TÜV: Spielplätze in NRW sind sicherer geworden

Städte kürzen Etats

Gefahrlos wippen und klettern, schaukeln oder matschen: Die Spielplätze in NRW sind in den letzten fünf Jahren sicherer geworden. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Die Städte haben immer weniger Geld, um Kindern etwas zu bieten. Wir haben in einzelnen Städten der Region mal genauer hingeschaut.

NRW

, 12.03.2016, 06:00 Uhr / Lesedauer: 5 min
Zum Losbuddeln oder -Klettern: Jedes Kind und alle Eltern wünschen sich saubere, attraktive und natürlich sichere Spielplätze. Ein aufwändige und teuer Aufgabe für die Städte und Gemeinden.

Zum Losbuddeln oder -Klettern: Jedes Kind und alle Eltern wünschen sich saubere, attraktive und natürlich sichere Spielplätze. Ein aufwändige und teuer Aufgabe für die Städte und Gemeinden.

Alle paar Jahre ziehen die Prüfer vom TÜV los, buddeln Schaukelpfosten frei, klopfen gegen Holzbalken von Klettertürmen, messen, wie hoch der Sand unterhalb einer Schaukel ist. 2005, 2009 und 2012 waren sie unterwegs - und brachten teils erschreckende Ergebnisse mit. Im Test von 2009 sahen die Experten so morsche oder rostige Spielgeräte, dass sie von „Lebensgefahr“ für Kinder sprachen. 2012 gab es schon weniger erhebliche Mängel, doch immer noch hatte der TÜV Rheinland an drei Viertel der untersuchten Anlagen etwas auszusetzen. Getestet wurden 50 per Zufallsprinzip ausgewählte Spielplätze in zehn Großstädten. Aus NRW waren Düsseldorf, Aachen und Köln dabei.

In diesem Jahr steht der vierte bundesweite Spielplatz-Test an, im späten Frühjahr geht es los. Da viele Städte und Gemeinden den TÜV für ihre jährlichen, großen Spielplatzkontrollen beauftragen, kann Ralf Diekmann als Sprecher für Produktsicherheit beim TÜV Rheinland aber schon im Voraus sagen: „Die Kommunen sind deutlich besser geworden.“ Er erwartet beim vierten Spielplatz-Test weit weniger Fälle, bei denen sofort etwas geschehen müsse. Denn: „Der Wille der Städte, etwas zu tun, ist größer geworden“, sagt der Prüf-Experte. Mitarbeiter, die Spielplätze kontrollieren, würden besser geschult und hätten mehr Sachverstand.

Keine Abtipp-Fehler mehr

Auch helfe die Technisierung – so profan das klinge. Früher haben die Prüfer ihre Ergebnisse auf einen Block geschrieben, das Ganze musste abgetippt werden. „Da gab es viele Übertragungsfehler“, sagt Diekmann. Nicht selten sei ein intakter Balken erneuert worden, während der morsche hängen blieb. Da die Prüfer heute alles in Tablets festhielten, fielen Abtipp-Fehler weg. Auch die Hersteller der Spielgeräte würden „immer besser“, sagt Boris Vardel von der Unfallkasse NRW, die für Unfälle auf Spielplätzen an Schulen und in Kitas zuständig ist.

 

Warum genau die Kommunen mehr in die Ausbildung ihrer Spielplatzkontrolleure investieren – das vermag Diekmann nicht zu sagen. Vielleicht sind es einzelne, aber sehr schwere Unfälle, die sie dazu bewegt haben. Wie der in Datteln, Mai 2013. Ein 18-jähriges Mädchen schaukelt, das Holzgestell bricht zusammen, ein sechs Meter hoher Pfosten stürzt auf die 18-Jährige, sie stirbt noch auf dem Spielplatz. Der städtische Gärtner, der den Spielplatz erst kurz zuvor kontrolliert hat, wird angeklagt. Wegen fahrlässiger Tötung. 

Der Prozess geht ohne Urteil zu Ende. Laut einem Gutachter lag der Hauptfehler beim Hersteller der Schaukel. Trotzdem zeigt der Prozess: Passiert etwas, muss sich der Betreiber des Platzes verantworten. „Die Gerichte schauen, ob man im Rahmen seiner Möglichkeiten für ausreichende Verkehrssicherheit gesorgt hat“, erklärt Vardel. Und die Pflichten sind umfangreich. Laut europäischer Normen sind vorgeschrieben:

  • mindestens eine wöchentliche Sichtkontrolle
  • eine detailliertere Quartals-Inspektion
  • eine jährliche Hauptinspektion

