Wenn Fremde in die eigene Wohnung eindringen

Einbruch-Spezial

Seit 2005 sind die Wohnungseinbrüche in NRW um knapp 38 Prozent gestiegen. Aber wer ist Schuld am unaufhörlichen Anstieg der Einbruchszahlen? Was machen Polizei und Politik dagegen? Was sind Folgen für die Opfer? Wie können Bürger sich selber schützen? In unserem Einbruch-Spezial erfahren Sie es.

NRW

, 03.08.2015, 06:30 Uhr / Lesedauer: 5 min
Die Karte zeigt, wie viele Einbrüche es im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner gab. Es handelt sich dabei um sogenannte "Häufigkeitszahlen".

Die Karte zeigt, wie viele Einbrüche es im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner gab. Es handelt sich dabei um sogenannte "Häufigkeitszahlen".

Es sieht aus, als wäre NRW Einbrechern ausgeliefert. Wohnungseinbrüche werden kontinuierlich mehr. 2010 waren es 44.769, 2014 dann 52.796 und allein im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 33.566 Einbrüche gezählt – weit mehr als zur Halbzeit im Vorjahr. 

Eine vage Antwort gibt es auf die Frage nach dem Warum: NRW-Innenminister Ralf Jäger spricht von „überregionalen Intensivtätern“. Gemeint sind besonders mobile Banden aus Süd-Ost-Europa, die die gute Infrastruktur in NRW ausnutzen würden, sind sich Polizei und Politik einig. Über die Autobahn ins Zielgebiet, rein in die Wohnung und mit der Beute wieder zurück ins Ausland. 

Warum geht die Polizei von mobilen Täterbanden aus Süd-Ost-Europa aus?

Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber: "Dass wir es größtenteils mit diesen Banden zu tun haben, geht aus der täglichen Ermittlungsarbeit und aus eigenen Erhebungen hervor", sagt Frank Scheulen, Sprecher des Landeskriminalamtes NRW.

"Gründe dafür sind die EU-Osterweiterung und besonders das Wohlstandsgefälle in Europa. Da gibt es Bevölkerungsgruppen die in bitterer Not und Armut leben."

Gibt es Gegenstimmen?

Arne Dreißigacker, ehemaliger Polizist und Diplom-Soziologe beim Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) findet, die Polizei generalisiere zu viel: Betrachte man die wirklich gefassten Täter, spielten die Banden eine untergeordnete Rolle. "Das liegt auch an der hohen Dunkelziffer der Täter", sagt Dreißigacker. Nur 15,4 Prozent betrug die Aufklärungsquote der Polizei in NRW 2014.

"Die Aufklärungsquote ist eine Täuschung", sagt Prof. Dr. Christian Pfeiffer vom KFN. "Diese Zahlen sind verschleiert. Dazu zählen auch Einbrüche, bei denen man nur einen Verdächtigen hatte. In Wirklichkeit zählt doch, ob es zur Anklage oder Verurteilung kommt. Und die Verurteilungsquote liegt bei 2,6 Prozent", sagt Pfeiffer. "Der Rest kann seine kriminellen Erfolge genießen."

Woran liegt das?

Das soll kein Vorwurf an die Polizei sein: "Es gibt einfach zu wenig Personal. Es sind so viele Schwerpunkte dazugekommen: Salafismus, Rocker, entlassene Sexualstraftäter, Internetkriminalität – für einen Fokus auf Einbrüche gibt es schlichtweg zu wenig Polizisten", sagt Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. 

Wie reagiert das NRW-Innenministerium?

"Wir arbeiten weiterhin mit dem Personal, das wir haben", sagt Daniela Lindemann, Sprecherin des NRW-Innenministeriums. Als Reaktion auf die vermehrten Einbrüche habe man bereits den Kontroll- und Fahndungsdruck verstärkt. Denn die Bekämpfung der Täter habe höchste Priorität.

Deswegen werde an bewährten Maßnahmen festgehalten. Lindemann nennt zum Beispiel das Konzept "Mobile Täter im Visier", bei dem spezialisierte Fahnder über Behördengrenzen hinweg alle Erkenntnisse zu Intensivtätern auswerten. Diese "werden tagesaktuell in Fall- und Täterdatenbanken allen Polizisten zur Verfügung gestellt", erläutert Innenminister Jäger in einer Pressemitteilung. Einen Schulterschluss zwischen Ermittlungsbehörden gebe es laut Lindemann nicht nur deutschland-, sondern zunehmend auch europaweit. Die Einbruchszahlen steigen überall.

