Verbraucher bescheren Deutschland Wirtschaftswachstum

Optimismus trotz Gefahren für globale Stabilität

Trotz aller Krisen bleibt die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs. Unter dem Strich legte sie im vergangenen Jahr um 1,7 Prozent zu. Das teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Berlin mit. Die globale Stabilität ist laut Wirschaftsexperten aber so gefährdet wie lange nicht. Dafür sorgen verschiedene Risiken.

Berlin/London

14.01.2016, 12:10 Uhr / Lesedauer: 3 min
Die Gefahr eines Versagens in der Klimapolitik wird von den Experten als am folgenschwersten eingeschätzt. Foto: Patrick Pleul

Die Gefahr eines Versagens in der Klimapolitik wird von den Experten als am folgenschwersten eingeschätzt. Foto: Patrick Pleul

Die Verbraucher haben Deutschland das stärkste Wirtschaftswachstum seit Jahren beschert. "Wichtigster Motor war der Konsum", sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Dieter Sarreither.

Staat und private Haushalte waren demnach fast allein für den Konjunkturschub verantwortlich, der früher dominierende Außenhandel dagegen kaum. Zudem kann der deutsche Staatshaushalt im zweiten Jahr in Folge einen Überschuss verbuchen - nach Sarreithers Worten ein "Alleinstellungsmerkmal" in der Eurozone.

Verbrauchern sitzt das Geld locker

Vielen Verbrauchern sitzt das Geld seit Monaten locker, weil Sparen kaum noch mit Zinsen belohnt wird und die rapide sinkenden Energiepreise die Haushalte zusätzlich in wachsendem Maß entlasten.

Beispielsweise ist die Fahrt an die Tankstelle für Autofahrer derzeit so günstig wie seit Jahren nicht mehr. Hinzu kommt der anhaltende Boom am Arbeitsmarkt, der die Beschäftigung seit Jahren immer wieder auf Rekordhöhen treibt.

Erstmals gab es 2015 mehr als 43 Millionen Beschäftigte. "Das ist der höchste Stand seit der deutschen Vereinigung", sagte Sarreither. Mit 2,681 Millionen war die Zahl der Erwerbslosen im Dezember so niedrig wie seit 24 Jahren nicht in diesem Monat.  

Ein deutlich stärkeres Wirtschaftswachstum gab es zuletzt nur 2010 und 2011 - damals musste sich die deutsche Wirtschaft allerdings erst einmal aus der tiefen Rezession des globalen Krisenjahres 2009 emporarbeiten. 

Nach Sarreithers Angaben liegt Deutschland wie bereits 2014 über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre (1,3 Prozent) - und auch über dem Durchschnitt aller Euroländer. 2014 hatte es für Deutschland ein Plus von 1,6 Prozent gegeben, 2013 musste sich die deutsche Wirtschaft mit mageren 0,3 Prozent Wachstum begnügen.

Optimismus trotz Gefahren für globale Stabilität 

Der positive Trend dürfte sich 2016 fortsetzen. Zwar wollte Sarreither noch keinen konkreten Ausblick auf das soeben begonnene Jahr wagen. Er zitierte aber Prognosen von Volkswirten, die im Schnitt von etwa 1,8 Prozent Wachstum im laufenden Jahr ausgingen. Diese Prognosen seien mit den Daten der Statistiker "kompatibel", sagte Sarreither.

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Somit herrscht für 2016 trotz Flüchtlingskrise, Terrorgefahr und China-Schwäche Optimismus vor - und das, obwohl die globale Stabilität nach Einschätzung von Wirtschaftsexperten so gefährdet ist, wie lange nicht mehr. 

Die Risiken sind in allen Bereichen - umweltbezogen, gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch und technologisch - in den vergangenen zwölf Monaten gestiegen, wie aus dem am Donnerstag in London veröffentlichten Welt-Risiko-Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) hervorgeht.

Flüchtlingsstrom als wahrscheinlichstes Risiko

Als wahrscheinlichstes Risiko in diesem Jahr sehen die knapp 750 für die Studie befragten Manager und Wirtschaftswissenschaftler den weiteren Flüchtlingszustrom.

Am folgenschwersten wird die Gefahr eines Versagens in der Klimapolitik eingeschätzt. Zudem bleibt die Sorge vor wachsenden Einkommensunterschieden groß. Gerade in Industrieländern kommt die Angst vor Cyberangriffen hinzu.

Noch nie in der elfjährigen Geschichte der Studie habe es eine "so breit gefächerte Risikolandschaft" gegeben, heißt es in dem Bericht. Die einzelnen Gefahren seien dabei immer stärker miteinander verbunden.

"Wir wissen, dass der Klimawandel andere Risiken wie Migration und Sicherheit verschärft, aber das sind keineswegs die einzigen Zusammenhänge, die sich rasant entwickeln und oftmals unberechenbare Auswirkungen auf Gesellschaften haben", betonte WEF-Ökonomin Margareta Drzeniek-Hanouz.

"Durch Ereignisse wie die Flüchtlingskrise und Terroranschläge in Europa ist die globale politische Instabilität so hoch wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr", ergänzte John Drzik vom Industrieversicherungsmakler Marsh. Das mache Entscheidungen von Unternehmen schwieriger.

Hinzu kommen zwischenstaatliche Spannungen, die Lösungen etwa im Kampf gegen den Klimawandel erschweren.

Jahrestagung ohne Nordkorea

Bei der 46. WEF-Jahrestagung im Schweizer Alpenkurort Davos wollen in der kommenden Woche (20. bis 23. Januar) mehr als 2500 Spitzenpolitiker, Manager und Wissenschaftler aus mehr als 100 Ländern nach Lösungsansätzen suchen.

Deutschland wird von Bundespräsident Joachim Gauck vertreten, der am Eröffnungstag eine Rede hält. Zur Regierungsdelegation aus Berlin gehören zudem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sowie weitere Kabinettsmitglieder.

Nicht dabei sein wird Nordkorea. Das WEF hatte das kommunistische Land wegen dessen jüngsten Atomtest wieder ausgeladen. Nun habe Nordkorea in einem Protestbrief sein "tiefes Bedauern", berichteten die Staatsmedien am Donnerstag. 

Das Regime in Pjöngjang warf den Veranstaltern vor, aus ungerechtfertigten politischen Gründen gehandelt zu haben.

Von dpa