Ukraine-Krise: Verhandlungen ohne konkretes Ergebnis beendet

Merkel-Gespräch mit Putin

Die Ukraine-Krisengespräche von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und Kremlchef Wladimir Putin in Moskau sind am Freitagabend ohne greifbares Ergebnis zu Ende gegangen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach von „inhaltsreichen und konstruktiven“ Verhandlungen. Sie dauerten mehr als fünf Stunden.

Moskau

06.02.2015, 08:23 Uhr / Lesedauer: 4 min

Es solle nun ein Dokument ausgearbeitet werden darüber, wie ein bereits im September in der weißrussischen Hauptstadt Minsk vereinbarter Friedensplan umgesetzt werden könne, sagte Peskow Agenturen zufolge.

Dazu solle es an diesem Sonntag ein Telefonat von Merkel, Hollande und Putin mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko geben. Der nie umgesetzte Minsker Aktionsplan vom September beinhaltet unter anderem eine Feuerpause, den Abzug von schweren Waffen von der Frontlinie und die Schaffung einer entmilitarisierten Zone. Außerdem geht es um den Einsatz von Beobachtern zur Kontrolle der Waffenruhe.

Vereinbarung soll ausgearbeitet werden

Das neue Dokument auf Grundlage der Minsker Vereinbarungen solle um die Vorschläge Poroschenkos und Putins ergänzt werden, sagte Peskow. Um welche Zusätze es sich handelt, sagte er allerdings nicht. Die Separatisten etwa fordern, dass ihre jüngsten Landgewinne durch die Kämpfe bei der Festlegung einer Waffenstillstandslinie berücksichtigt werden. Außerdem verlangen sie ein Ende der Wirtschaftsblockade des Donbass durch die ukrainische Regierung.

Die neue Vereinbarung müsse noch ausgearbeitet werden, sagte Peskow. „Dieser Text soll später zur Billigung den Seiten des Konflikts vorgestellt werden“, sagte Peskow. Merkel und Hollande machten sich dem Kreml zufolge nach ihrem Treffen mit Putin wieder auf den Weg zum Flughafen, um ihre Heimflüge anzutreten.

Unsichere Erfolgsaussichten

Merkel und Hollande waren gegen 18.00 Uhr Ortszeit (16.00 Uhr MEZ) auf dem Regierungsflughafen Wnukowo-2 gelandet. Der TV-Sender Rossija-24 zeigte in einer Liveübertragung, wie sich mehrere Fahrzeuge mit Merkel und Beratern bei winterlichem Wetter und Minustemperaturen auf den Weg zum Kreml machten. Kurz nach der Kanzlerin landete der französische Präsident François Hollande in Moskau.

Am Morgen vor ihrer Abreise hatte sich die Bundeskanzlerin zurückhaltend zu den Erfolgsaussichten ihrer Friedensmission im Ukraine-Konflikt geäußert. Es sei "völlig offen, ob es uns gelingt, eine Waffenruhe zu erreichen", sagte sie. Möglicherweise würden auch noch weitere Gespräche erforderlich. Wörtlich sagte sie: "Die Dinge sind im Fluss."

Am Donnerstag hatten sie sich bereits in Kiew mit dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko getroffen. Ziel sei, das Blutvergießen im Osten der Ukraine "möglichst schnell" zu beenden, sagte Merkel. "Wir sind davon überzeugt, dass es keine militärische Lösung dieses Konflikts geben wird."

"Nicht als neutrale Vermittler unterwegs"

Die Kanzlerin betonte zugleich, dass sie und Hollande "nicht als neutrale Vermittler" unterwegs seien. "Es geht darum, dass wir unsere Interessen - deutsche, französische, vor allem auch europäische Interessen einbringen", sagte Merkel. 

"Es geht um Frieden, die europäische Friedensordnung und ihre freie Aufrechterhaltung und die freie Selbstbestimmung von Völkern." Deswegen wolle man "alles, was in unserer Kraft steht, versuchen, um dem Blutvergießen ein Ende zu setzen".

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat sich indes zurückhaltend zu den Erfolgsaussichten der deutsch-französischen Friedensbemühungen im Ukraine-Konflikt geäußert. "Wir arbeiten daran, dass aus der Hoffnung eine Chance wird", sagte Steinmeier am Freitag nach einem Treffen mit Südkoreas Außenminister Yun Byung in Berlin.

