Tierquälerei: Ermittlungen gegen Schweinemastbetriebe in NRW - Zulieferer von Westfleisch

Kranke Tiere

Mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln gegen Schweinemastbetriebe in NRW wegen möglicher Tierquälerei. Die Betriebe sind Zulieferer von Westfleisch. Das Unternehmen äußert sich nun zu den Fällen.

NRW

21.09.2022, 09:18 Uhr / Lesedauer: 3 min

Ausgangspunkt seien Anzeigen des Deutschen Tierschutzbüros, sagte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt am Mittwoch auf Anfrage. Den Anzeigen seien USB-Sticks mit Fotos beigefügt, die derzeit geprüft würden.

Die Tierschutzorganisation „Deutsches Tierschutzbüro“ wirft insgesamt sieben Zulieferbetrieben des Fleischkonzerns Westfleisch mit Sitz in Münster massive Tierquälerei vor.

Betroffen seien sechs Schweinemastbetriebe in den Kreisen Lippe, Höxter, Paderborn, Warendorf, Steinfurt, Borken (NRW) und einer im Landkreis Hameln-Pyrmont in Niedersachsen. Westfleisch ist mit mehreren Millionen Schlachttieren pro Jahr und einem Milliarden-Umsatz einer der größten Schweineschlachter in Deutschland und beliefert alle Discounter und Supermarktketten.

Die Unternehmensgruppe zeigte sich schockiert über die Bilder von kranken und verletzten Schweinen und kündigte mehrere Maßnahmen an. „Die Aufnahmen machen auch uns betroffen“, betonte Westfleisch auf dpa-Anfrage am Mittwoch. Man nehme die Vorwürfe gegen die einzelnen Tierhalter sehr ernst und gehen ihnen „mit aller Entschiedenheit“ nach.

Auch die Staatsanwaltschaft in Detmold ermittelt, nachdem ihr entsprechendes Videomaterial vorgelegt wurde. „Nach Sichtung des Videomaterials ergab sich ein Anfangsverdacht wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz.“ Man habe das zuständige Veterinäramt beim Kreis Lippe eingeschaltet. Zur „ergänzenden Bewertung“ werde dem beschuldigten Betrieb nun Gelegenheit gegeben, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

In allen dokumentierten Betrieben werden nach Angaben der Tierschützer Schweine gequält. Die Videoaufnahmen, die im Mai entstanden seien, sollen unter anderem Schweine mit offenen Wunden zeigen, verletzte Tiere, die nicht mehr aus eigener Kraft hochkommen oder auch tote Schweine. Das Veterinäramt im Kreis Warendorf und weitere Veterinärämter seien informiert worden.

Westfleisch kündigt Maßnahmen an

„Bis zur endgültigen Klärung aller Vorwürfe behalten wir uns sanktionierende Maßnahmen bis hin zur Kündigung der Lieferverträge vor“, betonte Westfleisch in Münster. „Für uns steht das Wohlergehen der gehaltenen Tiere immer an erster Stelle.“ Grundsätzlich würden Zulieferbetriebe regelmäßig überprüft. Wer die Qualitätskriterien nicht erfülle, scheide als Zulieferer aus. „Transportunfähige und schlachtunfähige Tiere wurden und werden in Westfleisch-Betrieben definitiv nicht zur Schlachtung angenommen.“

Elektroschocker ständig im Einsatz - Tiere leben in eigenem Kot

Laut dem Deutschen Tierschutzbüro sei zum Beispiel in einem Westfleisch-Zulieferbetrieb in Ibbenbüren, Kreis Steinfurt, der Elektroschocker bei der Verladung der Tiere ständig im Einsatz, teilweise sogar am Kopf der Tiere. „Es geht offenbar nur darum, dass die Schweine schneller auf den Westfleisch-Transporter getrieben werden, der Schutz der Tiere spielt dabei überhaupt keine Rolle“, sagt Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender vom Deutschen Tierschutzbüro. Einige der Tiere hätten blutige Striemen und Katzer auf der Haut oder blutig gebissene Ohren. In einer Bucht müssten die Schweine in ihrem eigenen Kot leben, es sei offenbar die Krankenbucht. „Die hygienischen Zustände sind miserabel, hier kann kein Tier gesund werden“, sagt Peifer. Auf den Videoaufnahmen sei auch zu sehen, wie ein Schwein im Betrieb geschlachtet wird.

Verbotene Maßnahmen aufgedeckt

Aufnahmen aus einem zweiten Betrieb in Beckum (Kreis Warendorf) zeigten laut Peifer Tiere, die an offenen, eitrigen Wunden litten. Manche Schweine können nicht mehr auftreten. „In einem Zwischengang befindet sich ein Schwein, das schwer verletzt ist und dringend tierärztliche Hilfe braucht. Es ist zwar separiert, allerdings ohne ausreichend Futter und Wasser“, kritisiert Peifer. Obwohl dies verboten sei, sei es dennoch Praxis in vielen Schweinemastbetrieben.

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Auch die Bildaufnahmen aus den Westfleisch-Zulieferbetrieben in Kalletal (Kreis Lippe), Salzkotten (Kreis Paderborn) und Velen (Kreis Borken) zeigten verletzte, kranke und tote Tiere. Dabei sei die Liste der Vorwürfe laut Tierschutzorganisation sehr lang und reiche über unbehandelte Nabelbrüche bis zum Abstellen vom Trinkwasser in Kastenständen (Käfigen), in denen Sauen gehalten wurden. „Die Ergebnisse der Undercover-Recherche sind wirklich sehr schockierend“, so Peifer. Man habe die sieben Betriebe per Zufallsprinzip herausgesucht, aus Peifers Sicht belegten sie die katastrophalen Folgen eines Systems von Massentierhaltung und dem Wunsch nach billigem Fleisch.

Das ZDF-Magazin „Frontal 21“ hat in einem am Dienstagabend ausgestrahlten Beitrag über die Missstände in den Betrieben berichtet. Einer der Landwirte, dem Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vorgeworfen werden, wies die Anschuldigungen zurück. Die kranken Tieren seien schnell tierärztlich versorgt worden.

Für Westfleisch stehen nun nach eigenen Angaben vor allem drei Schritte im Fokus: „Erstens kontrollieren wir aktuell jeden betroffenen Betrieb und führen dabei ein umfangreiches Sonder-Monitoring durch.“ Zweitens sollten kurzfristig alle Lieferbetriebe besichtigt werden, dabei werde der Status quo genau dokumentiert. Das sei auch wichtig, damit die „generell hervorragende Arbeit unserer über 3000 Vertragspartner nicht in Misskredit“ gerate. Zudem werde Westfleisch sein Kontrollnetz erweitern.

Das Deutsche Tierschutzbüro hat Auszüge der Aufnahmen auf seiner Webseite dokumentiert.

Erst vor einem Jahr wurde ein großer Tierquälerskandal in einer Viehsammelstelle in Werne aufgedeckt. Sichtbar kranke, geschwächte Rinder und Schweine wurden dort mit unfassbarer Rohheit misshandelt und am Ende teils mit einer Seilwinde auf einen Anhänger gezogen, um zu einem Schlachthof gefahren zu werden. Der Betrieb wurde nach Bekanntwerden der Zustände geschlossen, der Betreiber erhielt Berufsverbot.

dpa/bär