Hauseigene Kontrolleure:
Meist sind es Angestellte der Stadt oder städtischer Tochterfirmen, die die Spielplätze besuchen – und dafür auch geschult sind. In Castrop-Rauxel beispielsweise sind es die Mitarbeiter des Bereichs Stadtgrün und Friedhofwesen, in Dortmund Mitarbeiter des Tiefbauamtes, in Schwerte kommen die Kontrolleure für die Sichtkontrollen aus dem Baubetriebshof. Die größeren Tests macht ein unabhängiger, von der Stadt beauftragter Spielplatzinspektor.  In Haltern werden die wöchentlichen Sichtkontrollen mit dem Leeren der Abfalleimer verbunden. Für Sichtkontrollen sei das völlig in Ordnung, sagt Diekmann vom TÜV. „Augenfällige Schäden können dabei bemerkt werden.“ 

Eine Umfrage in den Städten der Region hat ergeben: Lünen, Castrop-Rauxel, Dortmund, Haltern, Schwerte und Dorsten – eigenen Angaben nach halten sich alle an die Kontrollen. Dortmund schickt seine Prüfer sogar noch zu einer nicht vorgeschriebenen halbjährlichen Inspektion raus.

Drei- bis viertausend Euro pro Spielplatz

Werden alle Vorschriften befolgt, geht das ins Geld, sagt der TÜV-Experte. Schließlich müsse jeder Spielplatz allein rund 50 Mal im Jahr besucht werden. Dortmund hat 341 städtische Spielplätze, das sind 17.050 Besuche im Jahr. Dorsten kommt mit seinen 144 Spielplätzen auf 7200 Besuche, Lünen auf 3700 (74 Spielplätze). 1,5 Millionen Euro konnte Dortmund im Jahr 2014 für seine Spielplätze ausgeben – das sind rund 4400 Euro pro Platz. Dorsten hat 100.000 Euro für Sachausgaben eingeplant und 400.000 Euro an Personalausgaben – macht 3470 Euro für jeden Spielplatz. Bochum kommt mit seinen 219 Spielplätzen (Bolzplätze nicht mit eingerechnet) auf etwa 3840 Euro pro Platz.

TÜV: Die Kosten sind "knapp kalkuliert"

Ganz genau vergleichen lassen sich die Zahlen nicht, weil jede Stadt die Kosten unterschiedlich auffächert – mal sind alle Personalkosten miteingerechnet, mal nicht. Manchmal gibt es noch einen Extra-Posten für Investitionen.  Aber in jedem Fall sind die Kosten „knapp kalkuliert“, sagt Diekmann zu den Zahlen. Allein fürs Personal ginge einiges drauf. „Und bei einem gravierenden Mangel an einem Spielgerät ist man mit 3000 bis 4000 Euro dabei“, rechnet der Prüf-Experte vor. Da seien vier-, fünftausend Euro im Schnitt für einen Spielplatz nicht „so viel“.  Erst recht, wenn man auf die Investitionen blicke. Große Klettertürme mit Brücken kämen schnell auf 20.000 bis 25.000 Euro. Gerade, da Holz so angesagt sei. Und Kosten für den Aufbau kämen auch noch hinzu.

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Das ist viel Geld. Daher gilt, ganz simpel: „Kommunen mit viel Geld haben eher schöne Spielplätze“, sagt Martin Lehrer, Sprecher des Städte- und Gemeindebundes. Kommunen mit weniger Geld, hätten es schwerer. Zurzeit hätte man aber ohnehin „ganz andere Baustellen in der kommunalen Landschaft“: Flüchtlinge, klimaneutrale Kommune, soziale Ungleichheit. „Viel Geld ist nicht da für Spielplätze“, so sein ernüchterndes Fazit.

Bochum beispielsweise befindet sich im Haushaltssicherungskonzept. Haltern und Schwerte sind Kommunen mit Haushaltsstärkungspakt. Will heißen: Auch sie müssen weniger ausgeben. So ist es mit den jeweiligen Bezirksregierungen vereinbart. Wo die Städte und Gemeinden Geld sparen, überlässt die Bezirksregierung ihnen.

Schwerte und Dorsten kürzen Spielplatz-Etat

Nicht wenige Kommunen haben auch den Etat für Spielplätze gekürzt: Schwerte hat die Unterhaltungskosten von 60.000 auf 40.000 Euro im Jahr gesenkt. Dorsten plant für 2016 nur Investitionen von 80.000 Euro (vorher: 100.000 Euro), Haltern musste Spielplätze verkleinern, indem beispielsweise alte Spielgeräte abgebaut und nicht ersetzt werden. Alle Städte betonen, dass an den Sicherheitskontrollen nicht gespart werde.

Diekmann hat allerdings häufiger beobachtet, dass Kommunen mit knappen Kassen neue Geräte lieber selbst aufbauten, statt sie vom Hersteller installieren zu lassen. „Wenn man sich da nicht peinlich genau an die Vorgaben hält, kann das leicht verhängnisvoll werden.“ Auch Vardel von der Unfallkasse hat vor allem beim Aufbau von Geräten Fehler entdeckt. Sie seien teils zu nah an einem Zaun platziert gewesen oder der Untergrund nicht dick genug für den Fallschutz.