In NRW sei es entgegen des Gesamttrends zumindest in der ersten Jahreshälfte 2014 gelungen, die Einbrüche zu reduzieren. Waren die Zahlen in den ersten Halbjahren bis 2013 kontinuierlich bis auf 30.544 angestiegen, sanken sie 2014 immerhin um 458. Lindemann spricht daher von Erfolgen und bewährten Konzepten, ungeachtet der aktuellen Zahlen. „Man muss die Entwicklung abwarten.“

Lassen sich Einbrüche überhaupt verhindern?

Dass Polizei und Politik angesichts der Einbrüche vor Herausforderungen stehen, lässt sich an den Zahlen allemal ablesen. „Zu 100 Prozent verhindern lassen sich Einbrüche nicht“, gibt Artur Pollner, Dienststellenleiter des Kriminalkommissariats Kriminalprävention und Opferschutz in Gelsenkirchen zu bedenken.

"Wichtig ist, dass der Bürger mitarbeitet. Wir brauchen Hinweise, um Täter auf frischer Tat zu fassen. Zudem sollte sich jeder auch selbst schützen", sagt Scheulen vom LKA . 

Wie kann ich mich als Bürger schützen?

Mit Sicherheitsschlössern und Riegeln an Fenstern, Türen und Kellerschächten könne man es Tätern aber schwerer machen, meint Artur Pollner. Alarmanlagen können eine Ergänzung sein. Aber bei der Beratung der Polizei gibt es das ungeschriebene Gesetz: Mechanik vor Technik."

5 einfache Tipps für mehr Sicherheit in den eigenen vier Wänden:

  • Türen immer abschließen und Fenster geschlossen halten
  • Schlüssel nie draußen deponieren
  • Außenbereiche bei Dunkelheit ausleuchten
  • Rollladen morgens öffnen und abends schließen
  • Alle Fenster und Türen mit Sicherheitstechnik verriegeln

Wie, wann und wo Einbrecher am liebsten zuschlagen und wie schlimm die Erfahrungen für Opfer sind, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Wie sieht ein durchschnittlicher Einbruch aus?

"Der Schwerpunkt der Taten ist in der dunklen Jahreszeit. Im Oktober steigen die Zahlen, im November und Dezember erreichen sie ihren Höhepunkt", sagt Arne Dreißigacker, ehemaliger Polizist und Diplom-Soziologe, der an einer Analyse des Wohnungseinbruchsdiebstahls des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen (KFN) beteiligt ist.

Allerdings scheuen die Diebe anscheinend die Nacht. Vier von fünf Einbrüchen passieren laut der Studie, bei der 2500 Einbruchsopfer aus fünf verschiedenen Städten befragt und 4000 Strafakten untersucht wurden, zwischen 6 und 21 Uhr.

Laut der Studie waren Mehrfamilienhäuser häufiger Ziel eines Einbruchs (65,1 Prozent) als Einfamilienhäuser. In den Mehrfamilienhäusern suchten sich die Täter am häufigsten die Wohnungseingangstür als Einbruchstelle aus (55,8 Prozent). Bei Einfamilienhäusern verschafften sich die Diebe durch eine Fenstertür (40,7 Prozent) oder durch ein normales Fenster (40,4 Prozent) Zutritt – die Haustür spielte eine untergeordnete Rolle (10,2 Prozent).

"Die Täter suchen sich meist straßenferne und nicht einsehbare Zugänge", sagt Dreißigacker. Meistens hebeln die Diebe eine Tür oder ein Fenster auf. Laut der Kreispolizeibehörde Unna gelangten die Täter bei 389 von 503 Fällen durch Aufhebeln in die Wohnung. In nur 33 Fällen schlugen sie ein Fenster oder eine Tür ein.

Allerdings passiert es auch, dass Opfer Tätern begegnen: Bei jedem fünften Wohnungseinbruch (20,1 Prozent) sind die Bewohner laut der Analyse der KFN anwesend. Direkten Kontakt gab es aber nur in 4,2 Prozent der Fälle.

