Schalke-Legende Olaf Thon wird 50 Jahre alt
"Komm, Olaf, noch einen Angriff"
Gefeiert wird diesmal nur im kleinen Kreis: Olaf Thon vollendet am 1. Mai sein 50. Lebensjahr. Der gebürtige Gelsenkirchener, der seit vielen Jahren in Schermbeck wohnt, ist ein Fußballer, auf den die Charakterisierung "Schalke-Legende" ohne Zweifel zutrifft. Wir haben "Thöni" mit elf Stichworten konfrontiert, die er mit Leben gefüllt hat.

Der Kapitän der Schalker-Eurofighter, Olaf Thon (r.), feiert seinen 50. Geburtstag. Neben ihm: Youri Mulder, mit dem er hier den UEFA-Cup-Sieg 1997 bejubelt.
Olaf Thon über...
... sein erstes Profispiel: Das war im Parkstadion mit 17 Jahren in der Zweiten Liga. Wir haben 3:0 gegen den SC Charlottenburg gewonnen, wo übrigens der heutige Bundestorwart-Trainer Andreas Köpke im Tor stand. Bis ich mein erstes Tor erzielt habe, hat es noch ein paar Monate gedauert. Als es dann das erste Mal geklingelt hatte, war der Knoten bei mir geplatzt. Am Ende meiner ersten Profisaison kam ich auf 14 Treffer.
... das 6:6 im DFB-Pokal-Halbfinale 1984 gegen Bayern München: Das war am 2. Mai, einen Tag nach meinem 18. Geburtstag. Den haben wir in Beckhausen in der Gaststätte "Zum Krug" bis um 2 Uhr in der Nacht gefeiert. Rudi Assauer hat Bier gezapft. Dann wurde aufgeräumt und es ging ins Trainingslager in die Lohmühle nach Marl.
Unvergessen bleibt für mich die Nachspielzeit in diesem Pokalkrimi, als Schiedsrichter Wiesel mir in der 125. Minute an der Mittellinie zurief: "Olaf, komm, noch einen Angriff." Und dann ist mir das 6:6 gelungen. Unglaublich.
... der Abstieg mit Schalke im Jahr 1988: Die Verantwortlichen hatten damals bei ihrer Transferpolitik kein glückliches Händchen. Das Konzept, um Toni Schumacher und mich eine Mannschaft mit vielen Nobodys aufzubauen, scheiterte. Unterm Strich war dieser Abstieg mehr als verdient.
... seinen Wechsel zum FC Bayern München: Der Abstieg war für mich das Signal, Schalke zu verlassen. Das Ausland reizte mich, es gab Angebote aus Piräus, Verona und von Atletico Madrid. Doch dann meldete sich der FC Bayern. Uli Hoeneß und Jupp Heynckes riefen im Wechsel fast täglich an. Und kurz vor der Europameisterschaft sagte ich dann den Bayern zu, weil ein Wechsel ins Ausland zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn gemacht hätte.
... der WM-Sieg 1990: Nach einem ersten guten Jahr in München hatte ich mit sehr vielen Verletzungen zu kämpfen. Ausgerechnet im WM-Jahr musste ich durch zwei Bänderrisse lange Zwangspausen hinnehmen. Das war brutal, ich fiel rund fünf Monate aus und konnte erst im April 1990 wieder in der Bundesliga spielen. Doch Teamchef Franz Beckenbauer nahm mich trotzdem mit zur WM nach Italien. Dort habe ich mich ins Turnier gekämpft. Nach dem Einsatz gegen Kolumbien folgte die Partie gegen England mit meinem Elfmetertor, das den Weg ins Halbfinale ebnete. Deshalb fühle ich mich auch als Weltmeister.
... Rückkehr zu Schalke im Jahr 1994: Schon zwei Jahre zuvor wollte ich zu Schalke zurück. Eigentlich war schon alles klar, doch dann veränderte sich meine Situation. Unter Bayern-Trainer Erich Ribbeck spielte ich Libero und kam auf dieser Position sehr gut zurecht. Und dann kam plötzlich ein Anruf von Schalke-Präsident Günter Eichberg, der mir sagte: „Olaf, ich habe vollstes Verständnis, wenn Du in München bleibst.“ Da musste ich schmunzeln, denn es war wohl eher so, dass Schalke wieder mal kein Geld hatte. Aber mir war das ganz recht und so blieb ich in München.
Bis mich Rudi Assauer 1994 dann von der Rückkehr zu Schalke überzeugte. Er kam zu mir nach München und ließ den Taxifahrer mit laufendem Motor fast zwei Stunden warten, bis er meine Zusage hatte. Schalke bezahlte an die Bayern rund drei Millionen Mark, wie sie das angesichts der schwierigen Finanzlage damals geschafft haben, weiß ich bis heute nicht. Assauer ließ sich auch nicht davon beirren, dass ich wegen einer Achillessehnenoperation sieben Monate ausfiel.