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Castrop-Rauxel: Super-Spiellandschaften nicht möglich

Trotzdem hat sich die Sicherheit insgesamt verbessert. Wo wird dann gespart? Aus Castrop-Rauxel heißt es: „Finanzschwache Kommunen wie Castrop-Rauxel stehen bei der Ausstattung ihrer Spielplätze vor der Herausforderung, den Platz so attraktiv wie möglich zu gestalten, und gleichzeitig nur so viel Geld auszugeben, was sie sich leisten können.“ Super-Spiellandschaften, wie Sprecherin Maresa Hilleringmann sagt, seien da nicht drin. „Wir können hier nicht die Zoom-Erlebniswelt bieten“, erklärt sie mit Anspielung auf die Spielplätze im Gelsenkirchener Zoo. Man setze lieber auf „kleine, feine“ Plätze.

Lohnen sich wirklich noch alle Spielplätze?

Dabei stehen viele Kommunen laut TÜV und Städte- und Gemeindebund oft auch vor einer weiteren Frage: Braucht man überhaupt noch alle Spielplätze? Es gebe einige Stadtteile, in denen vor Jahrzehnten viele Kinder gewohnt haben, Spielplätze wurden angelegt, doch mittlerweile hat sich die Bevölkerungsstruktur geändert, der Stadtteil ist überaltert, die Spielplätze kaum genutzt – und die Spielgeräte zudem alt und unattraktiv. „Nur mit einer Tischtennisplatte und einem Holzbalken kann man heutzutage kein Kind mehr begeistern“, sagt Diekmann. Trotzdem müssten die Kommunen „mächtig hinterher sein“, gerade diese Altspielgeräte zu pflegen und deren Sicherheit zu garantieren. 

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Das kostet viel Geld. Komplett aufgegeben werden Spielplätze trotzdem selten, wie unsere Umfrage gezeigt hat. Aus Vernunftgründen spricht laut TÜV zwar vieles dafür, aber Spielplatzschließungen seien ein heikles Thema, alle gingen gleich auf die Barrikaden. "Da bekommt man als Kommune was zu hören", sagt Diekmann.

Sparvorlage in Bochum wieder zurückgezogen

So, wie jüngst Bochum: Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge hat ein Sparkonzept der Stadt vorgesehen, bis Ende 2019 etwa 80 Spiel- und Bolzplätze ganz oder teilweise aufzugeben, um die Kosten pro Jahr um 125.000 Euro zu senken. Kaum war das bekannt, habe Bochum die Sparvorlage wieder zurückgezogen. Warum genau und was stattdessen geplant ist, dazu will sich die Stadt auf Anfrage nicht äußern.

Der Fall zeigt, wie sensibel das Thema ist. Lünen hat 2012 seine Spielplätze unter die Lupe genommen, auf Qualität, Attraktivität und Notwendigkeit hin untersucht. Das Ergebnis der „Spielflächenplanung 2020“: Es ist einiges zu tun. 74 Plätze hat die Stadt, 47 haben laut Analyse einen „verbesserungswürdigen“ Gerätezustand. In den Einzelanalysen fallen eine Reihe an Plätzen auf, die alt sind. Teils stammen sie noch aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und sind wenig attraktiv. Geschlossen werden soll laut Sprecher Frank Knoll aber trotzdem kaum ein Platz. Er spricht eher von Neugestaltung und „Rückbau“, also Verkleinerung. Da sei der Protest nicht so groß, sagt er.

Um die Spielflächenplanung bis 2020 umsetzen zu können, hat die Stadt den Spielplatzetat aufgestockt. Während 2006 noch rund 55.000 Euro eigens zur Verfügung standen, um Spielplätze zu optimieren oder neu anzulegen, sind es 2016 an die 290.000 Euro. Auch für die kommenden Jahre ist ein Budget auf diesem Niveau eingeplant. Ganz gegen den Trend. „Wir wollen uns als familienfreundliche Stadt etablieren“, sagt Knoll. Er gibt aber auch zu, dass man möglicherweise länger (zu) wenig gemacht habe. In Dortmund und Castrop-Rauxel betont man, schon vor Jahren viele Altgeräte abgebaut oder ausgetauscht zu haben.

Sponsoring von Spielplätzen:
„Diese Hüpfburg wurde gesponsert von…“ Angesichts leerer Kassen weist der  der Städte- und Gemeindebund, darauf hin, dass man sich finanziell helfen lassen kann. Krankenkassen zum Beispiel hätten ein Interesse an gesunden und fitten Kindern, sagt Martin Lehrer, Sprecher des Bundes. Und auch an fitten Senioren. Daher lohne es sich, über sogenannte Mehrgenerationen-Spielplätze nachzudenken. Mit Spielgeräten für Kinder, aber auch Bewegungsgeräten für Ältere. „So ein Spielplatz kann länger und kontinuierlicher genutzt werden“, sagt Lehrer. 

 

 

 

 

 

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