Noch beruhigender: Täter übten nur in 0,7 Prozent der Einbrüche Gewalt aus. „Einbrecher wollen in der Regel schnell rein, Wertsachen greifen und unbemerkt wieder raus. Sie selbst haben meist kein Interesse jemandem zu begegnen“, sagt Dreißigacker. 

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Auf was haben es die Täter abgesehen?

"Handys, Tablet-Computer, Kameras – damit können Diebe schnellen Marktabsatz erzielen. Diese teuren Gegenstände gab es früher noch nicht in diesem Ausmaß. Sie machen einen Einbruch lukrativer", schätzt Dreißigacker. Ansonsten seien die Einbrecher besonders auf Bargeld und Schmuck fokussiert.

Der Mittelwert der gestohlenen Gegenstände liegt laut der Studie bei 2500 Euro. In Einzelfällen weicht der finanzielle Verlust weit davon ab.Hinzu kommt der Schaden, der durch das gewaltsame Eindringen in die Wohnung entsteht. Durchschnittlich entstehen bei einem versuchten oder vollendeten Einbruch weitere Kosten von 1372,80 Euro.

Ein oft nicht so teurer, aber psychisch schwer zu verdauender Nebeneffekt für Opfer: Meist werden bei Einbrüchen laut der Analyse des KFN persönliche Dinge durchwühlt (68,1 Prozent), die Wohnung verwüstet (42,2 Prozent) und Kleidungsstücke durchgesucht (55,4 Prozent).

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Was zahlt die Versicherung?

Sind Wohnungen, in die eingebrochen wurde, zum Tatzeitpunkt über eine Hausratversicherung abgedeckt, kommt diese in der Regel für materielle Schäden auf. Die Versicherungssumme bestimmt die maximale Schadenssumme, für die die Versicherung aufkommt. Sie variiert je nach Wohnraumgröße und Ausstattung.

Obergrenzen dienen als Orientierung: maximal 1500 Euro Bargeld; Urkunden, Sparbücher, Wertpapiere bis maximal 3000 Euro; Schmuck, Briefmarken und Gold bis maximal 25 000 Euro.

Ein Nachweis über gestohlene Gegenstände etwa durch Kaufverträge oder Fotos sowie die Anzeige des Einbruchs sind notwendig für die Kostenübernahme. Auch Reparaturkosten können bei der Versicherung eingereicht werden.

Wie geht es den Opfern nach einem Einbruch?

Einbrüche sind für die Opfer belastend. „Das Problem ist, zu wissen, dass da jemand in die eigenen vier Wände eingedrungen ist“, sagt Rolf Wagemann, Leiter der Dortmunder Außenstelle des Weißen Rings, der sich unter anderem um Einbruchsopfer kümmert.

Die materiellen Schäden, die durch Diebstahl und gewaltsames Eindringen in die Wohnung, entstanden, treten hinter den psychischen Problemen in den Hintergrund. Die Angst vor einem erneuten Einbruch bleibt beiden Opfern häufig lange. Dennoch: Experten zufolge seien andauernde psychische Probleme nach einem Einbruch selten.

Darunter leiden die Opfer laut einer Studie des Generalverbands deutscher Versicherer (GDV):

  • Unsicherheitsgefühl zu Hause (75,3 Prozent, davon 46,5 Prozent langfristig)
  • Macht- und Hilflosigkeit (70,6 Prozent/39,9 Prozent)
  • Stress und Anspannung (61,1 Prozent/23 Prozent).

Weitere Folgen sind: Angst, Schlafstörungen, Ekel, Gefühl von Erniedrigung, Verdrängung, Albträume, Unsicherheit im Umgang mit anderen Menschen.

Wo Personen, bei denen eingebrochen wurde, Hilfe bekommen, sagt ihnen die Polizei schon bei der Aufnahme des Einbruchs. Psychologische Hilfe vermittelt zum Beispiel der Weißen Ring. Der Verein unterstützt Bedürftige in Notlagen auch finanziell. Wer eine Hausratversicherung hat, bekommt materielle Verluste bis zu einem gewissen Wert erstattet, sofern Belege über die gestohlenen und beschädigten Gegenstände vorgelegt werden.

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