... der UEFA-Cup-Triumph 1997: Assauer hat mit wenig Geld eine phänomenale Mannschaft zusammengestellt. Wir haben das Finale gegen Mailand zwar glücklich, aber verdient gewonnen, weil jeder Spieler in unserer Mannschaft besondere Qualitäten hatte. Nehmen Sie zum Beispiel Ingo Anderbrügge: Keiner hat so hart und präzise geschossen wie er. Es passte alles.
... das Karriereende im Jahr 2002: Es war mit 36 Jahren überfällig. Die Sprunggelenke waren mein Hauptproblem. Es ging einfach nicht mehr, nachdem ich beim Bundesligaspiel in Hamburg umgeknickt war. Danach kam ich nur noch sporadisch zum Einsatz. Insgesamt bin ich mit meiner Karriere zufrieden. Es war zwar noch mehr drin, doch ich habe trotz vieler Verletzungen auch Glück gehabt. Ich erinnere da immer wieder an Michael Skibbe, der alles für eine große Laufbahn mitbrachte, aber früh wegen eines Kreuzbandrisses aufhören musste.
... Aufsichtsrat Thon stimmt Assauer-Entmachtung zu: Das war keine schöne Situation, aber ich stehe zu dieser Entscheidung. Rudi war nicht mehr tragbar, er konnte seine Aufgaben nicht mehr so ausfüllen, wie es notwendig gewesen wäre. Aber wir wussten zu diesem Zeitpunkt nichts von seiner Demenz-Krankheit, die sich damals schon abgezeichnet hatte. Wenn ich heute mit ihm an der Havanna-Bar im Stadion sitze, denke ich gern an die alten Zeiten zurück. Rudi Assauer ist neben Ernst Kuzorra die Figur auf Schalke. Der Verein hat ihm sehr, sehr viel zu verdanken.
... seine Trainerkarriere: Ich hätte es wie Mike Büskens machen müssen, um im Trainerbereich Fuß zu fassen. Buyo hat sich von der Pike auf dem Trainerjob verschrieben. Bei mir gab es zu viele Unterbrechungen, weil ich in anderen Bereichen gearbeitet habe. Ich hatte eine schöne Zeit als Trainer beim VfB Hüls, doch es fehlte dann der nächste Schritt, um im Profibereich Fuß zu fassen. Diese Problematik sehe ich auch bei ehemaligen Spielern wie Kahn oder Effenberg. Es fehlt bei ihnen ein kontinuierlicher Aufbau für den Trainerjob. Wenn nicht Unvorhergesehenes passiert, wird es einen Trainer Thon nicht mehr geben. Es sei denn, Willi Landgraf braucht für seine U 15 noch einen Helfer (augenzwinkernd).
... neue Herausforderungen: Ich bin für Schalke seit drei Jahren wieder im Marketingbereich tätig. Außerdem kümmere ich mich als Abteilungsleiter um die Schalker Traditionself. Wenn Christian Heidel hier als neuer Manager beginnt, werde ich ihm auch mal die Spiele unserer Klublegenden ans Herz legen. Außerdem arbeite ich regelmäßig für die Fernsehsender Sport 1 und NTV. Sie merken also: Ich habe genug zu tun, doch es macht sehr viel Spaß.
Zur Person:
Olaf Thon wurde am 1. Mai 1966 in Gelsenkirchen geboren. Er spielte zunächst von 1972 bis 1980 in den Jugendmannschaften der STV Horst-Emscher und wechselte dann zum FC Schalke 04. Am 5. August 1983 debütierte er für Schalke in der 2. Bundesliga. Am 24. August 1984 absolvierte Thon sein erstes Spiel in der Bundesliga gegen Borussia Mönchengladbach.
Als Mittelfeldspieler und als Libero war er bis 2002 443-mal (82 Tore) in der Bundesliga für den FC Schalke 04 und den FC Bayern München aktiv. Mit den Münchnern wurde er 1989, 1990 und 1994 Deutscher Meister. Nach seiner Rückkehr zu Schalke gewann er mit den „Eurofightern“ 1997 den UEFA-Cup und 2001 und 2002 den DFB-Pokal. Am 18. Januar 2003 absolvierte er sein Abschiedsspiel, Schalke und Bayern München standen sich gegenüber.
Thon trug zwischen 1984 und 1998 52-mal das Trikot der A-Nationalmannschaft und erzielte drei Treffer gegen Dänemark (1986), Israel (1987) und Dänemark (1988). Er nahm an den Weltmeisterschaften 1986, 1990 und 1998 teil. Drei Jahre (2005 bis 2008) war er Mitglied im Schalker Aufsichtsrat, 18 Monate Trainer des VfB Hüls. Seit 2013 arbeitet Thon wieder für die Königsblauen.