Hoffnungen ruhen auf Russland

Die  angestrebte Feuerpause im Kriegsgebiet wäre aus Sicht von Frankreichs Präsidenten François Hollande nur ein Anfang zur Lösung des Konflikts. "Eine Waffenruhe muss der erste Schritt sein, aber das kann nicht reichen", sagte Hollande am Freitag in Paris.

"Alle wollen den Frieden und gehen davon aus, dass Russland ihn auch will", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstagabend nach einem Treffen von Merkel und Hollande mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in Kiew. Dieser teilte anschließend mit, er betrachte die deutsch-französische Initiative hoffnungsvoll. Im Osten der Ukraine sind seit April mehr als 5400 Menschen getötet worden. Zuletzt hatte sich die Lage dort verschlimmert.

Medienbericht dementiert

Seibert sagte, die Politiker hätten in Kiew umfassend und konstruktiv über die Lösung des Konflikts beraten. Ausgangspunkt für die neue Initiative sei das Friedensabkommen von Minsk. Einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung", wonach die Initiative den Separatisten ein viel größeres Territorium als bisher vorgesehen zugestehe, hatte die Bundesregierung dementiert.

Im September hatten sich die Konfliktparteien in Minsk auf einen Aktionsplan geeinigt. Darin ist unter anderem ein Waffenstillstand vereinbart, gegen den seit Monaten sowohl prorussische Separatisten als auch ukrainische Truppen in den umkämpften Gebieten verstoßen. Mehrere Anläufe für Verhandlungen der Kontaktgruppe, an der auch Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie Russlands beteiligt sind, waren seit Dezember gescheitert. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bezeichnete die Situation zuletzt als "brandgefährlich". Trotz aller Bemühungen wird die Verhandlungslage in deutschen Regierungskreisen weiter als schwierig eingeschätzt.

Auch Putin hat Vorschläge

Nach Angaben von US-Außenminister John Kerry legte auch Putin neue Vorschläge zur Krisenlösung vor. Der russische Präsident habe seinen Vorstoß vor seinem Treffen mit Merkel übermittelt, sagte er am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk in Kiew. "Wir haben uns erst heute mit dem Text vertraut gemacht und die Gegenvorschläge von Merkel und Hollande noch nicht diskutiert." Jazenjuk sagte, Frieden sei wichtig. "Die territoriale Integrität der Ukraine steht aber nicht zur Diskussion."

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen warnte vor überzogenen Erwartungen an das Gespräch in Moskau. Gleichwohl könnten sich im Zuge von Verhandlungen viele kleine Schritte in die richtige Richtung summieren, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "maybrit illner".

Die Zeitung "Die Welt" berichtete, in hohen EU-Diplomatenkreisen werde davon ausgegangen, die US-Regierung beginnen mit Waffenlieferungen an Kiew, sollten die Initiative von Merkel und Hollande scheitern sowie die Kämpfe mit unverminderter Härte weitergehen. Dann "werden die Amerikaner wohl defensive Waffen, wie Panzerabwehrraketen und Artillerieradar, an die Ukraine liefern", schrieb das Blatt unter Berufung auf ranghohe EU-Diplomaten, die mit den Ukraine-Verhandlungen vertraut sind.

Kiew fordert Waffen

Kiews Bürgermeister sagte der "Bild"-Zeitung: "Wir wollen Waffen, mit denen wir uns verteidigen können, es geht nicht um Angriffswaffen. Keiner weiß, wie weit Putin es noch treiben will. Und wir verteidigen in der Ukraine europäische Grenzen." Russland hat die USA vor Waffenlieferungen gewarnt. Moskau wird eine materielle Unterstützung der Aufständischen in der Ostukraine vorgeworfen. Der Kreml weist solche Vorwürfe zurück.

Der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Josh Earnest, betonte, bei der Diskussion um mögliche Lieferungen wolle man sich eng mit Berlin abstimmen. Merkels Meinung "bedeute dem Präsidenten eine ganze Menge". Obama empfängt Merkel am Montag in Washington. Auch bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende dürfte sich alles um die Ukraine-Krise drehen.

von dpa