Die Bundesstraße 235 zwischen Olfen und Lüdinghausen: viel befahren und überwiegend mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ausgestattet. „Viel zu schnell“, meint Anwohnerin Janine Schultz. Nach einem schweren Verkehrsunfall an der Einmündung der Lüdinghauser Straße (B 235) in den Schliekerpark hatte sie eine Onlinepetition gestartet mit dem Ziel, dass höchstens noch Tempo 70 erlaubt wird. Es ist der zweite Versuch von Janine Schultz, die gegenüber der Einmündung zum Schliekerpark wohnt, die Situation zu entschärfen.
Kreis Coesfeld, Polizei und Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW) haben die Situation dort offenbar angesehen und haben Janine Schultz die Entscheidung mitgeteilt.
„Im Ergebnis der Prüfung wird (…), einvernehmlich mit den (…) beteiligten Stellen, festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Geschwindigkeitsreduzierung auf 70 km/h hier nicht vorliegen“, heißt es in einem Schreiben der Abteilung Straßenverkehr beim Kreis Coesfeld an Janine Schultz, das der Redaktion vorliegt. Im Wesentlichen sind es gesetzliche Vorgaben, die der Kreis bei seiner Entscheidung gegen Tempo 70 vorbringt. „Der Gesetzgeber hat gemäß Paragraf 3 Absatz 3 Nr. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge auf 100 km/h festgesetzt“, heißt es unter anderem im Schreiben.

Übliche Gefahrenlage hinnehmen
Es gebe zwar vonseiten der Straßenverkehrsbehörde die Möglichkeit, die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken. Aber nur dort, „wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten ist“. Wenn also eine besondere Gefahrenlage bestehe. Nur dann „eröffnet sich für die Straßenverkehrsbehörde ein Ermessen im Hinblick auf die Entscheidung.
Diese wird dann von hier im Benehmen mit der Polizei und dem Straßenbaulastträger getroffen und ist an den Grundsätzen der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und insbesondere der Verhältnismäßigkeit auszurichten. Dabei ist dann auch die Bedeutung der B235 als klassifizierte Bundesstraße, welche der Abwicklung des überregionalen Verkehrs dient, zu berücksichtigen. Die Verkehrsbelastung lag bei der letzten Verkehrszählung mit 7.207 Kfz/24h unter dem landesweiten Durchschnitt von Bundesstraßen“, führt der Kreis Coesfeld aus
Zwei Unfälle mit Schwerverletzten
Was ist aber eine solche Gefahrenlage, die zu einer Änderung der bestehenden Verhältnisse auf der B 235 zwischen Olfen und Lüdinghausen führen könnte? Der Kreis erklärt dazu, eine solche Gefahrenlage „könnte beispielsweise durch eine besondere Unfalllage gegeben sein. Von der Kreispolizeibehörde Coesfeld wurde die Unfalllage im betreffenden Abschnitt der B235 für die Jahre 2019 bis 2023 ausgewertet.
Laut Unfallstatistik ereigneten sich in dem Zeitraum zwei Unfälle mit Schwerverletzten. Einer in 2019 und einer jetzt in 2023. Ansonsten wurden keine weiteren Verkehrsunfälle polizeilich aufgenommen. Danach liegt hier keine Auffälligkeit vor, die eine erheblich übersteigende Gefahrenlage im Sinne der genannten Vorschrift begründen könnte“. Der Kreis Coesfeld teilt Janine Schultz weiter mit: „Dies bedeutet auch, dass eine ,übliche‘ Gefahrenlage in Kauf zu nehmen ist.

Straßen.NRW und die Kreispolizeibehörde Coesfeld haben ihr „OK“ zur Entscheidung des Kreises Coesfeld gegeben. Das ist dem Schreiben an Janine Schultz zu entnehmen. Auch die Stadt Olfen war zu einem Statement aufgefordert worden. Das lautet so: „Da die Unfallstatistik unauffällig ist und die B 235 gut einzusehen ist, sind keine weiteren Maßnahmen zu treffen.“
Wie reagiert Janine Schultz auf die Absage des Kreises Coesfeld? „Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass man nicht auf die Petition eingegangen ist“, antwortet sie auf eine Anfrage der Redaktion. „Ich hatte zum Schluss um die 240 Unterschriften und einige Kommentare von Personen, die selber auch betroffen davon sind, da sie im Schliekerpark wohnen und es selber Tag für Tag mitbekommen. Ich verstehe, dass man Gesetze einhalten muss, aber es gibt doch bestimmt auch Sonderregelungen. Es wird leider viel zu selten auf Bürger gehört. Leider ist es zum zweiten Mal abgelehnt und ich werde nichts mehr unternehmen. Damit müssen wir dann leider leben und hoffen, dass keine schlimmen Unfälle mehr passieren.“
Angemessene Geschwindigkeit
Diese Hoffnung hat der Kreis Coesfeld wohl auch, appelliert aber an die Vernunft. Denn im Schreiben an Janine Schultz zitiert er wie folgt aus der Straßenverkehrsordnung, und zwar aus Paragraf 3 Absatz 1: „Danach darf nur so schnell gefahren werden, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.“
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