzerte. Ausgelassene Sommerabende. Wein auf dem Balkon. Picknick im Park. Da ist die Hoffnung auch wieder. Dass all das wieder stattfinden wird. Dass wir dann mal leben werden. Dass wir das Fenster aufstoßen können, an dessen Scheibe wir seit Monaten kleben.