Sloane erklärt, warum er Bochum verlässt

Das Interview

Überraschend hat Steven Sloane seinen Abschied von den Bochumer Symphonikern verkündet. Was dahinter steht, erklärt er im Interview.

Bochum

, 02.07.2018, 15:29 Uhr / Lesedauer: 3 min
Steven Sloane verlässt Bochum am Ende der Saison 2020/21.

Steven Sloane verlässt Bochum am Ende der Saison 2020/21. © Bochumer Symphoniker

Die Bochumer Symphoniker (Bosy) ohne Generalmusikdirektor (GMD) Steven Sloane – das ist kaum vorstellbar. Der 1958 in Kalifornien geborene Amerikaner mit deutschem Pass leitet das Orchester seit 1994, führte es zu großen Erfolgen auch bei der Ruhrtriennale und in den großen Konzerthäusern der Nachbarstädte. Maßgeblich war er daran beteiligt, dass die seit mehr als 90 Jahren heimatlosen Bosy 2016 in ein eigenes Haus ziehen konnten.

Wollen Sie aufhören, weil es gerade am schönsten ist?
Wir sind an einen Punkt gekommen, wo wir sehr viel erreicht haben: Nicht nur den Bau dieses wunderbaren Musikforums, sondern auch in der Entwicklung des Orchesters und unserer Zuschauer. Ich habe unseren Spendern versprochen, nach der Eröffnung noch fünf Jahre zu bleiben. Dann ist Zeit für neue Impulse und andere Ideen. Das ist gut und gesund für ein Orchester.

Haben Sie die Entscheidung allein getroffen?
Es war meine Initiative, ja.

Wünscht sich auch das Orchester einen Neuanfang?
Wir verstehen uns und sind stolz auf unsere gute Beziehung. Aber natürlich ist die Arbeit eines Musikdirektors nicht immer nur verbunden mit Harmonie. Ich leite einen Betrieb mit 85 individuellen Persönlichkeiten. Sicher wünschen sich einige Orchestermusiker nach so vielen Jahren jemand anderen. Das ist total normal und legitim.

2021 sind sie 27 Jahre in Bochum gewesen. Das hat hier kein GMD vor Ihnen geschafft.
Es gibt weltweit kaum Beispiele. Als ich 1994 nach Bochum kam, hätte ich das in meinen wildesten Träumen nicht gedacht. Damals hingen zwar in der ganzen Stadt Plakate mit der Aufschrift „Please welcome Mr. Sloane“, und es fühlte sich gleich so an: Wir gehören zusammen. Aber dass es eine so lange Zeit geworden ist, hängt mit dem Bau des Musikforums zusammen, mit Planung, Fundraising, Überzeugungsarbeit.

Am Anfang war es erst einmal dringend notwendig, an der musikalischen Qualität des Orchesters zu arbeiten, neues Repertoire zu entwickeln, die Zuschauer zurückzuholen. In meinem Vorbereitungsjahr gab es sehr intensive Gespräche darüber, ob wir mit den Dortmunder Philharmonikern fusionieren. Ich habe damals für mich entschieden, diese Idee zu verwerfen.

Heute sprechen die Zahlen für das Orchester.
Es ist unglaublich, wie das Haus angenommen wird. Unsere Abozahlen haben sich seit dem Einzug verdoppelt, und wir haben in den Haupt-Konzertreihen eine Auslastung von mehr als 95 Prozent.

Was planen Sie für die restliche Zeit in Bochum?
Wir wollen das Programm noch ausweiten in allen Bereichen. Früher haben wir etwa 80 Veranstaltungen im Jahr gemacht. Im neuen Domizil wurden es 150, und im kommenden Jahr machen wir über 200. Außerdem sind wir im Gespräch mit der Stiftung, was die Erweiterung von Infrastruktur und Ausstattung betrifft – zum Beispiel müssen wir an der Beleuchtung arbeiten oder der Tontechnik.

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Welche regelmäßigen Aufgaben haben Sie derzeit neben den Bosy?
Ich bin Professor an der Universität der Künste Berlin, außerdem gibt es viele Gastdirigate, zuletzt habe ich an der Oper Frankfurt „Adriana Lecouvreur“ geleitet.

Was kommt nach 2021?
Ich führe schon viele Gespräche und denke über erste Angebote nach. Ich bin voller Energie und Neugier und suche eine besondere Herausforderung. Meine Frau ist Holländerin und ich habe vier Kinder, die in Berlin leben, die Jüngste ist neun Monate alt. Wo wir in Zukunft leben, ist offen. Wir sind beide Künstler. Die Plattform für Kunst ist ja die ganze Welt.

In Kürze wird der Oberbürgermeister Sie zum Ehrendirigenten ernennen.
Nicht nur deshalb bin und bleibe ich für immer Bochumer, verbunden mit diesem Orchester in Titel und Tat.

Werden Sie in die Suche für eine Nachfolge involviert?
Das Orchester ist eine städtische Institution, also wird die Stadt die Entscheidung treffen. Ich werde die nächsten drei Jahre und auch darüber hinaus für jede Art von Beratung zur Verfügung stehen.

Womit könnte man einen Nachfolger locken?
Natürlich mit dem Musikforum und seiner wunderbaren Akustik, das international für viel Aufmerksamkeit sorgt. Und mit einem unglaublichen flexiblen Klangkörper, der Mahler auf genauso hohem Niveau spielen kann wie Jazz oder „Die Soldaten“ bei der Ruhrtriennale – und dann bricht er auf zu einer Europa-Tournee mit Sting.